Der nächste Tag

Jeden Morgen kommt das böse Erwachen. Wieder im selben Grauen aufgewacht. Das Leben ist stets verhängnisvoll geblieben, egal was probiert wurde. Es hat sich nicht gelohnt, sich anzustrengen oder tapfer zu sein. Es hat nie etwas bedeutet auf der Welt zu sein. Immer, wenn man glaubt, es könnte nicht aussichtsloser werden, beginnt ein neuer Tag. Wie die anderen Menschen ihre offenkundig entleerte und entleerende Tätigkeit aushalten können, bleibt rätselhaft. Offenkundig wird Genuss daran gefunden, überhaupt nichts zu sein. Es sieht nicht danach aus, dass ich mir das noch lange ansehen kann. Schwer zu sagen, warum mein Leben immer wieder in einer Sackgasse enden muss. All die Jahre voller Opfer, Entbehrungen und harter Arbeit für immer neue Enttäuschungen, Verletzungen und Verluste. Wann ist es genug? Nie. Das Leben funktioniert so. Man verausgabt sich bis auf die Knochen und dann stirbt man. Niemand hat gesagt, das es fair oder gerecht zugehen wird, soll der muss. Es ist allen völlig egal, ob es gerecht oder fair zugeht oder zugehen wird. Hauptsache man selbst kommt irgendwie durch. Das grauenhafte der Welt liegt in den Gedanken und Taten jedes Einzelnen. Keiner ist unschuldig. Die Verantwortungslosigkeit gehört zum Alltagsleben wie die Sprache. Ich hätte mir an irgendeinem Punkt verbieten müssen, weiter über all das nachzudenken. Aber ich war unfähig zur Ignoranz. Das wird nur noch von der Unfähigkeit übertroffen, etwas an diesen Zuständen zu ändern. Ich bin nicht einmal in der Lage mich selbst zu ändern. Ich spüre mich kaum noch selbst. Ich konnte keinen Halt finden in dieser Gesellschaft. Es gibt keinen Platz, keinen Ort und keine Perspektive. Es ist alles abgesucht, soweit das eigene Auge und Budget reichte. Die Ausgangsbedingungen waren nie günstig und dann kamen noch eigene Fehler und Unzulänglichkeiten dazu. Da reicht es eben nicht mehr. Es hat schon Bessere vor mir erwischt. Warum sollte ich eine Ausnahme bilden? Vor den Abgründen ist niemand sicher. Niemand kann einem da heraushelfen. Ich wüsste nicht, wie ich die Zeit noch totschlagen soll. Ich habe Schulabschlüsse und Berufsabschlüsse gemacht. Hatte Jahre in Schule, Beruf und Universität verbracht, nur um festzustellen, dass es mich nicht erfüllte. Nur, um festzustellen, dass nichts davon eine Bedeutung hatte oder Schutz gewährleistet vor der krisenhaften Welt. Egal, was man unternommen hat, es war nie genug. Und es wird immer so weiter gehen. Man bittet, hofft und argumentiert, plant, arbeitet und kämpft, nur um wieder zu verlieren. Keine Leistung, die man jemals erbracht hat, hat einen davor bewahrt, wieder ums Überleben kämpfen zu müssen. Die eigene Existenz darf offenkundig nicht sich selbst genügen, sie muss sich permanent rechtfertigen für ihre Bedürfnisse. Keiner erinnert sich daran, was man schon alles geleistet hat, wem man das Leben gerettet hat oder wie vielen Leuten man half. Es wird endlos erwartet, dass es unendlich immer intensiver im Berufsleben agiert wird, obwohl es keine rationale Begründung dafür gibt. Permanent muss man sich unmöglichen Behauptungen stellen und ihre Geltung akzeptieren, obwohl sie verrückt sind. Man richtet das ganze Leben nach Idealen, die einen selbst zugrunde richten. Und wer sich darüber beschwert, der wird noch mehr gepeinigt. Man kann nur verlieren. Es ist bloß immer die Frage wie viel man verliert. Verliert man sein Vermögen oder seinen Verstand? Verliert man Bekannte, Freunde und Familie oder sich selbst? Oder verliert man alles zusammen? Man kann ohne Weiteres den Beruf, die Wohnung, die Perspektive, das Vertrauen verlieren. Es gibt keine Garantie für irgendwas und dann merkt man: Bisher hatte man vielleicht sogar noch Glück. Vermutlich kommt der echte Abstieg jetzt erst. Jetzt wo die Jugend vergeht, kommt der eigentliche Niederschlag erst. Und ich warte auf diesen Schlag. Ich warte auf Dinge, Personen, Gespräche, Berufe und Situationen, die niemals eintreten werden. Ich habe nicht nur gewartet, sondern auch angestrebt. Aber nie ist irgendwas eingetreten, was Rettung erbrachte. Ich habe diverse Schläge hingenommen, in Erwartung, dass der Schmerz sich noch auszahlen wird. Aber nichts hat sich ausgezahlt. Das Leid ging immer nur weiter. Auf Schlag folgte Schlag folgte Schlag. Und ich hatte nur die Verwunderung und Überraschung, dass es Ewigkeitscharakter annahm, obwohl es so offenkundig irrational gewesen war. Man wird nur älter, das ist alles was sich ändert. Niemand hat die Kontrolle. Wir alle treiben völlig orientierungslos umher. Aber irgendwie scheinen die anderen das besser ausblenden zu können als ich. Meist weiß ich nicht, wie ich den Tag überstehen soll. Und dann fällt auf, dass die Lebenserwartung wohl noch einige Jahrzehnte von dieser Zumutung parat hält. Ich bin in etwas verwickelt mit dem ich absolut nichts zu tun haben will. Das Leben ist ein Verhängniszusammenhang, aus dem man nicht ohne neuerliches Grauen heraustreten kann. Egal wie man es dreht und wendet, es wird nicht besser. Es ist ein unlösbares Problem. Warum setzt sich das Leben fort? Es scheint einfach nur zu geschehen, wie ein Unfall oder eine Katastrophe. Und es ist auch völlig egal, ob es früher oder später zu Ende geht, denn es gibt Millionen von Lebensformen. Das individuelle Leben ist nur ein Bruchteil des Gesamtlebens und gewissermaßen leicht zu übersehen und zu vergessen. Ich möchte nicht jeden Morgen aufwachen und wissen, dass alles umsonst gewesen ist und sein wird. Aber es gibt keine Idee, keine Perspektive und nichts und niemanden, wodurch daran etwas geändert werden könnte. Es geht seit Jahren so und es ist gewissermaßen natürlich geworden in Hoffnungslosigkeit, Gleichgültigkeit und Ambitionslosigkeit vor sich hinzu dümpeln und vor sich hinzu jammern. Das Elend der anderen Menschen ist wahrscheinlich größer als das eigene, aber es relativiert nichts von dem, was einem selbst zugestoßen ist. Das Leben widerfährt mir, denn ich sitze nicht am Steuer. Das Leben hat mich als Geisel genommen. Und wohin es mich auch trägt, ich habe zu folgen. Es gibt dafür keine Identifikationsgrundlage. Ich kann es nicht gutheißen oder schönreden. Mein Bewusstsein muss eine Art Irrtum darstellen. Ich hätte mich gedanklich nie in diese Richtung entwickeln dürfen. Jetzt bin ich so, wie ich nie hätte werden dürfen. Und ich fühle mich schuldig, obwohl ich nie bewusst ein Verbrechen begangen habe. Aber Unkenntnis schützt vor Strafe nicht. Aber welche Strafe soll man dafür schon bekommen?

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Endlos

Die Zwischenmenschlichkeit funktioniert nicht mehr. Sie ist oft nur ein Zufallsprodukt. Wenn sich zwei Menschen lieben, dann ist das so, als würden sich zwei Regentropfen im freien Fall zufällig treffen. Es sind Millisekunden, die idealisiert werden. Worin soll der Zusammenhalt auch bestehen? Es gibt nur ein paar Momente, die einen zueinander getrieben haben. Und die Gezeiten zerren das Ganze wieder auseinander, noch bevor Überlegungen darüber stattfinden können, was das eigentlich alles sollte.

Die Hoffnung und das Vertrauen verloren zu haben, dürfte eines der größten Katastrophen sein, die einem Individuum zustoßen kann. Andererseits gehört es zum alltäglichen Regelfall, diesen Verlust zu erleiden. Wo kann man sich noch sicher sein? Wo liegen die Gewissheiten? Im Grunde ist alles permanenter Umwälzung untergeordnet. Wenn Glücksmomente auftauchten, dann nicht nur als Form von Zufall, sondern auch als eine Art Momentum: Situativer Vorsprung vor dem ganzen Elend, was direkt darauf folgen wird.

Es bleiben Erinnerungen zurück, die genauso idealisiert werden, wie die scheinbar glückliche Zweisamkeit. Bitterkeit träufelt sich zwar trotzdem hinein. Aber das ist es dann, woran man sich wärmt. Aber die Wärme reicht hier nicht aus. Es ist nie genug, um die soziale Kälte der Gesellschaft wirklich vollständig zurückzudrängen. Die partnerschaftliche Zweisamkeit ist dafür viel zu schwach. Ähnliches gilt für die Familie, die völlig ausgebrannt ist. Die Rückkehr zur Familie bedeutet häufig nur die Aktualisierung von Vorwürfen, Misstrauen, Schmerz und Unverständnis. Umso größer wirkt dagegen das Glück einer funktionierenden Partnerschaft.

Aber es stellt sich tatsächlich die Frage: Wo soll jemand noch Halt finden? Der Partner kann sich einen neuen suchen. Die Familie kann einen enterben. Der Vermieter kann einen mit dem Gerichtsvollzieher rausjagen. Der Arbeitgeber kann einen jederzeit kündigen. Und niemand verkauft Dir irgendwas, wenn Du kein Geld hast. Am Ende ist man an allem selbst schuld und muss auch noch auf Knien darum bitten, weiter gedemütigt zu werden. Die Entfaltung der eigenen Individualität ist in keiner Stelle vorgesehen. Man muss sich in einer derart unheimlichen, konsequenten Art und Weise an unerträgliche gesellschaftliche Zustände anpassen und modifizieren, dass darüber völlig vergessen wird, was man einst wollte.

Die Verwirrung, Erinnerungslosigkeit erzeugt einen komatösen Zustand, der allerdings die Merkwürdigkeit besitzt, dass man super aktiv konkurrenz- und wettbewerbsfähig in irgendwelchen Branchen und Berufen agiert. Die Verklärung reicht soweit, dass die Mehrheit sogar glaubt, dass sie diese Selbstleugnung selbst schon immer gewollt haben und identifizieren sich mit etwas, was sie systematisch ruiniert. Ist die Unvernunft erstmal als Vernunft gedeutet, gibt es überhaupt keinen Grund mehr an irgendwas anderem zu zweifeln, als an sich und die anderen, wenn die Konformität zum Ganzen nicht akkurat genug ist.

Es lohnt sich nicht mehr irgendetwas zu empfinden, weil die Emotionen für niemanden eine Bedeutung haben. Ähnliches gilt für Worte und Taten. Wenn ich mich demnächst aufhänge, ist mir das auch egal. Die Realität stört sich an nichts mehr außer den Überresten jener Menschlichkeit, die sie einst aus Unvermögen hervorbrachte. Es ist einzusehen, dass man verloren hat. Aber diese Einsicht rettet auch nichts. Es ist gleichgültig, wie man sich als Individuum verhält, weil die Masse diktiert, wie es laufen wird. Das Individuum als Massenform ist derart gefährlich verblödet, es ruiniert alles noch bevor irgendeiner qualifizierten Einspruch erheben könnte.

Tatsächlich sehne ich mich in eine Zeit zurück, in der ich aus irgendeiner Irrationalität heraus glaubte, dass der morgige Tag etwas Gutes verspricht. Ich wünsche mich in jene Momente zurück, die Zärtlichkeit, Hoffnung und Vertrauen zu enthalten schienen. Und das obwohl ich weiss, dass nichts davon letztlich eintrat oder sich großartig entwickelte, hatten mir diese Funken genug Antrieb gegeben, um weiterzumachen, damit diese Funken zu einem großen Feuer des Lebens werden. Aber diese Funken reichen nicht mehr aus. Sie sind weiter weg als die Sterne. Und sie kommen nicht wieder, egal was ich unternehme. Ich bin verdorren, verdorben, veraltet, verkommen und verändert. Wahrscheinlich sogar vernichtet.

Ich wüsste nicht, wohin ich gehen sollte. Ich bin noch nie irgendwo angekommen. War ich jemals wichtig für irgendjemand? Dieser Jemand muss längst verloren gegangen sein. Unendliche Angst und Trauer dominieren jede Regung. Und der Wunsch aller anderen ist bloß, dass man funktionieren soll, ohne sich anzustellen. Die eigene Funktionsfähigkeit unter Beweis zu stellen ist gleichzeitig die einzige Möglichkeit, sich eine Partnerschaft, Familie und ein Zuhause aufzubauen und all jene zurückzudrängen, die einen bei Insolvenz und Inkompetenz sofort in der Luft zerreißen. Man soll permanent so kämpfen, als könnte man gewinnen, obwohl man längst verloren hat. Die eigene Existenz könnte kaum größere Lächerlichkeit aufbieten. Die Dramatik ist, dass man sich an niemanden festhalten kann, weil alle im selben Verhängnis stecken.

Das Leben ist zu einer Episode geworden, die es hinter sich zu bringen gilt. Die Ironie daran ist, dass ausgerechnet das, was dafür verantwortlich ist, gleichzeitig für einen persönlich auch die größte Rettung darstellen kann, wenn auch nicht für die gesamte Gesellschaft. Alle streben nach Geld, obwohl es als gesamtgesellschaftliche Kategorie den Ruin und Ausschluß der Einzelnen begründet und erzwingt. Wenn über einen Lottogewinn allerdings der Ausschluß und Ruin nahezu unmöglich wird, blüht plötzlich das eigene Leben auf. Man kann seine gesamte Lebenszeit so stark wie möglich dazu verwenden, um das Leben auszuschöpfen und zwar nicht nur im materiellen Sinne, sondern vorallem sozial, kulturell und künstlerisch. Alle Regeln, die die allermeisten Mensche niederhalten, werden plötzlich zur Freikarte ins Paradies auf Erden. So können sich potentiell im Prinzip nur die Vermögenden verwirklichen, während die anderen fremden Dingen und Verhältnissen dienen müssen, die sie komplett entleeren.

Es gibt darauf keine Lösung.

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Wolkenbruch

Wenn ich mir überlege, was alles im Leben fehlt. Dann wären es Menschen, die zuhören, die sich Zeit nehmen, um sich tiefgehend auszudrücken. Echte Weggefährten, die einen auch mit all den eigenen Unzulänglichkeiten annehmen und die einen auch mal in Abenteuer mitnehmen. Es fehlt die Hoffnung, einerseits solche Menschen jemals zu treffen und andererseits fehlt die Hoffnung, dass das Leben jemals besser werden kann. Ich sehe mir Texte an, die ich vor 10 oder 15 Jahren geschrieben habe und sie drücken dieselbe Notlage aus in der ich heute stehe. Es hat sich tatsächlich nichts verändert, außer eben die Form der Not, Zurückweisung und Isolation. Meine letzte Weggefährtin, schrieb schon vor Jahren über die Sinnlosigkeit der Existenz. Da war sie 16 und das ist 14 Jahre her. Sie ist mittlerweile verschwunden. Aber bevor sie verschwand, hatte sie rasant jegliche Hoffnung, jeden Mut, jede Energie und jeden Verstand verloren. Die Welt hat sie und ihr Potential ruiniert. Ich habe das der Welt nie verziehen. Aber so passiert es millionenfach auf täglicher Basis. Da werde ich keine Ausnahme bilden. Mein Ruin greift immer wilder um sich. Als sie aus meinem Leben verschwand, ist mir auch die Gewissheit abhanden gekommen, dass es Hoffnung gibt. Ich habe angefangen, diese Qualität in ihr bei anderen Menschen zu suchen, aber niemand empfand in dieser Klarheit den Schmerz, den die Welt auf einen loszujagen vermag. Und keiner ging damit so offen und ehrlich um. Die meisten verdrängen gnadenlos ihre Überforderung mit der Welt und ihre individuelle Vernichtung durch die Welt. Man sagt immer, dass es noch nie so schön und modern in der Geschichte der Menschheit gewesen ist. Aber in Wahrheit kann man davon nichts genießen. Die moderne Technologie wird nur gegen uns alle eingesetzt, um aus uns noch mehr Leistung herauszupressen. Die Widerständigkeit dagegen hat im Prinzip nie existiert.

Es fehlt an Aufgeschlossenheit, bei mir und anderen. Es fehlt die Zeit über alles nachzudenken, zu diskutieren und Beschlüsse zu fassen. Es fehlt natürlich an Geld, um sich eine vernünftige Unterkunft zu bieten, sich schön zu kleiden und gesund zu bleiben. Es fehlen die Nerven weiterzuleben, weil kein Wort und keine Tat genug ist, um die permanente Bedrohung, die der Kapitalismus für einen individuell nunmal bedeutet, für ein paar Momente zu relativieren. Niemand kann permanent im Schlachtfeld leben. Früher oder später erwischt es einen und man verbrennt im Flammenwerfer oder stirbt im Kugelhagel oder der Typhus rafft einen dahin. Es fehlt eine generelle Lebensperspektive. Es ist zwar möglich, sich mit irgendwelchen Jobs über Wasser zu halten. Aber keiner dieser Jobs bietet irgendeine Sicherheit oder inhaltliche Qualität, die tatsächlich fundiert ist. Es mag einige wenige Ausnahmen geben, die das Kapitalverhältnisse nicht völlig ruinieren konnte. Aber grundsätzlich sind die allermeisten Jobs einfach nur Drecksjobs voller Erniedrigung, Unterbezahlung, Langeweile, Depression und Tyrannei, dass man sich direkt aus dem Fenster werfen will, wenn man auch nur eine Stellenanzeige darüber liest. Es fehlt die Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit sowie Lust, dagegen etwas zu unternehmen oder auch nur darüber zu reden oder zu diskutieren. Generell gibt es kaum noch Lust in dieser Welt. Wenn, dann wird sie auf die Arbeit gerichtet. Es fehlt die Fähigkeit Lebenslust zu empfinden und auszuleben. Es fehlt die Fähigkeit, die Lebenslust in das Zentrum der Gesellschaftsgestaltung zu setzen. Es fehlt die Fantasie und das Vorstellungsvermögen, eine andere und bessere Welt zu erschaffen, die insbesondere den Menschen samt seiner Bedürfnisse ins Zentrum aller Anstrengungen stellt.

Es fehlt die Sicherheit, das Vertrauen, der Mut, sich all den Katastrophen und Problemen zu stellen, die im Alltagsleben üblich sind. Es fehlt die Courage sich zu widersetzen und die Intelligenz sich entsprechend zu artikulieren. Es fehlt der Ort, solche Auseinandersetzungen zu führen. Niemand wird aufgefangen, wenn er fällt und gleichzeitig wird permanent das Gegenteil behauptet. Es fehlen die Bindungen zwischen den Menschen. Es fehlen die gemeinsamen Erfahrungen. Die Zertrümmerung wird durch die Gemeinschaft der Staatsbürger und Konkurrenzsubjekte im Kapitalismus derart brutal vorangetrieben, dass schon lange nichts mehr von uns übrig ist. Es fehlt jede Qualität von Menschlichkeit. Die permanente Betriebsamkeit hat auch dazu geführt, dass Ruhe und Muse fehlt. Es werden immer weniger Bücher gelesen, besprochen und diskutiert. Mir fehlt die Plausibilität von Staat, Kapital, Nation, Geld, Lohnarbeit und dem Leben insgesamt. Man könnte ein Leben aushalten, das irrational ist, wenn es zumindest Freude bereitet. Aber es gibt keine Freude mehr. Wo soll sie stattfinden? Sie muss irgendwo derart versteckt, verschüttet sein, dass man sie nur findet, wenn man völlig enthoben ist von der gewöhnlichen Welt. Vermutlich ist die Freude nur noch bei den Ahnungslosen und jenen, die es geschafft haben, sich mit der falschen Welt zu identifizieren. Nur Menschen, die völlig falsch geworden sind, haben die Möglichkeit, in dieser Welt etwas zu werden. Alle anderen sind als Versager denunziert und ruiniert, während die Erfolgreichen die Denunziation und den Ruin ihrer Nächsten über polit-ökonomische Abstraktionen betreiben.

Ich vermisse es, mich auf etwas verlassen zu können. Auf Menschen, auf mich oder generell irgendetwas. Aber alles ist voller Enttäuschungen und Verlust. Es lässt sich nichts festhalten, weil alles im Werden und Vergehen ist. Ohne, dass ich es je wollte, wurde der Zerfall zu einem zentralen Lebensmotiv. Nichts hatte irgendeinen Bestand. Alles hat sich früher oder später selbst zerstört. Egal, wieviel Energie, Hoffnung, Liebe, Intelligenz, Aufrichtigkeit, Offenheit man hineingelegt hat. Die Ablehnung, Irritation, Vergeblichkeit und Lächerlichkeit folgte wie ein Schatten stets auf dem Fuße. Mittlerweile fehlen auch die Emotionen und nicht mehr nur die Gedanken. Was soll noch empfunden werden, wenn nichts Bedeutung hatte? Umsonst gelebt zu haben, das ist die Höchststrafe und zugleich Massenphänomen. Es gibt keine Besonderheit in dem, was ich erlebt habe. Es ist provinziell, gewöhnlich und natürlich unter den gegebenen gesellschaftlichen Umständen. Es fehlte immer ein positiver Einfluß in meinem Leben. Es gab niemanden, der im entscheidenden Moment da war, und die Prägung günstig verschob. Es war schon in der Kindheit völlig egal, was aus mir wird. Ich sollte eine Maschine werden und das bin ich nun. Keiner dachte daran, dass aus mir ein Mensch werden sollte, denn man war ja selbst kein Mensch geworden. Die Vergangenheit der eigenen Familie ruinierte meine Zukunft. Es fehlte ein generelles Verständnis davon, was das Leben sein könnte. Alles, was ich erzählt habe in den letzten Jahren, war nur eine Übertragungsleistung aus dem Elternhaus. Meine eigene Individualität, ist derart bescheiden, übersichtlich und pseudohaft, dass man eigentlich gar nicht mehr von einer solchen sprechen kann.

Wenn einem erstmal bewusst ist, dass die eigene Persönlichkeit ein Zufallsprodukt ist und die ganzen Verletzungen sowie Prägungen schlicht Ausdruck von gesellschaftlichen und individuellen Irrationalismus sind, bleibt einem nicht mehr viel an Eigenständigkeit und Individualität übrig. Was macht einen dann noch aus? Und woraus soll man überhaupt schöpfen? Und vorallem: Warum sollte man das alles noch unternehmen wollen? Man hat schon verloren bevor man geboren wurde. Es fehlt ein souveräner, kluger Umgang voller Stärke mit dieser katastrophalen Lage. Ich bin zu befangen, um mich noch äußern zu können. Ich bin so Teil des Verhängnisses, dass ich es nicht beenden kann. Mitgehangen, mitgefangen. Ich mehre es mit jeder Regung. Nie zuvor haben sich die letzten Tage, wie die allerletzten angefühlt. Es scheinen weitere Tage zu fehlen. Ich trete in purer Dunkelheit nach vorn. Auf einer Hängebrücke ohne Geländer, gespannt über einen tausend Kilometer langen Abgrund. Sie schwingt sehr stark, durch Wind und Regen. Sie hat brüchige Bretter auf denen ich herumtrete. Oft wäre ich beinahe gefallen. Oft brach ich durch und konnte mich noch in letzter Sekunde halten. Aber stets war die Frage, wohin soll diese Brücke überhaupt führen? Und was liegt im Abgrund? Und andere überrundeten mich auf dieser Brücke, während sie geschickt komplizierte Sisyphosaufgaben jonglierten. Es interessierte sie nicht, ob sie blind waren oder fallen konnten. Sie hatten jenes Urvertrauen in der allgemeinen Sinnlosigkeit, was mir immer fehlte.

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Suizidales

Es wird gern als egoistisch bezeichnet, sich selbst aus dem Leben zu werfen, dabei ist es ebenso egoistisch weiter leben zu wollen. Andererseits, wenn man sein eigenes Leben wegwirft, gibt man allen Menschen der Lächerlichkeit preis, die sich regelrecht einen Arm abgebissen haben, um zu überleben. Die Menschheit ist voll mit Geschichten, die vom ungeheuren Überlebenswillen zehren. Und hier ist einer, dem das alles egal ist. Es hat nichts geholfen zu überleben. Gestorben wird ohnehin. Es hatte auch keinen Grund auf die Welt zu kommen. Und dann schlägt man die Zeit tot. Manche schlagen sich gegenseitig tot. Und dann kann man sich auch gleich selbst tot schlagen. Nichts davon ist letztlich von Bedeutung. Wofür lebt man überhaupt? Spaß? Freude? Lust? All das wurde längst für obsolet erklärt. Es gilt nur noch Leistung, Wettbewerb und Gewinn.

Die Schwierigkeit beim Ableben ist vornehmlich darin begriffen, dass völlig unklar ist, wie man damit beginnen soll. Soll ein letzter großer Kredit aufgenommen werden und damit eine teure Reise in ein Luxushotel unternommen sein? Und am letzten Reisetag, dann die Schlaftablettenüberdosis. Punktgenau. Aber trostlos. Man hätte sich genausogut im heimischen Bett dem blanken Nichts übergeben können. Das ist weniger kalt und verzweifelt. Um die Angehörigen nicht zur Verzweiflung zu bringen, sollte es vielleicht eher wie ein Unfall aussehen. Als Trottel aus der Welt stolpern, – das hätte Charme. Niemand kann darüber böse sein. Man könnte auch einen Killer engagieren, der einen um die Ecke bringt. Aber das klappt nur in dümmlichen Filmen. Und verwirkt zudem in der Regel auch das Leben des Killers. Das wäre tatsächlicher Egoismus und Größenwahn in einem. Wenn die Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben so groß geworden ist, dass man sogar die Gefahr einer viel schlimmeren Existenz nach dem Leben ignoriert, kann man vielleicht auch einfach die Geduld finden und auf ein natürliches Ableben warten? Aber wer hat die Zeit dafür? Das kann ewig dauern. Bei dem jetzigen Gesundheitsstandard häufig diverse Jahrzehnte. Was soll in dieser Zeit getan werden? Man kann kein altes Leben beenden, kein neues Leben anfangen, wechseln geht auch nicht. Man steckt fest, wie bestellt und nicht abgeholt.

Ich wüsste nicht wohin ich reisen sollte, wen ich besuchen sollte, mit wem ich reden sollte oder was ich sagen sollte. Es gibt niemanden zu küssen, zu begrüßen oder zu bedenken. Es fällt mir nicht ein, wozu ich aufstehen soll oder was ich essen soll. Es gibt keinen Grund den Tag zu beginnen oder ihn zu beenden. Etwas zutun ist genauso wie etwas nicht zutun. In der Regel lohnt es sich nicht, überhaupt etwas zu denken oder zu empfinden. Jede Regung wird hinterher meist sowieso bedauert, weil sie missverstanden wird, weil sie unzureichend ist, weil sie dumm ist, weil sie Kummer bereitet, weil sie nicht von Belang ist und enttäuscht, schmerzt, anwidert, gänzlich lächerlich ist. Niemand erinnert sich an einen oder irgendwas. Und wenn doch, dann eher so als würde man sich daran erinnen, dass man noch den Müll rausbringen muss. Nichts was je gesagt wurde, war von Bedeutung. Die eigenen Taten geraten in Vergessenheit. Sicher, das ist nicht immer schlecht, aber was sagt das über die Taten? Warum hat man sie überhaupt ausgeübt? Weil es sich nicht verhindern lies oder weil man es wirklich wollte? Ich wüsste nicht, wer ich vor 5 Jahren oder 5 Tagen war. Alles was ich mal war, ist längst weg. Und was ich gerade werde, ist so bestimmbar, wie das, was ich in der Pubertät war. Wenn man nichts über sich sagen kann, was ist man dann? Es gibt keinen Grund zu leben bei dieser Eigenschaftslosigkeit. Das Leben passiert, wie eine Naturkatastrophe oder Durchfall. Shit happens. Daher versteht es sich von selbst, das eigene Ableben zu forcieren, wenn man erstmal verstanden hat, dass es sich sowieso nicht lohnt sich weiter zu quälen. Es hat keiner auf einen gewartet: Warum sollte man dann selber auf das Ableben warten? Die Ackerei im Job für irgendwas, hat sich doch sowieso nie ausgezahlt und wird sich ehrlicherweise auch niemals bezahlt machen. Man zahlt nur damit, dass man immer stärker ruiniert wird. Sozial, kulturell, intellektuell, körperlich und seelisch. Am Ende wird nur wieder verlangt, zum hundersten Mal den üblichen beruflichen Schrott auszuüben, der einen überhaupt erst deprimiert und entleert hat. Das was man heute Leben nennt, ist die Wiederholung der immergleichen Verausgabung im Rahmen des Arbeitsplatzes. Die Pseudo-Persönlichkeit hängt dem so an, wie es im Körper beim Blinddarm der Fall ist. Das erzwingt geradezu die massenhafte Unfähigkeit das Leben auszukosten.

Es war egoistisch ein Kind zu zeugen, schließlich hat man es nicht gefragt, ob es überhaupt leben wollte. Wobei leben hier sicherlich ein überstrapazierter Begriff ist, wenn man nur lebt, um zu arbeiten. Und wenn das Kind dann sterben will, weil es alles zu Genüge getestet, gesehen und ertragen hat, bekommt es zu hören, es soll mal nicht so egoistisch sein und sterben wollen, nur weil es überhaupt keine Rolle als selbstzweckhafter Mensch spielt. Was sollen die Leute denn denken und die Verwandten empfinden? „Nichts, wie immer!“, könnte man antworten. Und all der Schmerz, den man angeblich verursacht! Die Leute ignorieren problemlos das Absaufen von Menschen in Hoheitsgewässern, aber wenn sich einer aus der eigenen Sippe raushalten will, entdeckt man plötzlich soetwas wie Empfindungen? Dabei waren die Gedanken und Taten zu den  Lebzeiten des eigenen Zöglings immer gänzlich egal. Der sollte gehorchen und wenn dieser das nicht geflissentlich tat, und an die eigene Angepasstheit und Verkommenheit erinnerte, war dieser ein Unhold, der absichtlich das Unglück herausforderte. Doch tatsächlich stellt man solche Bedingungen, Regeln, Forderungen und dergleichen auf dem Boden diverser Leichen auf, die stets auf Grundlage des eigenen modernen Zivillebens entstehen. Die Brutalität der Zwischenmenschlichkeit kennt keine Grenzen und wird permanent normalisiert. Es gibt keinen Grund sich Tag für Tag ansehen zu müssen, wie die Menschen wider besseren Wissens sich gegenseitig das Leben zur Hölle machen. Der Selbstmord ist die letzte Gnade, die man sich selbst erweisen kann. Es ist glatt ein humaner Akt für die Menschlichkeit, nur eben leider ausschließlich gegenüber sich selbst. Aber das liegt in der Natur der Sache.

Wenn man also genauer darüber nachdenkt, ist es im Prinzip sehr leicht, lebensmüde zu sein und der Müdigkeit in einen langen, unendlichen Schlaf zu folgen. Was einen abhält, ist maximal die Ungewissheit, dass es aus irgendeinem unbestimmbaren Grund vielleicht doch noch anders werden könnte. Aber das ist eine irrationale Hoffnung, die noch nie eingetreten ist. Und man hat mit jedem weiteren Lebensjahr tausende Minuten voll mit Erfahrungen, die einem zeigen, warum das nie eintritt, die einem beweisen, dass es nie anders werden wird, sondern immer nur schlimmer! Es ist nur eine Frage der Zeit bis man kapituliert und sich eingestehen muss, dass die Welt nunmal ein brennender Scheiterhaufen ist, wo man sich als Einzelperson nur den Platz darauf suchen kann, der am wenigsten brennt, blutet und vor Schmerzen schreit. Nichts wird gut werden. Kein Wort wird ausreichen dagegen anzugehen. Niemand wird jemals zuhören. Nichts wird das Leid jemals lindern. Und diejenigen, die behaupten, es würde schon noch werden, oder sie würden tatsächlich zuhören oder irgendwas wissen, sind in der Regel absolute Heuchler, die ihre eigene Verlogenheit und Verkommenheit nicht aushalten oder kultivieren ihre Lust an der modernen sozialen Katastrophe. Zumeist leiden sie selbst an psychischen Erkrankungen und rationalisieren ihren Irrationalismus auf besonders verbissene Weise, sodass sie ihre eigenen Lügen oder Verklärungen glauben.

Wahrscheinlich ist es zynisch, so zu denken und gleichzeitig ist es der Zynismus der Sache, der Verhältnisse, der Art und Weise, wie Menschen leben, denken und empfinden. Eingestehen wollen es sich die wenigsten. Letzteres würde Revolution oder Suizid erzwingen. Mindestens aber Weigerung, Sabotage und Streik. Die zerstörerische Qualität des Alltagslebens wird an irgendwelche Sündenböcke delegiert und abgespalten von der eigenen, persönlichen Lebensrealität und Verantwortung. Tatsächlich gehört zum Suizid auch eine gehörige Portion Mut. Es ist nämlich einzusehen, dass man falsch lebt und es keine Lösung darauf gibt. Das eigene Unglück mehrt sich mit jedem Arbeitstag. Jede Berufsgruppe ist durchsetzt vom Profitwahn. Es gibt seit Jahrzehnten in keinem Erdteil auch nur einen Funken von Widerstand dagegen, der seinen Namen verdient. Es gibt immer nur Phrasen, Ressentiments, Unzulänglichkeiten, Eitelkeiten und denselben alten Wein in neuen Schläuchen, wie es im Politik- und Kapitalbetrieb immer üblich gewesen ist. Es gibt keine Solidarität. Es gibt keine Freundschaft. Es gibt keine Rettung. Alles ist der Surplusmacherei übergeben. Die einzigen, die überhaupt eine Chance auf ein erträgliches Leben haben, sind die Reichen. Aber auch die müssen ihren Reichtum mit dem Blut der anderen bezahlen, die nicht so reich sind. Somit ist über die Milliarden Akte der Menschheit jeden Tag ein Stückchen weiter das Glück abgeschafft worden. Daher gibt es sogar sehr guten Anlaß depressiv und lebensmüde zu sein.

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Depression

Ich beende offiziell Stück für Stück was mich in den letzten Jahren ausgemacht hat. Die Ernüchterung ist so deutlich eingetreten, dass sich kein Punkt in meiner Argumentation wiederfindet, den man hinsichtlich alter Positionen aufrechterhalten könnte. Es wird keine Überlegungen mehr geben, wie sich irgendetwas verändern ließe. Offenkundig waren all die vorherigen Jahre induziert von einem generellen Unglücklichsein. Die Scherben müssen nun aufgeräumt werden. Es hat sich ausgeträumt. Die Jugend ist vorbei. Rechnungen müssen bezahlt werden. Ab sofort gibt es nur noch Einfügung. Das eigene Scheitern musste eingesehen werden, weil die Unfähigkeit schlicht und ergreifend überall war. Nichts konnte zu Ende gedacht werden. Kaum etwas, war vernünftig gedacht. Und zugehört hat auch keiner. Der Rest ist Schweigen. Ich bedaure, dass es zu mehr nicht gereicht hat.

Niemals wird es wieder gesund für mich sein an allem zu zweifeln. Ich kann froh sein, wenn ich überlebe. Die schiere Bedeutungslosigkeit meiner Existenz erschlägt mich unermüdlich und jederzeit. Wer weiß, ob das jemals behandlungsfähig ist. Es ist mir widerfahren, dass ich lebensmüde bin. Nichts daran ist neu. Einzig, dass ich es nun als unvermeidliche Tatsache anerkenne, die professioneller Behandlung bedarf. Es ist nicht mehr normal, sich sinnlos für gar nichts zu quälen. Es muss nicht immer nur alles schrecklich sein, weil die Gesellschaft falsch ist. Es muss einen Weg geben, Frieden mit dem Falschen zu schliessen. Ansonsten gibt es kein Leben.

Mich frisst die Angst auf, dass es nicht mehr reichen wird. Ich sehe keine Perspektiven. Absolut gar keine. Es gibt keine Ideen mehr, wie es weitergehen soll. Nichts hat funktioniert. Absolut nichts. Völliges Versagertum. Ich habe alles verloren, weil ich radikale Veränderungen anstrebte. Von meinen Gewissheiten kann ich mir nur Bitterkeit kaufen. Ich bin eine grauenhafte Kreatur geworden. Ich kann nur von Verlust und Dummheit erzählen. Ich bin traurig, wütend und gleichgültig. Letzteres dominiert die meiste Zeit. Ich bin nicht der erste, der irgendetwas verliert. Man kann immer noch tiefer sinken. Ich befürchte, dass es von nun an immer schlimmer wird. Das alles jetzt ist nur ein Vorgeschmack. Hat man erst seine Träume und Hoffnungen verloren, gibt es überhaupt nichts mehr. Was bin ich noch, ohne sie? Aber es lässt sich kein Glück denken oder fühlen. Man kann es nicht erfinden, es muss immer schon da sein, damit man es finden kann. Aber ich finde nichts.

Ich habe seit Jahren nicht mehr intensiv mit jemanden gesprochen. Es lohnt sich nicht, weil meine Worte versagen. Das Interesse, sich zu äußern sinkt immer weiter ab. Es kümmert sich niemand darum, was ich sage oder denke. Es war schon immer so. Und damit bin ich nicht allein. Und gleichzeitig bin ich allein. Immer schon gewesen. Gleichgültig, ob ich bei einer Party war oder sonstwo unter Leuten oder tatsächlich allein. Es hat nie irgendetwas geholfen, – was Menschen sagten oder taten. Es war immer völlig beliebig. Menschenleben können von einer Sekunde auf die andere aus einem Zufall heraus untergehen oder aufblühen. Nichts hat mit irgendeiner Fähigkeit oder einem starken Willen zutun. Es spielt überhaupt keine Rolle, wie der eigene Charakter ist. Nichts ist sicher. Und nichts ist gerecht. Und es wird immer so sein, weil es immer schon so gewesen ist.

Wenn ich daran denke, woher ich komme, war im Vorfeld schon klar, dass aus mir nichts werden konnte. Trotz aller Widerstände, konnte ich mich kurzfristig in andere gesellschaftliche Stände verirren. Aber die Außenseiter verscheucht man schnell wieder. Die eigene Herkunft lässt sich nicht abschütteln. Je verzweifelter man sie versucht zu vertreiben, desto stärker wird die eigene Vertuschungsanstrengung den anderen bewusst, die ganz selbstverständlich sich einem bestimmten gesellschaftlichen Feld zugehörig fühlen. Ich habe nie dazugehört. Nirgendwo. Immer zwischen den Stühlen. Schon vor der eigenen Geburt. Das ist eingeschrieben in die Familiengeschichte. Wie der Vater, so der Sohn. Und die ganze Familie ist voller zerbrochener Menschen und Geschichten über die keiner spricht und die keiner hören will.

Anstatt über all das Leid zu erzählen, muss wieder geschwiegen werden, am besten immer stärker, denn sonst schreit man bis die Verrücktheit und der Wahnsinn alles einnimmt. Man darf nicht mehr zulassen, alles zu hinterfragen, weil es keine Antworten geben wird. Zumindest, keine ausreichenden Antworten, um tatsächlich etwas zu verändern. Ich habe mich beinahe totgebissen an den Verhältnissen. Es fehlt nicht mehr viel, dann fehlt die Kraft für alles weitere. Ich wollte den Erdball heben und einen Milimeter verschieben, aber es war so unvernünftig wie bei jedem Größenwahnsinnigen. Es fehlt nicht viel, für eine bessere Welt. Aber ich bin nicht mehr derjenige, der sie erstreiten kann.

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Unerhört

Unabänderlich. Unvermeidbar. Unendlich. Unentrinnbar. Unvernünftig. Unermüdlich. Untot. Ungemütlich. Unachtsam. Undeutlich. Ungeheuer. Unheilvoll. Unglücklich. Ursache Unbekannt.

Obdachlos mit Obdach und Oberflächlichkeit. Reaktionäre Düsternis im grauen, rauen Feld der unzerstörbaren Realität, am Durst gestorbenen Zeitalter. Es rückt die Uhr weit weg. Herabgesunken im Schatten der unerhörten Ahnungen. Undenkbare Unvernunft im ewigen Kreisel.

Ich bin in mir selbst gefangen. Düstere Wolken drücken ins Gehirn. Ich bin der Beifahrer meines dunklen Begleiters, der nie spricht, aber immer erstickt. Das Gewitter verzerrt die Wahrnehmung. Der Sturm verbrennt die Hirnwindung. Die Kälte führt zu Zittern, Angst und Starrsinn. Die Nässe rutscht in die Kleider. Beschwert sie. Und so liege ich am Boden und die Welt liegt auf mir. Ich habe alles verloren. Ich kippe am Abgrund auf einem Stuhl hin und her. Der Arzt sagt, dein Chi ist zu schwach, iss weniger Milchprodukte und geh mindestens 20 Minuten am Tag heraus. Ich finde keine Worte für die Dimension meines Scheiterns. Ich habe schon alles gesagt und getan. Alle Varianten durchgezockt. Die Karten sind ausgespielt.

Ich hätte schon sterben sollen. Aber aus Versehen lebte ich weiter. Darüber macht man keine Scherze. Aber alles ist eingefroren. Wirklich ausgeschaltet. Es ist das Warten geblieben auf eine klare Distanz. Oder einen Schlag, der das Ende besiegelt. Aber es ist offen. Das Leben ist offen wie eine Wunde. Ich blute aus mir heraus. Ich kann mir nichts vormachen. Im Spiegel sehe ich, wie die Verletzungen nicht mehr heilen. Doch keiner kann sie sehen. Sie sind so unsichtbar wie Geister. Wenn der Halt verloren geht und der Fall alles vom Rest des Lebens ist, dann gibt es nur noch Warten. Es gibt nicht einmal mehr die Überraschung, dass keine Reue existiert. Ich hätte erzählen sollen, was in mir vorgeht, als ich wütend war. Aber dann wäre die Blindheit der Wut offenkundig geworden. Ihre Ohnmacht hätte die Lächerlichkeit der eigenen Regungen unterstrichen. Emotionen und Gedanken, die keinem Geschäftszweck dienen, sind immer lächerlich. Ich bin dadurch verloren. Es ist kein Halt möglich und doch soll er gefunden werden, egal wie brutal die Gewitterwolken die Sicht und Bedingungen verunmöglichen. Obwohl mir bekannt ist, dass nicht für alle die Sonne scheint, so hilft es mir nicht weiter. Hineingeworfen in das blinde Zeitalter, muss einfach mitgemacht werden oder es geht nicht weiter. Das mangelnde Talent, die soziale Instabilität und die psychosomatischen Beschwerden häuften sich derart, dass der Protagonist sich im Labyrinth seines eigenen Lebens verirrte und nie wieder herausfand. Er hat auf seiner Suche nach dem außerhalb seiner Existenz andere Suchende getroffen. Mal waren sie schlimmer dran als er. Mal waren sie besser dran. Sie begleiteten ihn hier und dort. Bis sie nicht mehr konnten oder wollten. Doch niemand wusste den Weg. Manche gaben vor ihn u kennen. Andere waren fatalistisch unterwegs und gaben sich schnell den goldenen Schuss. Die Schäden, die sich die Suchenden sich selbst und anderen zufügten, erschwerten es dem Protagonisten klar zu denken. Er setzte sich absichtlich in eine Ecke und beobachtete nur noch die Szenerie, die an ihm vorbei zog. Die Zeit verging und er hatte schon ewig nicht mehr nach dem Ausweg aus dem Labyrinth heraus gesucht. Er hatte vergessen, dass es ein außerhalb gab. Die Abfindung hatte ganze Arbeit geleistet. Das stählerne Gehäuse der Hörigkeit war sein Leben geworden, so wie bei nahezu allen Generationen zuvor. Es war falsch zu beten, zu glauben, zu arbeiten, zu revoltieren, zu denken oder auch nur zu hoffen. Oder zumindest erwies sich eines nach dem anderen als wirkungslos. Atomisiert und doch gemeinsam waren sämtliche Zeitgenossen einer Realität ausgeliefert, die sie in irgendeiner Form erzeugt hatten, aber die sie nie verstanden. Alles was sich am sinnlosen Suchen änderte, war das Lebensalter. Aus Zufall, Langeweile oder einem Anfall von willkürlicher Zuneigung entstanden weitere Generationen. Alles fällt dem Vergessen anheim. Und es wiederholt sich. Aus unerfindlichen Gründen schlug das Labyrinth auf seine Insassen ein. Fallen schnellten aus dem Nichts hervor und trennten sie von ihren Gliedmaßen. Der Tod trat so unbarmherzig wie schnell ein. Niemand konnte irgendwas tun. Alle konnten nur festhalten, dass jeder der nächste sein könnte. Die Schwächsten werden als erstes geopfert, zumindest probiert man es immer wieder, um die eigene Haut zu retten. Aber es gibt keine Erfolgsstrategie. Alle werden früher oder später zerhackt und vernichtet. Die Realität erstickt sie alle. Geboren um zu ersticken, in einem Raumzeitkontinuum, das sie nie wollten. Die Sinnlosigkeit breitet sich irgendwann derart allgemein aus, dass es sinnlos wird sich eine Identität anzuschaffen oder zu fragen woher man kommt. Es war nie von Bedeutung. Die Unendlichkeit des Universums lacht über den Flecken Dreck auf dem man geboren wurde. Ich hätte jederzeit sterben können. Es hat bislang andere erwischt. Ich verstehe nicht wieso. Andererseits bin ich noch früh genug dran. Es gibt nichts über mich zu erzählen. Es gibt darüber keine Notiz oder Emotion festzuhalten. Erschrocken, erstaunt notiere ich, dass sich Institutionen der Ahnungslosigkeit gebildet haben, die einen herumschubsen, weil sie dadurch ihre eigene Sinnlosigkeit verdrängen können. Ich kann nichts trinken oder essen oder träumen oder lieben, was mich über alles hinweg tröstet. Jeder Tag ist graue Ernüchterung. Unumstößliche Untröstlichkeit. Versenkt in den Untiefen ungeheuerlicher Ungeziefer. Blind, taub, blutig geschlagen, verkrüppelt und verfettet, verblutet und verdorben, vergoren bis verbrannt ins Elend gebannt. Es stinkt mir. Der Ekel greift aus den Gedärmen in den Hals, spuckt pechschwarz das Leben voll. Der flüssige Beton ist die Atemluft. Leise sticheln die Millionen Nadeln Millionen Wunden in alle Körperregionen von innen heraus. Es brennt. Es schneidet. Es ertränkt. Sirenen zischen in der Nacht vorbei an Obdachlosen. Die Frittenbuden brutzeln das Fett. Die Flugratten taumeln in der städtischen Hitze. Ich bin die personifizierte Panik und ich brenne an allen Fingern. Ich bin verschluckt von meiner Angst und sie diktiert, was ich gar nicht kann. Ich zittere, obwohl ich in der Sonne verbrenne. Es war immer so. Und ich drehe mich immer schneller um meine eigene Achse. Das frei drehen ist die einzige reale Freiheit für mich. Der freie Fall ist verboten. Er endet mit dem Tod. Und der Tod droht noch schlimmer zu sein als das, was Leben heißt. Traurig und allein, verstummt der Kleine, der längst alt ist, neben denen, die noch leiden werden. Älter werden und die Gnade empfangen, dass das Leid nicht ewig so weiter gehen muss. Oder ist das ein Trugschluss? Wechselhaft treiben meine Emotionen und Gedanken sich durch die Fluten der Tyrannei. Ich schaue mich um, aber ich kann nicht sehen. Man kann es nicht lernen. Das Leid wird sich nie relativieren. Es wird sich zuspitzen. Der Junge mag überleben, aber im Alter wird er doch noch erwischt. Es ist gnadenlos. Die Tage schichten sich aufeinander wie einzelne Stühle. Ein Stuhl auf dem anderen. Ein Tag auf den anderen. Und es baut sich schief, aber es bricht nicht gleich zusammen. Oben kippelt das Bewusstsein und hält Balance. Fällt es, ist alles zu spät. Es kracht und bricht sich alle Knochen. Die blutigen Gedärme spritzen heraus und das war es. Ringsherum türmen andere Leben Stühle aufeinander und es wird balanciert. Es kommt zu Bombenanschlägen und Amokläufen. Es wird gezündelt und gespuckt. Niemand weiss, ob der Himmel eine Bürodecke ist. Die Tage stapeln sich immer höher aufeinander und drücken die Lebendigkeit empor. Hoch ins Nichts. Dort wo noch niemand gewesen ist. Ein paar lebendige Zellen rufen sich zu, wie es sein könnte und was getan werden sollte. Aber es wird schon nicht mehr so ganz klar und verstanden. Die Wolken ziehen auf. Bei manchen gibt es Gewitter. Bei anderen Sonnenschein. Es ist nie gerecht. Manchmal krachen die Stuhltürme ineinander und die Leute ziehen sich gegenseitig aus dem Leben. Nun steht das alles wohl auch noch im Labyrinth. Was das wohl bringt? Es juckt den in den Gehörgängen. Es gibt keine Möglichkeit sich zu kratzen und das bis an den Rest ihrer Tage. Schwarze Blätter. Schwarze Notizen. Schwarze Worte. Der Feinstaub brennt radioaktiv. Ich wüsste nicht, was darüber noch zu schreiben wäre. Worte helfen nicht. Es braucht einen goldenen Schlüssel. Einen ultimativen Betrug an der Realität. Einen unerwarteten Riss in der Gesellschaft, den man nur erweitern muss, damit alles anders sein kann. Ein winziges Detail an irgendeiner Ecke des Labyrinth muss die Antwort liegen. 42.

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Erbarmungslos

Das Alter treibt seine Krallen in mich hinein und hinterlässt immer größere Verwüstungen. Es ist mir völlig ungebreiflich, wieso man überhaupt das Leben im Alter aushalten will. Man gerät in Zerfall. Es hängt, es drückt, es schmerzt, es knackt und zieht. Es wird unscharf, unschön, unerträglich. Niemand hält den Anblick des Alters aus. Nur eine große Geldsumme kann das Schlimmste hinauszögern. Aber der normale Verbraucher verbraucht sich mit jedem weiteren Tag schneller. Unaufhörlich reisst die Sonne, der Herzschlag, die Bewegung neue Schäden an und erinnert an die eigene Überflüssigkeit. Die Jugend war schon immer der eigentliche Platz des Lebens. Die anderen sind nur zuviel. Im Alter wird man garstig, dumm, senil, ängstlich, rassistisch und wütend. Die Welt wächst im Alter noch stärker in einen hinaus und über einen hinweg, wie in allen anderen Lebensphasen. Die Leute interessieren sich noch weniger für einen als es ohnehin schon immer gewesen ist. Der Alte hat nur noch den Gedanken an früher. Die Zweifel werden größer. Der Zorn macht zynisch und verbittert. Man stinkt den ganzen Tag aus allen Löchern und merkt es nichtmal mehr. Gelb, grau, als personifizierter Eiter auf zwei Beinen ekelt man die Jugend nur noch an. Alle warten, dass man endlich ausstirbt, weil es längst überfällig ist. Alle, die fanden, dass man etwas liebenswertes ansich hatte, sind gestorben oder haben die eigene Existenz vergessen. Es gab nur eine handvoll Momente, die lebenswert waren. Millionen Momente wurden sinnlos und grundlos zusammen und totgeschlagen. Schwindel, Übelkeit, Gleichgültigkeit, Ignoranz münden in einer Weigerung, das alles noch ertragen zu müssen. Es ist schwierig, diesen Moment zu finden, wenn man schon längst darüber hinaus ist. Trotz des Alters und all seiner Zerstörungen, ist man in das Leben weiterhin verwickelt und allem ausgesetzt, was es enthält. Sich durch das Gestrüpp auf die offene Wiese zu schlagen, ist nicht leicht. Das Leben ist ein endloses Labyrinth mit voller schrecklicher, unvorhersehbarer Fallen, wovon eine schlimmer als die andere ist. Es ist unklar, ob ein langes Leben überhaupt wünschenswert ist, eröffnet es doch vornehmlich weitere Jahre voller Schmerz, Enttäuschung und Zurückweisung. Das alternde Leben erklärt den Alternden zu einem Witz, weil er den Moment verpasst hat, zu sterben. Alle Menschen jenseits der Jugend werden lächerlich gemacht, von der Jugend. Weisheit, Erfahrung, alles Krücken, um vor dem offensichtlichen Mangel davon zu laufen. Lebenswert ist nur der schmale Korridor, der Jugend heisst, wo das Leben erblüht und auf seinem höchsten Reifegrad pulsiert. Sobald die Regression eintritt, wird es Zeit den Abschluß zu finden. Aber aus irgendeinem Grund muss man verweilen. Nicht wegen dem Leben, sondern als Widerstand gegenüber der gesellschaftlichen Form, die einen längst für überflüssig hält, weil die Leistungsgrenze um ein paar Prozente immer weiter nach lässt. Aber was wäre das für ein Leben? Widerstand ist nur ein Überleben und kein Leben. Man weiss davon als alternder Mensch mehr als irgendein Jugendlicher. Allerdings, hilft das auch nicht weiter. Man wächst dennoch weiter in das Elend hinein ohne es in irgendeiner Weise beeinflussen zu können. Der einzige Einfluß, den man wirklich hat, ist die Leidensqualität für einen selbst zu verringern. Das ist wohl der letzte mögliche Begriff von Widerstand.

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Einschlafen

Das Leben wird nicht besser. Das permanente Gefühl außerhalb der Leinwand zu stehen und zu gehen. Ich hatte meine Chance. Aber sie war stets ohne Fundament geblieben. Der Fall ins Leere vorprogrammiert. Ich husche nur wie ein Geist durch die Ereignisse. Ich bin schnell vergessen und selten bemerkt. Selbst für mich. Es ist nicht schad um mich. In einem Augenblick bin ich alt. Im nächsten schon zu Staub zerfallen. War, was gewesen? Meine Notizen sind unterentwickelt, wie meine ganze Existenz. Keine Regung tut was daran. Scheußlich misslungen, unfähig dem Leben einen Sinn zu geben. Das stört niemanden, weil alles ohne Sinn geblieben ist. Hauptsache Leistung. Untröstlich warte ich auf das Ende. Aber es kommt nicht. Es hat Verspätung. Es kommt die Angst auf, dass es nie kommen könnte, dass ich der älteste Mensch der Weltgeschichte werden könnte, beobachten müsste, wie alles schlimmer wird, ohne jemals eingreifen zu können. Es geht endlos weiter mit der Pein und Qual. Die Aneinanderreihungen von Peinlichkeiten und Schrecken nimmt nicht ab. Sie können nicht ignoriert oder vergessen werden. Sie reichern sich in mir an und steigern sich ins epochale. Ich kann mich nicht entfernen. Ich bin an das Leben ankettet und es hat mich im See versenkt. Dementsprechend meine Sicht auf die Dinge. Ich kann mich auch nicht entfernen, weil es möglich ist, dass es jemanden doch kurz schmerzen könnte. Warum muss ich auf dieses Ableben warten, um selbst gehen zu können? Alles wird ohnehin gleich Vergessen sein. Sinnlose Verpflichtungsgefühle, die sowieso keiner ahnt oder schätzt.

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Erwachen

Ich habe geträumt als Beifahrer in einem Verkehrsunfall beteiligt gewesen zu sein. Es gab noch eine Beifahrerin. Der Fahrer hatte sich in einer kurvenreichen Situation in einem Audi A8 freihändig eine Zigarette gedreht. Bevor ich eingreifen konnten stiessen wir bereits in eine Leitplanke. Aber der Wagen überschlug sich nicht, sondern geriet von einer Fahrbahnseite zur anderen, schlingerte von einer Planke zur anderen. Wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt und der Fahrer fuhr noch ein paar Meter, um in einem Dorf anzuhalten. Wutentbrannt stiegen die junge Frau und ich aus, beschimpften den Fahrer, meinten, er hätte uns glatt umgebracht und wir würden keinen Schritt mehr weiterfahren. Aber der Fahrer jammerte, dass es ihm leid tue und es nie wieder vorkomme. Der Wagen wäre doch noch in Ordnung, um weiterzufahren. Er versuchte uns ernsthaft zu überreden, wieder einzusteigen. Es war seine Form der Verdrängung, über diese lebensgefährliche Fahrlässigkeit hinwegzusehen. Er wollte einfach so tun, als wäre nichts geschehen, als könnte die Fahrt ins Grüne immer so weitergehen. Er wurde immer himmelschreiender, hysterischer in seinem Wunsch, uns zurück ins Auto zu drängen. Zog an unseren Armen und wir mussten uns losreißen. Die Polizei konnte nicht gerufen werden, also versuchten wir Abstand zu ihm zu gewinnen, um das zu tun. Wir rannten hinter die dörflichen Häuser und er suchte uns in seinem Wagen. Er fand uns nicht, aber wir hörten seine Rufe und Lockungsversuche. Es wäre unser sicheres Ende gewesen, wären wir nochmal eingestiegen, soviel war sicher. Der Traum geht weiter, indem es eine Art Zeitsprung gibt. Der Fahrer ist nun ein extravaganter Modezar, der für eine kleine Nische exklusive extrem schrille Mode anbietet. Er betreibt für die Präsentation der Kleider und für sich selbst enormen Aufwand. Sein Gesicht ist mit schneeweißen Makeup überdeckt und sein Kostüm ist aufgebauscht wie ein Federkleid eines Fassanen. Während ich und meine Begleiterin immer noch auf den Straßen umher liefen, um nach Hause zu finden und nicht von ihm gefangen zu werden, um schliesslich doch totgefahren zu werden. Jede Fußgänger der uns entgegenkam wurde ängstlich darauf untersucht, ob er uns nicht schaden will. Der eine findet Anerkennung trotz seiner Verantwortungslosigkeit und jene, die darunter litten, werden nie wieder glücklich.

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Restlos

Man kann sich seine Kollegen nicht aussuchen, seine Nachbarn nicht aussuchen, seine Eltern nicht aussuchen, seine Nation nicht aussuchen, seinen Tod kann man sich nicht aussuchen, seine Sprache auch nicht, den Körper oder Fähigkeiten auch nicht, die Lebensdauer auch nicht. Die eigenen Wege sind allesamt derart stark vorgezeichnet, dass es verrückt ist von einem freien Willen oder offen Möglichkeiten zu sprechen. Das eigene Leben ist nur ein Augenblick und voller missratener Vorstellungen. Die Plattitüden stimmen alle.

Ich habe keine Hoffnungen, Träume oder Erwartungen mehr. Ich habe nichts wofür ich noch leben könnte. Übrig bleibt nur noch der Verfall. Umsonst wurde gelitten, gekämpft und gelebt. Es gibt keine Trauer darüber. Alles ist stets gleich aussichtslos geblieben. Nie hat sich jemand ernsthaft für mich interessiert. Und mein Interesse ware ähnlich beschränkt geblieben. Es drängt sich der Abschied auf. Aber es ist unklar, wie er formuliert werden soll. Es gibt keine neuen Ziele. Es verzögert sich daher die Verabschiedung. Wohin soll die Reise gehen, wenn es keine Perspektive mehr gibt? Ich bin umnachtet von Müdigkeit und Schwindelgefühl. Das ist die einzige Konstante in meinem Leben, neben den Depressionen. Ich hatte nie geplant lange zu leben. Älter zu werden als ein Teenager, das war nicht vorgesehen, denn ich wusste nie wofür ich leben sollte. Und es ist mir bis heute nicht eingefallen. Es war immer klar, dass ich nicht zu dem gehöre, was sich Leben nennt. Über ein Jahrzehnt ohne irgendwelche bedeutenden, relevanten, tiefergehenden Bindungen zu verleben: Das ist etwas, was sonst nur Häftlinge erleben. Aber ich tat es mühelos im freien Alltag, dabei hatte ich stets das Gegenteil versucht. Unfähigkeit zu Existieren. Nichts ist daran komisch.

Hatte ich je eine Chance? Geboren in Westeuropa hätten die Chancen kaum günstiger sein müssen. Ich habe unzählige Menschen überlebt. Viele von ihnen waren talentierter, glücklicher und geselliger als ich. Die wenigstens hatten es verdient vor mir zu sterben. Aber sie starben doch, weil alles egal ist. Gibt es überhaupt die Möglichkeit das Leben ohne Suizid zu beenden? Vielleicht, wenn man vergisst wie grauenvoll man selbst und alles andere ist. Heute sind andere jung. Aber mit denen hatte man nie etwas zutun. Als man selbst jung gewesen war, hatte man gleichermaßen wenig mit den Alten zutun. So oder so hatte man niemanden etwas wirklich zutun. Wobei zutun, nicht mit bloßer Tätigkeit verwechselt werden sollte. Zutun, indem Sinne, dass man einander verstand und Halt gab. Man hätte sich insofern auch 10 Jahre früher aufhängen können, während andere schon zu ihrer Pubertät Gipfelstürmer sind.

Es ist klar, dass alles, was in den letzten 10-15 Jahren von mir kam, völlig unzureichend gewesen ist. Ich hatte unüberlegte Aussagen getroffen und auf deren Basis Entscheidungen für meinen weiteren Lebensweg getroffen, die mich nur tiefer ins Unglück und die Verzweiflung stürzen mussten. Unter glatter Absehung aller gesellschaften Bedingungen und mir innewohnenden Fähigkeiten, unterschätzte ich die Problemlage und überschätzte mich selbst. Nun ist es plötzlich eine Perspektive geworden, alles wie heiße Kartoffeln fallen zu lassen und dem Vergessen zu überlassen. Ich habe mich auf die Suche begeben, brachte Mut auf, woandere längst aufgegeben hatten oder längst wussten, dass es aussichtslos ist und nur ein Irrer dem nachgehen würde. Ich fand in der Suche nur den Schein der Illusion, gesellschaftlich wie für mich persönlich. Ich habe mir Härten abverlangt, die völlig unnötig waren. Hätte ich nur ein Wort verstanden, von den Büchern, die ich andauernd zitierte. Über Jahre habe ich mir selbst vorgemacht, dass ich irgendeine Form von sinnvollen Einfluß auf die gesellschaftlichen Missstände nehmen könnte. Doch die Zeiten der Illusionen sind vorbei, zumindest für mich persönlich. Es bleibt kein Traum mehr übrig. Es hat sich ausgeträumt. Es geht zurück in die Maschinenfabrik. Ich muss mich meinem Schicksal fügen und genau das werden, was ich niemals sein wollte. Es hat nie eine Wahl gegeben. Wer hier zögert oder zaudert, verliert nur an Raum und Zeit im Konkurrenzkampf. Wer weiss, vielleicht bringt mich die Langeweile noch rechtzeitig um.

Ich hätte es dringend unterlassen müssen, überhaupt irgendetwas zu verlangen.

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Verschollen

Der ganze Stress führt nirgendwohin. Das Gerenne am Arbeitsplatz, an der Universität, an den Schulen. All das Geschrei im Parlament. Die Jagd um Profite. All das ist völlig umsonst. Im endgültigen Resultat geht alles ohnehin verloren. Nichts davon ist beständig. Irgendwelche Erwartungshaltungen haben dazu geführt, dass das Leben nur noch leer ist. Es dreht sich alles um nichts. Und dann ist es auch noch verkehrt. Man läuft beständig allem hinterher und probiert es zu korrigieren, aber es wird sowieso nie stimmen. All die Opfer, die gebracht wurden. Sie blieben unerhört. Der eigene Schmerz, das eigene Lachen, alles völlig unbedeutend. Milliarden Lebensformen nur Schatten im Universum. Angesichts der unermesslichen Sinnlosigkeit der Existenz, fragt sich nur, warum sich überhaupt noch jemand Ernst nimmt. Alles was man vermeintlich erkämpft, verliert man sowieso. Alte Erfolge sind blasse Erinnerungen, die genauso verschwinden, wie man selbst. Neue Erfolge werden bald genauso untergehen. Die Beliebigkeit in all dem, wer überlebt und später stirbt, wer sofort drauf geht oder nie geboren wird, zeigt einem, dass alles komplettes Chaos ist. Die singuläre Erscheinung von Leben, die man persönlich verkörpert, ist nur ein Punkt unter Milliarden, die völlig orientierungslos herumvibrieren. Was sollte man noch wollen? Es ist nichts unter Kontrolle. Alles kann sofort vorbei sein. In der Regel gehört einem nichtmal der Moment. Sobald man über ihn redet, ist er schon verflogen und ein nächster drängt sich auf, der völlig anders ist. Und gleichzeitig bleibt in der eigenen Rezeptionsfähigkeit der Eindruck, das alles ist immer gleich geblieben. Nur man selbst ist alt geworden. Es ist fürchterlich, dass die Zivilisation sich selbst etwas vormacht und darüber die Individuen quält. Wieso verlangt man uns ab nützlich zu sein, wenn es ohnehin unmöglich ist? Ist das Leben so unerträglich, dass man es mit sinnlosen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen befüllen muss? Ablenkungsmaßnahmen dieser Art werden ohnehin nicht wirken. Jedes Jahr bringt sich eine ganze Stadt von der Größe Frankfurt am Main um. Mehr sogar. Aber gleichzeitig kommen 135 Millionen Kinder auf die Welt. Es steht 135 000 000 zu 800 000 für das Leben. Aber die Statistik ist ungenau, weil voller Dunkelziffern. Manch einer stürzt sich von einem Kreuzfahrtschiff auf dem Weg nach New York, der Stadt der Städte, in das Weltmeer. Kurz vor dem Sonnenaufgang und gleichzeitig noch mitten in der Nacht. Viele Meter flog er vom fünften Deck. Ich frage mich, ob er es beim Aufprall in das eiskalte Wasser bereute. Jedenfalls entschwand der Mensch einfach so, als wäre er nie zuvor auf dieser Erde gewesen. Und was war das dann? Jahrelange Versuche in dieser Welt anzukommen. Aber die Welt wollte wohl nicht. Die Existenz ist durch die Gesellschaft lebensfeindlich gemacht worden und zugleich kann das eigene Überleben nicht ohne sie realisiert werden. Und so ist alles Leben zerstört und festgekettet an eine in der Regel unvollkommene Existenz. Meist würde man am liebsten ewig schlafen, aber auch das wäre frei von Glück. Es gibt keine Träume mehr.

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Ungeglaubter Glaube

Auf der einen Ebene wird Ordnung und Gehorsam verlangt.
Auf der anderen Ebene ist Chaos und Anarchie notwendig, um die gesamte Systematik am Leben zu erhalten. Beruflich wird also die Konformität verlangt, die erforderlich ist, um angestellt zu bleiben. Auf höherer Ebene im Rahmen des Unternehmens kalkuliert man mit dieser Angestelltenkonformität Gewinne, die allerdings selbst keine Rationalität besitzen, weil sie auf dem Glaubensmodell der Vernünftigkeit von Geld beruhen. Geld ist nichts weiter als ein Totem. Die gesamtgesellschaftliche Gläubigkeit gegenüber diesem modernen Totem führt dazu, dass die individuelle Existenz streng an die Versatzstücke dieser irrationalen Logiken gekoppelt ist. Doch über die Generationen hinweg, wurden immer wieder Purzelbäume geschlagen, um die Unvernunft doch irgendwie zu rationalisieren. Im Endpunkt realisiert jedes Individuum mit einem gewissen Widerwillen, wovon es ohnehin weiss, dass es Verlustrisiken in enormen Dimensionen garantiert.

Diese Rationalisierung, der gesamtgesellschaftlichen Irrationalität, hat sich zum Beispiel in der Form des Rechts einen der stärksten Ausdrücke überhaupt verschafft. Wer kann dagegen argumentieren? Es gilt als der Inbegriff der Vernunft, obwohl es erzwungenermaßen auf dem Staat beruhen muss, der wiederum auf Gewalt und Kapital. Kapital wiederum ist nicht möglich, ohne den Ausschluß aller Menschen von den Reichtümern, die sie selbst produziert haben, ohne die Spaltung der gesamten menschlichen Gattung, in Zahlungsfähige und Zahlungsunfähige. Lebensqualität bestimmt sich durch die Verwertbarkeit des Lebens insgesamt und nicht nach irgendwelchen Bedürfnissen des Individuums. Das Individuum ist nur als Subjektfunktion für Staat und Kapital gesellschaftsfähig. Die Mündigkeit beginnt und endet mit der Geschäftsfähigkeit. Das ist die einzige Art und Weise, wie das menschliche Leben im Kapitalismus überhaupt existieren darf.

Es wird permanent von der Familie, über die Schule, Universität bishin zum Berufsleben eine radikale Anpassung des Individuums an die gesellschaflichen Attribute befohlen. Wird nicht gefolgt, ist der soziale Abstieg sicher. Wird gefolgt, ist der Abstieg insofern sicher, alsdass man sich als Individuum nicht mehr entfalten kann. Die Entfaltung ist nur im Sinn der Kapitalakkumulation möglich. Der Untergang und die Krise ist also vom ersten Tag der Geburt an vorhanden. Es mag Ausnahmen geben, wo sich die Individualität trotz dieser Zustände entwickeln und entfalten kann, weil ein außergewöhnliches Talent für ein Instrument vorliegt oder die Familie sehr musikalisch ist oder dergleichen. Aber die Ausnahme bestätigt die Regel: Es gibt keine Fluchtmöglichkeiten.

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Wir sind mehr – vom selben Elend

Das ist besinnungsloser Betroffenheitskitsch, der den Musikern und dem Publikum ein gutes Gewissen einreden soll, obwohl sie überhaupt nichts gegen den postnazistischen Normalbetrieb unternehmen. Den Beweis bringen die Toten Hosen selbst, weil sie heute wie damals vor 25 Jahren nichts anderes betrieben haben als Ergriffenheitsprosa, welche ausschliesslich ergriffen sein will, aber nirgends jemals irgendwo eingreift. Das tut absolut keinem Weh, sondern im Gegenteil, es ist ein anfeuerndes Weiterso an die deutsche Volksgemeinschaft, die sich seit Jahrzehnten mit durchsichtigen juristischen Kniffen weigert Reparationszahlungen an die NS-Opfer zu zahlen. Es ging nur um Gefühle und keine Gedanken.

Bei tausenden Abschiebungen, tausenden Angriffen gegen Flüchtlingsheime, die Abschaffung des Asylrechts, die Abschaffung Menschenrechte der Migranten sowie Flüchtlinge, sowie Abschottung der Bundesrepublik und EU sagte keine Stadt, keine Band, kein Bürger nein! Und als der NSU aufflog war genauso Totenstille im Land! Fast so als würde man heimlich zustimmen.

Und jetzt plötzlich, als das Ansehen der Wohlfühlbürger in der nationalstaatlichen Zwangsgemeinschaft bedroht zu sein schien, entbrannte ein „lauter“ Aufschrei totaler Symbolpolitik, die mit inhaltsloser Quantität ihre antiintellektuellen Phrasen drischt: „Wir sind mehr!“ Mehr wovon? Mehr von der gesamtgesellschaftlich anerkannten deutschen Volksgemeinschaft, die in ganz rechtsstaatlicher Manier Menschen in Todeszonen abschiebt und dem sicheren, stillen, kostengünstigen, und effizienten Ableben überlässt. Frei.wild hat übrigens einen Song namens „Wir sind viele“.

Daher betont der deutsche Pilz vom Dienst, Campino, es gehe nicht um einen „Kampf links gegen rechts“. Vielmehr ginge es darum, „dass man nicht allein ist“, wie Kraftclub Brummer anmerkt. So als wäre der Staat und das Kapital nicht genauso dafür verantwortlich wie das unmündige Individuum, dass Menschen unter Drohung der sozialen Vernichtung als atomisierte Subjekte allein im Konkurrenz- und Leistungskampf am jeweiligen Wirtschaftsstandort bestehen müssen. Ministerpräsident Kretschmer dankt den beiden Nationalmusikanten daraufhin jedenfalls eilig für ihr Engagement. Frank-Walter Steinmeier, der gerne glücklich mit antisemitischen Hinrichtungsweltmeistern wie Hassan Ruhani in den Armen liegt, segnete folgerichtig mit sozialdemokratischer Mythenbildung die öffentliche Onanie der Zwangsgemeinschaftsinsassen ab.

„Wir stehen hier für Einigkeit, Recht und Freiheit“, brachte es ein Hofberichterstatter am Ende des Livestreams von #Wirsindmehr Chemnitz auf den Punkt. Das „Zeichen für Toleranz“ ist ein Zeichen für Deutschland. Es ist ein stolzes Zeichen im Sinne einer Ergebenheitsgeste für das deutsche Vaterland, welches notwendig Rassismus, Faschismus und Antisemitismus hervorbringen muss.

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Blümerant

Jederzeit stürzen Fluten herein. Die anderen überleben kaum. Aber ich permanent. Aus irgendeinem Grund glückt bislang die Flucht vor dem Hereinbrechen des Grauens. Modriger Stein. Verschüttete Häuser und Leute. Schlaglöcher und Verlust der Schwerkraft. Alle wollten irgendetwas unternehmen. Aber sie konnten aus irgendwelchen Gründen nicht. Es war zu spät. Oder zu früh. Etwas stimmte nie. An anderen Tag bemerkt man, wie ein Vogel im eigenen Zimmer sitzt. Ein kleiner Spatz. Dann bewegt man sich zur Tischlampe und macht das Licht an, und er ist weg. Es ist nie klar, ob er jemals existierte. Gleichzeitig, diese Empfindungen Überlebender zu sein. Die Kindheit überlebt. Die Familie überlebt. Jobs überlebt. Das Jobcenter überlebt. Staat und Kapital überlebt. Bis jetzt. All die wechselnden Ortschaften und Bekanntschaften, überlebt. Aber nichts hat getragen oder gefruchtet oder geerdet. Es war immer bestimmt vom Zerfall und Ruin. Von den Fehlern, Mäkeln und dem Ende. Es ist immer ein Ende abzusehen. Aber das Grauen wird nie vorbeigehen. Ohne finanzielle Unendlichkeit ist jeder Moment belastet und vergiftet, denn er kann nicht mehr ausgeweitet werden. Es ist nur Zufall, wenn ein Moment genossen wird. In gewisser Weise sitzt man als Passagier in einem Zug und sieht das glückliche Leben an einem vorbeiziehen, wie die Landschaft. Und niemand steuert diesen Zug. Aber es gibt tausende Abteile mit Leuten, die genauso gefangen sind, wie man selbst. Alle klagen ihr unlösbares Leid, welches nur durch den traumlosen Schlaf kurz unterbrochen wird. Bricht das Sonnenlicht die Nacht, werden die Passagiere erneut von der Gesellschaft gequält, weil das der Antrieb des Zuges ist. Und alles zieht vorbei. Die Zeit gerinnt und es ist so, als hätte man niemals gelebt. Urlaub ist für die meisten Menschen nur der deutlichste Beweis, dass sie den Rest des Jahres nicht vollständig auskosten. Sie wissen es insgeheim, wenn sie noch etwas empfinden. Aber in dieser falschen Welt, wird die Staublunge gegenüber dem Sandstrand vorgezogen. Es heisst, es ist unmöglich das Leben zu geniessen. Alles ist Schmerz und Qual. Es muss so sein, weil es immer so gewesen ist. Eine Tautologie, sowas zu behaupten, freilich, ohne irgendwelche Substanz. Völlig grundloses Leiden führt dazu, dass nur die Reichen in den Genuss jahrelanger Reisen an die Filetstücke der Welt unternehmen können. Sie essen von den besten Speisen, liegen in den größten Betten, liegen am längsten in der Sonne und lieben soviele Menschen, wie der Tag Sekunden hat. Sie können Beziehungen pflegen, zu sich selbst, zu allen und allem anderen. Sie können schreiben, musizieren, denken, dösen und flanieren. Sich neu einkleiden oder kochen oder diskutieren oder schwimmen oder singen und tanzen. Ausschlafen, herumalbern, spielen und essen. Sich Geschichten ausdenken, die sie verfilmen. Alles gehört ihnen. Es gibt keine Befehle mehr. Der Zwang ist verloren gegangen für sie. Für immer und ewig. Soweit eben das Bankkonto reicht. Diesen seltenen Kreaturen ist das volle Glück der Welt zuteil geworden. Ihr rätselhafter Aufstieg scheint für alle Passagiere im Zug unmöglich, weil der Zug zu schnell fährt und ein Ausstieg nur unter Lebensgefahr möglich ist. Gefangener zu sein bedeutet, die Gitterstäbe zu lieben. Es ist nichts möglich als Passagier. Es ist zu eng, zu klein, zu stickig, grau, rau und mau. Das permanente Unwohlsein kulminiert in Angst und Perspektivlosigkeit. Die einzigen Änderungen sind Wechsel zwischen den Abteilen im Zug. Aber der Zustand ist gleich. Alles zieht vorbei. Zieht weg. Nichts lässt sich halten oder vertiefen. Es gibt keine Ruhe. Es ist alles unterwegs und in Bewegung. Es gibt das Kommando des Personals. Und im besten Fall wird man selbst strafendes, bellendes Personal. Bezahlt. Aber nie genug. Eher zum Preis der letzten Reste Menschlichkeit. Und überspielt wird diese Grobheit mit allerlei bunten Schrott. Süßem Gift. Leise zieht das Gas in die Atemluft ein. Die Realität ist eine Unverschämtheit. Die Reichen sind die realen Superhelden. Man selbst liegt im Dreck. Kann kaum atmen oder denken. Es ändert sich nie was. Egal, ob man arbeitet oder nicht. Das alles ist Betrug. Und er setzt sich täglich erneut durch, weil jeder den Betrug für normal und vernünftig hält. Wer daran rüttelt, ist verrückt. Und tatsächlich, jeder wird verrückt gemacht. Es bleibt gar nichts anderes übrig. All das hat man nie gewollt. Man ist hineingeboren in Elend und wird dann davon mitgeschliffen. Der Zufall verteilt den Wohlstand und der Zufall nimmt Wohlstand. Der Zufall gebährt und erwürgt das Leben. Und nichts ergibt irgendeinen Sinn.

 

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Unglück

Ich räume die Wohnung auf. Es ist eigentlich ein Wohnklo. Ich stosse auf Erinnerungen. Bemerke welche Niederlagen ich schon hinter mir habe. Ich wünschte, ich hätte eine große Wohnung mitten in der Natur. An einem See oder einer Küste. Und ich könnte in den Tag hinein leben. Etwas lesen und schreiben. Gut essen. Hin und wieder interessante und leichte Gespräche führen. Ausschlafen. Keine Ängste irgendeiner ernsthaften Art haben. Einfach nur leben.

Aber es ist zuviel verlangt. Es ist zu teuer. Es gibt keinen Weg dorthin. Es ist zugestellt. Ich bin seit Ewigkeiten traurig darüber. Ich habe soviel probiert über all die Jahre. Nichts hat funktioniert. Blankes Scheitern. Ich sehe beim Aufräumen der Wohnung, was ich alles schon probiert habe. Welche Härten ich hinnahm, weil mir Leute dieses und jenes rieten. Und auch als ich mich selbst beriet, geriet ich wie immer von einer Illusion in die nächste. Es hört nie auf. Und gleichzeitig wäre das alles nicht weiter schlimm, wäre man finanziell unabhängig.

Doch diese Unabhängigkeit tritt nie ein. Ich muss nun wahrscheinlich meine letzte Hoffnung beerdigen. Meine letzte Idee für mich, wie ich hätte glücklich werden können. Einfach, weil sie nicht funktioniert. Ich habe es lange vor mir hergeschoben. Ich konnte das tun, weil mich niemand gestellt hat. Und das war nicht gut. Ich hätte mindestens vor 18 Monaten die Reissleine ziehen müssen. Ich war dort bereits erledigt. Aber aufgeben gilt nicht. Es musste ja weitergehen. Als ob das Studium noch irgendetwas bedeuten könnte.

Ich habe in dieser Wohnung keine Erinnerungen angesammelt. Eher Schmutz und Ruinen. Und es kann alles noch schlimmer kommen als es ohnehin schon ist. Es sieht gut danach aus, dass es schlechter wird. Es gibt keine erdenkliche Perspektive mehr. Keine Stadt, keinen Beruf, keine Menschen und kein Geld mehr. Ich stehe vor dem absoluten Nichts. Und gleichzeitig habe ich immer in diesem Nichts gelebt. Ich war erfüllt davon. Man kann sagen, ich war nie etwas anderes. Keine Talente, keine Interessen, keine Gedanken, keine Gefühle, nicht einmal die Fähigkeit zu kochen ist da. Es klingt banal und ist doch so tragisch.

Man kann es lernen, man kann es ändern, es gibt Hoffnung, heisst es dann immer wieder. Aber das heisst nicht, dass es jemals passiert. Illusionen und Wunschvorstellungen fühlen sich gut an, haben aber keine Realität. Außer vielleicht, dass man sich etwas vormacht. In Wahrheit ist man vom guten Leben soweit entfernt wie der Planet Saturn von der Erde. Und es gibt keine Möglichkeit diese Distanz zu reduzieren. Es gibt einfach nichts. Und das hält keiner aus. Also muss wie verrückt gearbeitet, Sport getrieben, gefeiert, gehetzt, geleugnet und gelogen werden.

Als ich früher Brücken abriß, glaubte ich zu wissen, dass es für etwas Bedeutendes ist. Ich dachte, ich wäre fähig, mir etwas aufzubauen, was in sich absolut gütig, vernünftig, schön, herrlich und glücklich wäre. Aber ich kann meinem Schicksal genauso wenig eine günstige Wendung geben, wie dem Leben anderer. Ich bin allem hoffnungslos wehrlos ausgeliefert. Der Zufall spielt einem hin und wieder Gelegenheiten zu, aber dann ist man nicht vorbereitet oder fähig. Also läuft es doch auf dieselbe Ohnmächtigkeit hinaus. Endlos kann man darüber diskutieren, aber es ändert sich nichts.

Es ist wie ein Mantra, aber gleichzeitig die faktische Realität: Es bleibt alles wie es ist und gleichzeitig verändert sich alles. Ich möchte nicht mehr zurück in das klassische Berufsleben. Aber ich wüsste nicht, wo ich sonst arbeiten sollte. Ich finde es falsch zu arbeiten. Aber so wie ich in dieser jetzigen kleinen Wohnung hause, kann man das nicht mehr Leben nennen. Es hat keinen Stil. Und gleichzeitig wäre es stillos der Lohnarbeit nachzugehen, schliesslich ist sie prinzipiell falsch. Diese ausweglose Lage vertieft und erweitert sich, je länger meine Entscheidung in einer Erstarrung liegt.

Ich wüsste nicht, wie ich mich refinanzieren sollte. Meine Existenz ist bedroht. Sie wird immer bedroht sein. An die Drohungen kann man sich selbst als gequälter Leib nicht gewöhnen. Wenn auf Narbengewebe herumgestochen wird. Schmerzt das doppelt. Es ist schrecklich, dass auf Verletzungen immer weitere Verletzungen folgen. Ich muss wie durch ein Wunder aus dem Nichts neue Kräfte gewinnen. Ich muss Ideen gewinnen, die ich nie hatte. Aber wie soll das gehen? Es gibt keine Quelle dafür. Jetzt wo ich meine Berufung verloren habe, wird es kein Licht mehr geben.

Ich muss mich die ganze Zeit verstellen und auf den Kopf stellen, um mich zu refinanzieren. So wird es laufen. Andernfalls werden staatliche und familiäre Institutionen über Jahre auf mich einprügeln. Entweder ich lasse mich vom Berufsleben verprügeln oder eben von Familie und Staat. Prügel wird es immer geben. Man kann sich nicht entziehen. Es gibt nur den Lottogewinn, der das könnte. Und den gewinnt man nie auf Befehl und auch sonst nicht. Ich habe verloren. Ich habe vermutlich so gut ich konnte gekämpft. Aber ich habe verloren. Ich hatte es einfach nicht drauf. Es steckte nicht genug in mir, um das alles auszuhalten und zu bewältigen.

Es ist so grauenhaft, dass man sein ganzes Leben eine jämmerliche Kreatur bleiben wird. Egal, was man unternimmt. Ohne absolutes Glück, wird man immer im Sumpf der dumpfen, stumpfen, dummen, schädigenden Lohnarbeit stecken bleiben. Es gibt einfach keinen Raum mehr für das Denken, Lernen, Schreiben, für die Kunst und die Freiheit. Es ist vorbei. Endgültig. Es schnürrt einem die Luft zum Atmen zu. Es gibt kein Entrinnen. Das scheinen die Menschen generell zu spüren, also lassen sie es lieber gleich. Es ist unheimlich obszön aus Gründen gegen die Realität der sozialen Verhältnisse zu sein. Das größte Tabu aller Zeiten bleibt daher unangetastet. Mir verschlägt es immer wieder die Sprache.

Es ist zu überdimensional, zu dynamisch, zu bösartig und gefährlich, dieses gesellschaftliche Monster in das wir alle involviert sind. Es zermalmt uns in Sekunden, wenn wir nicht konform gehen. Das ist die Drohung des Sozialen Abstiegs. Es wird sovieles aus blanker Angst getan. Aber das macht alles nur noch schlimmer. Und das Grauen wächst. Es zertrümmert doch immer mehr. Ich sehe keinen Ausweg. Die gesellschaftlichen Interessen werden stets triumphieren und sie sind längst von den Menschen internalisiert worden, sodass die gesamte Rezeption der Realität als harmlos oder vernünftig eingeschätzt wird. Die täglichen Katastrophen werden dann zu Fußnoten der Fortschrittsgeschichte erklärt.

Aber es gibt überhaupt keine glaubwürdige und beweisbare Sicherheit, dass der Fortschritt überhaupt existiert und auch im Sinne von uns allen das Leben verbessert. Fortschritt heisst heute vornehmlich, dass die Bedingungen für die Kapitalverwertung verbessert werden, während die Lebensbedingungen des Menschen sich immer weiter eingeschränkt werden. Dadurch wachsen Umweltkatastrophen genauso wie Zukunfts- und Existenzängste. Die psychischen und physischen Erkrankungen aufgrund von Lohnarbeit wachsen genauso wie die Überstunden, die in den Betrieben zu leisten sind. Gleichzeitig wächst die Schere zwischen armen Menschen und reichen Menschen.

Es gibt keine einzige Partei oder politische Organisation weltweit, die den Kapitalismus als ganze fundiert kritisiert und abschaffen will. Alles was sich in dieser Richtung bewegt ist in der Regel völlig vulgär, antiintellektuell und scheitert schon daran, den Kapitalismus überhaupt korrekt zu beschreiben. Der Forschungsstand ist aber auch nicht sehr einfach zu rezipieren. Selbst Marx hat unzählige Fehler gemacht und bis heute streitet man sich darüber, was der Wert überhaupt sein soll. Die ungeklärten Fragen machen es extrem schwierig, überhaupt eine andere Welt zu erreichen. Wenn man nicht weiss, wo das Problem genau liegt, kann man es auch nicht lösen. So einfach ist das.

Das Verhängnis reproduziert sich also auf globalen wie lokalen, auf gesellschaftlichen wie individuellen Ebenen immer weiter. Und ich spüre diesen Riss der durch die gesamte Welt geht sehr genau. Ich spüre ihn so sehr, dass ich es kaum noch ertragen kann. Ich spüre ihn so sehr, dass ich nicht mehr weiss, was ich denken oder tun soll. Ich habe nicht die nötige Ruhe diese ganzen Probleme anzugehen. Es ist einfach zuviel. Die blanke Überforderung übermannt die meisten Menschen, die auf ähnlichen Pfaden wie ich wandeln. Depressionen sind da nicht selten. Viele hören nach dem Studium oder Anfang 30 mit diesen Überlegungen auf. Denn sie bringen nichts mehr als Verluste, Niederlagen und Schmerzen ein.

Gleichzeitig macht diese Überforderung vorallem aus, dass ich permanent an meine Leistungsgrenze komme. Ich bin nicht in der Lage die theoretische Komplexität zu realisieren, die der Kapitalismus bedeutet. Es gibt ein paar Wissensinseln. Aber sie laden eher zu Missverständnissen und Irrtümern ein. Mit diesem lückenhaften Wissen werde ich niemals irgendwas erreichen. Und ich habe soviel investiert wie ich konnte. Aber ich bin offenkundig einfach zu dumm, um einen entscheidenden Unterschied machen zu können. Ich kann nicht in bahnbrechender Form die Brutalität der Normalität auf den Punkt bringen. Aber das ist notwendig, um dem Alltagsbewusstsein zu einer Reflexion zu verhelfen.

Ich weiss nicht woher ich dieses geistige Vermögen bekommen soll. Und ich weiss auch nicht, woher ich das finanzielle Vermögen bekommen soll, um daran zu arbeiten. Die einzige Möglichkeit ist, sich in das Sozialhilfesystem zu begeben und die Prügel von Staat und Familie in Kauf zu nehmen, um dann im Rahmen dieser relativen Armut hoffentlich den maximal verfügbaren Zeit- und Arbeitsaufwand in dieser Richtung betreiben zu können. Aber es ist unheimlich leicht von der Fahrbahn bzw. dem Ziel abzukommen. Ich verzettele mich. Und Irrtümer fallen oft erst viel zu spät auf. Es gibt kaum Leute mit denen man darüber sprechen könnte. Es kann gleichzeitig auch keine vernünftige Perspektive sein, sich absichtlich in Zukunftsängste hineinzustürzen. Aber was bleibt übrig?

Der akademische Betrieb ist hoffnungslos vom Kapital unterminiert. Forschungen werden im Prinzip vom Zahlungsgeber ad absurdum getrieben. Man beisst schliesslich auch nicht in der Wissenschaft die Hand von der man gefüttert wird. Also muss das Schwerste unter größten persönlichen Opfern vorangetrieben werden, mit dem Risiko, dass nichts dabei herauskommt. Wer kann das wollen? Warum sollte ich das machen? Es gibt nichtmal den leisesten Beleg oder die kleinste Ahnung, dass ich etwas besser könnte, was andere, wesentlich Begabtere nicht längst schon geleistet haben. Gleichzeitig ist es mir ein Rätsel, wie das, was bereits über diese Probleme geschildert wurde, den Leuten nicht bereits genügte, um das politische und wirtschaftliche System zu überwinden.

Es ist die nächste große Schelle der Gesellschaft an mich, dass es bereits genug bedeutende Bücher gibt, die es auf den Punkt brachten. Und trotzdem hat sich nichts geändert. Weder absolute Katastrophen wie Tschernobyl, Fukushima oder Deepwater Horizon änderten etwas an den Verhaltensweisen der Menschen. Es gab ein kurzes Aufschrecken und dann ging es weiter. Verantwortlich soll immer irgendjemand anderes sein. Aber den Preis zahlen wir alle, obwohl er zu hoch ist. Wer weiss wie hoch die Dunkelziffer der Gesamtschäden an Menschen, Tieren und Umwelt durch unser Wirtschaftssystem tatsächlich ist. Ich bin so hoffnungslos, weil weder Worte noch Katastrophen die Menschen zu einem Umdenken bewegen.

Die Ignoranz ist so gewaltig geworden, dass man nicht einmal mehr inmitten dieser Menschen leben und arbeiten kann. Die Menschen haben dem Kapital eine derartige Macht verliehen, dass keine Nische mehr übrig geblieben ist. Ich weiss nicht, was man darüber noch sagen soll. Spricht man das an, wird es oft relativiert. Aber es ist offensichtlich, dass die Gesellschaft nicht immer freier wird. Insbesondere wenn man sich global umsieht. Gleichzeitig macht Europa eine Menge Rückschritte. Sogar Frankreich bekämpft mittlerweile durch Macron Gewerkschaften. Es gibt keine nennenswerte Gruppierung an Menschen, die dem Einhalt gebietet. Es gibt keine nennenswerte Kritik auf der Höhe der Zeit mehr. Und alles ist Schweigen und Vergessen.

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Witjastiefe

Es gab mal einen Jungen, der sich im Alter von 14 Jahren den Messerstichen seines gewalttätigen Vaters und Säufers entgegen warf, um der eigenen Mutter das Leben zu retten. Die Mutter starb. Der Junge überlebte lebensgefährlich verletzt mit Stichen in die Lunge und das Herz. Der Vater begeht Selbstmord im Gefängnis. Der Junge war ein Überlebender. Aber verloren. Er lehnte jede Hilfe ab. Er bevorzugte die Nähe der Bäume. Sie stehen im Freien. In ihnen sah er sich selbst. Er sagte, dass die Bäume so einsam sind wie er selbst. Sie stehen für sich allein. Und niemand beachtet sie. Also schlief er dicht unter dem Himmel auf Baumkronen. Der Junge wurde nur 17 Jahre alt. Er erfrohr eines Nachts auf einem dieser Bäume, die inmitten seiner Nachbarschaft standen. Zwischen Grundschule, Kindergarten und Sportanlage hing er dort wochenlang verstorben fest. Als man ihn fand, hielt man ihn zunächst für eine Puppe. Die Mumifizierung hatte längst eingesetzt. Doch der Tag geht weiter. Die Fußball-WM wird gefeiert und die Boshaftigkeit des Alltagslebens zelebriert. Die kollektive Verdrängung läuft auf Hochtouren heiss. Der Sommer ist heiss. Man ist heiss auf die nächste Runde im Kapitalbetrieb, egal wieviele Menschen dadurch verheizt werden.

Es gibt unzählige solcher Lebensgeschichten, wie die des Jungen, und die Brutalität des Soziallebens scheint sich nur sehr relativ zurückzuziehen. Es scheint eher, dass sie nur abstrakter und damit noch giftiger wird. Niemanden fällt ein Gegenmittel ein. Es ist wie es ist. Unter Experten gibt es endlose Diskussionen. Die Krankenkassen bauen ihre psychotherapeutischen Möglichkeiten nicht so massiv aus wie es nötig wäre. Der Junge hätte gerettet werden können. Die instabilen sozialen Bedingungen führten über Jahre zu einer immer spitzer werdenden Abwärtsspirale. Kein Mensch wollte oder konnte diese Dynamik unterbrechen, weil es sich finanziell nicht lohnt Menschen zu helfen.

Es wird Menschen in dieser Welt nur insoweit geholfen, wie es dem Kapital nützlich scheint. Diese Schicksäler zeigen, dass wir alle nur aus purem Zufall nicht genauso unter dem aktiven Wegsehen der Zivilisation traumatisiert, zerstört und ruiniert wurden. Andererseits erhalten wir freilich Subformen dieser Qualen und was noch nicht ist, kann zu größeren Grauen werden. Da könnte man sofort mit dem Schicksal der Flüchtlinge weitermachen. Jeder kann Flüchtling werden. Es braucht nur einen Krieg oder Verlust der Lebensqualität im Geburtsland. Krisen hat es immer gegeben und sie brechen über uns hinein wie Unwetter, obwohl wir sie augelöst haben müssen. In Deutschland ruft man diesbezüglich: „Absaufen! Absaufen!“ Das wird nicht nur aus blankem Rassismus gerufen, sondern auch, weil man keine weiteren Konkurrenten am Arbeitsmarkt oder Arbeitsamt ertragen möchte. Es wird nicht an die eigene Verantwortung für den gesellschaftlichen Irrationalismus erinnert oder gar gerüttelt, sondern das gesellschaftliche Elend in den Schicksälern der Ärmsten und Schwächsten unter der Sonne personalisiert und delegiert. Die Menschen sind nicht mehr in der Lage, die Genese der Gesellschaft zu begreifen und bereiten genüßlich neue Schandtaten gegen Minderheiten vor. Und das unter den Augen der Opfer der letzten Schandtaten. Die Überlebenden des Holocaust erleben, wie die Deutschen regressiver und aggressiver werden. Europa rückt nach rechts. Es graut einen davor. Insbesondere, weil niemand dagegen ernsthafte Ideen hat.

Der Amokschütze von Las Vegas hatte wahrscheinlich um sich geschossen, weil er wie ein Verrückter um seinen Lebensstandard fürchtete und alles in Kasinos verspielte. Er begann plötzlich generell zu hassen, was ihn über Jahre vermögend und scheinbar unabhängig machte. Aber er war nie frei. Er hatte das Grauen der Welt in sich aufgenommen und sein braver Konformismus schlug in jene Destruktion um, die generell von der Gesellschaft u.a. mit irrationalen Produktivitätszwängen gegenüber allen Individuen ausgeht. Jeder kann jederzeit vernichtet werden, wenn er nicht genug arbeitet. Und ohne Geld ist das Leben inexistent. Die Dummheit und psychischen Erkrankungen vom Las Vegas Schützen mussten unzählige Opfer mit ihrem Leben bezahlen. Niemand hat das kommen sehen. Das Grauen bricht über uns alle hinein. Immer und immer wieder. Die Menschen tun sich und gegenseitig bewusst eine Menge grauenhafter Dinge an. Aber was ist mit den Tauschakten, die unbewusst die Karten im Sinne des Wertgesetzes neu mischen und unkalkulierbare Konsequenzen für das Bewusstsein und das Leben der Menschen hat? Die Tauschabstraktion ist heute gleichbedeutend mit der Denkabstraktion. Denke ich, so bin ich Kapital.

Jeder ist nur Mensch auf Probezeit. Die psychosozialen Zerstörungen sind längst und global Volkssport und Volkskrankheit. Der Missbrauch, die Vernachlässigung und Marginalisierung der Unschuldigen, Jüngsten und Schwächsten passiert einfach mit endlosen Wiederholungen und einer fast institutionellen Eigengesetzlichkeit. Dagegen ist man offenkundig unlängst abgestumpft, sonst würde ja irgendwer dagegen mobilisieren. Aber es ist egal geworden. Alles ist egal geworden. Alle scheinen nur noch mit letzter Kraft den Anschein von Interesse und Empathie bewahren zu wollen. Nach dem Motto: „Seht her, ich bin eventuell unzufrieden.“ Aber das ist freilich nicht zwingend oder stichhaltig oder überzeugend genug. Es gibt also einfach keine politische oder soziale Bewegung, die die tiefgreifende Verwüstung erfasst, die die Gesellschaft in uns anrichtet. Es sind nicht nur Einzelschicksäler, Amokläufe und Attentate, die problematisch sind. Es sind die Millionen, die an Hunger und Elend starben. Es sind die Millionen, die aufgrund von Lohnarbeit starben. Es sind die Millionen, die keinen Zugang zu sauberen Wasser, gesunden Lebensmitteln und liberaler Bildung haben. Es sind die Millionen, die unter dem Klimawandel leiden. Es sind unzählige Leidensformen, die von unserer Gesellschaft ausgehen. Die allerdings in ihrer Dimension unausgesprochen sich in immer neuen Kleidern weiterentwickeln.

Aber was soll ich sagen? Ich blicke in mich hinein und sehe auch nichts weiter als Elend, Unvollständiges, Verkommenes und sogar diese unerträgliche Gleichgültigkeit. Ich will nicht so sein, aber das ist aus mir geworden in all den Jahren. Stets denke ich, dass ich soviele Prüfungen und Berufsjahre hinter mich gebracht habe. Es müsste auf dieser Grundlage völlig natürlich sein, dass ich wüsste, wo es lang geht. Ich müsste soviel gelernt haben. Ich müsste ein echter Bescheidwisser sein. Dabei waren all diese Jahre nur blinder Gehorsam. Erst gehorchte ich nur den familären Befehlen, widerwillig. Dann den schulischen, dann den beruflichen. Immer widerwillig. Widerwilligkeit bedeutet aber nicht, dass man irgendeine eigenständige Persönlichkeit entwickelt. Widerwille ist einfach nur destruktives Dagegensein und entwickelt sich dann später etwas begründeter mit einer Kritik an den Verhältnissen. Aber es ist immer nur eine negative Bestimmtheit. Es ist nie autonom vom Problemzusammenhang. Die eigene Zerrissenheit speist sich jeden Tag über die Verbindung zur Gesellschaft neu ein.

Über die Jahre spielt sich die Routine ein und es wird Normalität zu gehorchen, ohne, dass irgendein Befehl ertönt. Die Befehlsstruktur der Gesellschaft wurde internalisiert. Aber gleichzeitig produziere ich in mir selbst unklare Imperative. Was soll ich beruflich eigentlich ausüben, wenn alle Optionen schon gescheitert sind? Ich habe tausende Inserate von Firmen durchforstet. Eine handvoll Inserate klangen zumindest so, dass ich nicht schon vor dem ersten Arbeitstag bereits Depressionen bekam. Aber ich entspreche nicht den notwendigen Qualifikationen. Ich bin dadurch sowieso unerwünscht. Ich bin unnützes Human Kapital. Ein reines Verlustgeschäft für diese Gesellschaft. Und ich bin dementsprechend himmelweit entfernt von irgendeiner beruflichen Perspektive, die mich nicht ruiniert. Ich kann nur überleben, wenn ich mich in einem Beruf ruiniere, der mir nichts bedeutet. Dementsprechend verzweifelt sieht die Lage nach einer beruflichen Perspektive aus.

Verzweiflung ist niemals ein guter Ratgeber. Aber in all den jüngeren Jahren hat es nie eine andere Ausgangssituation gegeben. Es war immer eine Angstentscheidung für oder gegen einen bestimmten Weg. Bestimmte berufliche Träume erscheinen aufgrund meiner Herkunft oder meinen ökonomischen und kulturellen Möglichkeiten viel zu kühn. So kühn, dass ich nicht einmal hineinwachsen kann. Der Vorsprung der Anderen ist uneinholbar. Und der Vorsprung ist auch berechtigt. Sie konnten sich mit Freude zu Maschinen abrichten, ohne komplett verrückt zu werden. Oder verstecken sie das alles nur in einer gewissen sozialen Verträglichkeit? Mir ist diese ungeheure Leistungsfähigkeit und -willigkeit unerklärlich und gleichzeitig unheimlich. Diese Gewissheit mit der sich diese Menschen als Leistungsroboter einem irrationalen Prinzip opfern, gründet sich auf keiner vernünftigen Aussage. Aber sie sind sich so sicher, dass sich ihr Opfer am Arbeitsplatz lohnt. Völlig unabhängig davon, ob sie oder ihr Kollege am nächsten Tag entlassen wird. Es geht einfach auf zum nächsten Stepstone in der Karriere. Merken sie nicht, dass diese Verausgabung an diesem Punkt der Geschichte längst obsolet geworden ist? Sie rennen auf einem Laufband, treten auf der Stelle und die Energie, die sie produzieren, verpufft.

Es gibt also leider nur Chancen für das Spitzenfeld. Die Durchschnittlichen müssen sich mit der Massenware an Berufen begnügen und müssen für diese unendlich lange und täglich bluten. Der Schrecken liegt hier in der enormen Langeweile, die in tausenden Facetten überraschend auftritt. Die Herausforderung nicht an einem Burnout zugrunde zu gehen und dabei auch noch zu lächeln, teamfähig, flexibel und belastbar zu bleiben, wird zum Lebensinhalt. Alles was als Lebenswert gelten kann, wird dann in kleine Raucher- und Mittagspausen verlegt. Man schimpft ein bisschen über den Chef und die Politiker, und glaubt, dass man selbst den Überblick und die Kontrolle hat. Aber in Wahrheit wird man den ganzen Tag vom wertverwertenden Prinzip über den Tisch gezogen, was man selbst und Milliarden andere Menschen bewusst-bewusstlos in Kraft gesetzt haben. Bei all den Überstunden und intensiven Arbeitssituationen bleibt keine Kraft, Lust oder Geist für Hobbys übrig. Demnach gibt es keine tiefgreifenden Beziehungen mehr. Alles ist oberflächlich, austauschbar, beliebig, haltlos, stumpf, emotionslos, gedankenlos und es gibt keinen Ausweg. Das Leben entgleitet einem und ehe man sich versieht ist man zu alt, um zu rebellieren.

Ich bin heute an einem Punkt an dem ich schon vor 10 Jahren gewesen bin. Die Zeit hat überhaupt nichts verändert. Ich bin nur schwächer und älter geworden. Ab sofort wird es von Jahr zu Jahr schlimmer. Es gibt keinen Grund etwas anderes zu behaupten. Es ist purer Realismus. Ich betrachte das ganz nüchtern. Egal wie mies die Gedanken sind, ich blicke direkt in den Abgrund. Ich habe alles gesehen, was soll mir noch passieren? Auch wenn die Ängste irrational sind und einen immer wieder überlisten. Am Ende entscheide ich. Und es gilt für mich zu beobachten, wie das alles zugrunde geht. Was für idiotische Aussichten.

Ich habe mir genau angesehen, wer sich die letzten Jahre selbst umgebracht hat und wie die Reaktionen waren. Es waren viele schöne und talentierte Menschen darunter. Sie hatten teilweise enorme finanzielle Mittel zur Verfügung. Sie waren äußerst beliebt. Hatten Familie und Kinder. Sie konnten alle erdenklichen Projekte realisieren. Sie hatten in vielen Fällen also alles, was ich nicht hatte. Es wird bei Depressionen davon ausgegangen, dass die Neurotransmitter ihre Funktion vermindern und damit auch die gedanklichen Fähigkeiten sich reduzieren. Wenn mich etwas ausgezeichnet hat, dann, dass ich unermüdlich Grüble. Ich denke nie etwas großartiges, aber ich muss ständig über alles nachdenken. Ich bin äußerst traurig darüber, dass diese Menschen sich umgebracht haben. Sie hatten alle einen Lebenslauf, der Hoffnung, Zuversicht und Glück vermittelte.

Ich komme zu dem Eindruck, dass die Gesellschaft über kurz oder lang die Mehrheit der Menschheit bricht. Manchmal ist der Bruch so tief, dass kein Gedanke mehr ausreicht, um das damit verbundene Leiden zu erfassen. Ich habe immer die Befürchtung, dass mir das passiert. Aber wie ich an anderer Stelle schon geschrieben habe, halte ich es für wahrscheinlich, dass das Nachleben noch schlimmer ist. Es gibt keinen Ausweg. Das muss man aushalten. Es ist die eigene Verwicklung, die mit der Geburt initiert wird. Manche haben Glück und können stabil aufwachsen. Aber das ist ein seltenes Glück. Und auch Kinder von reichen Eltern sind mit Belastungen und Erwartungen konfrontiert, die schlicht unbegründet sind. Gleichzeitig rettet einen es einen sehr oft, dass die Gleichgültigkeit auftritt. Es ist dann nicht so heroisch, dass man tapfer dem Elend der Welt entgegentritt, sondern, zynische, verachtende und dumme Gleichgültigkeit. Das Ignorieren sämtlicher Brutalitäten soweit es nur irgendwie geht. Das ist aus meiner Sicht der Anfang von Verdrängungsprozessen, die wiederum das Grauen der Gesellschaft verewigen.

Wenn man nur überleben kann indem man nur noch egoistisch auf sich schaut, dann ist man vollständig von den gesellschaftlichen Verhältnissen aufgesaugt. Die Transformation zum menschlichen Monster ist dann abgeschlossen. Ich habe Angst, dass die Gleichgültigkeit in mir zu diesem Abschluß heranwächst. Aber mir fällt kein Mittel dagegen ein. Außer eben, sich von klassischen Berufen fernzuhalten, weil sie diesen unmenschlichen Prozeß beschleunigen. Es ist in all den Jahren nie ein Wunder aufgetreten, dass alles zum Positiven geändert hat. Ich habe im Spiel, was man Leben nennt, verloren. Immer wieder. Jeden Tag. Jahrelang. Man kann sagen, dass das alles Selbstmitleid ist. Ein bisschen ist da sicher dran. Ich habe schon als Baby stundenlang geschrien. Keiner wusste warum. Ich habe noch nicht den Gipfel des Grauens erreicht. Es fehlen noch ernste körperliche und seelische Erkrankungen, Überschuldungen, Pfändungen, der Verlust letzter zwischenmenschlicher Kontakte und die Obdachlosigkeit.

Aber soweit weg ist das nun alles nicht mehr, weil sich keine berufliche Perspektive denken lässt. Es ist einfach unmöglich geworden. Das kann ich auch niemanden verständlich machen. Es ist so als wäre ich von der Welt ausgesperrt worden und gleichzeitig erscheint es so, als hätte ich das selbst ausgelöst. Ich habe mich von der Welt ausgesperrt, weil ich es wollte und weil die Welt es konnte. Jeden Tag verenden Menschen in diesen Extremsituationen. Es ist dramatisch und gefährlich. Aber es gibt keine sicheren Rezepte dafür. Es ist eben auch eine Ausnahmesituation, nur, dass sie bei mir schon mehr als mein halbes Leben anhält. Meine Texte zeugen davon.

Es lässt sich gegen den Negativtrend nur bedingt gegensteuern. Die gesamte Prägung meiner Persönlichkeit geht von einer Leistungs- und Wettbewerbsgesellschaft aus, die den Menschen zu einem funktionellen Anhängsel degradiert. Ich bin im unklaren darüber, warum ausgerechnet ich das persönlich nehmen musste und dagegen vorgehen wollte. Es muss an einem sinnlosen Gerechtigkeitsanspruch liegen, den niemand relativieren wollte. Es war von vornherein ein Irrtum, dass ich etwas ändern könnte. Ich konnte nicht einmal dafür sorgen, dass ich eine Perspektive in dieser Gesellschaft habe. Ich habe keine Ahnung, wie es weitergehen soll. Selbst wenn ich mich komplett ergebe und dem alten Beruf nachgehen würde, wüsste ich, dass ich es keinen Tag aushalte. Ich wäre auch kein nützlicher Mitarbeiter mehr, denn ich bin von Zweifeln zerfressen. Ich bin wütend. Ich weiss, wie falsch das Prinzip der Lohnarbeit ist. Aber es verschlägt mir die Sprache darüber zu reden. Es ist zu gewaltig. Nichts von dem ergibt einen Sinn, weil ich nicht verstehe, wie die Menschheit dorthinein geraten konnte. Wie soll sie jemals dort wieder herausgelangen? Und alle anderen scheinen davon keine Notiz zu nehmen oder sind einfach nur glückliche Verdränger. Es ist mir ein Rätsel.

Bin ich oder sind die anderen verrückt geworden? Ich habe die Nase voll mir diese Frage zu stellen. Aber der Alltag stellt diese Frage immer wieder von neuem und wirft sie mir vor die Füße. Ich kann die Blamage nicht mehr verbergen. Es wird zu harten Brüchen kommen und dann gibt es nur noch die Weite des Abstiegs. Es gibt keine Rettung. Niemand schenkt einem was. Das wird es dann gewesen sein. Ich möchte nichts mehr sagen und nichts mehr hören. Ich möchte nicht verwickelt sein in dieses Verhängnis. Es ist mir nie gelungen daraus zu kommen oder mich zu arrangieren. Das Leiden war immer da und oft unerträglich. Es gibt keine Möglichkeit das weiter zu konkretisieren. Es würde nur in endlosen Erklärungen ablaufen. Es müssten tausende Bücher verfasst werden und doch wäre es nicht genug. Meine Sprache genügt nicht mehr, um es auf den Punkt zu bringen.

Ich dachte, ich würde mich zum positiven entwickeln. Aber es gibt mit wachsenden Lebensalter keine gleichzeitige wachsende Glückseligkeit. Und Weisheit genausowenig. Es gibt Unmengen an Ablenkungen, Zerstreuungen und Trash. Aber nichts essentielles, substanzielles, worauf man bauen könnte. Nichts bietet Sicherheit. Ich bin der Welt hoffnungslos und wehrlos ausgeliefert. Ich fürchte mich vor den neuen Schlägen, Schikanen und Erniedrigungen. Ich werde nicht mehr die Kraft haben, sie auszuhalten. Ich würde mich gerne davon abwenden und davonlaufen. Aber es gibt keinen Ort, wo ich sicher wäre. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wäre es anderswo sogar noch teurer, schmerzhafter, schwieriger und gefährlicher. Ich kann mir kaum vorstellen wie hoch das Leid bei Menschen sein muss, denen es noch schlechter als mir ergeht. Ich weiss nicht, ob sie der Tragweite der Ursachen ihres Leidens nachspüren können. Ab einem bestimmten Punkt schliesst sich der Verstand wahrscheinlich ab. Dann treibt man nur noch wie ein Stück Holz im Ozean ab.

Es gibt Millionen Deutsche um einen herum, aber es fallen einem kaum 100 Deutsche ein mit denen man gerne zusammenarbeiten möchte. Sicher, vielleicht kennt man sie nicht alle. Aber wer tut sich denn mit bemerkenswerten hervor? Wo ist eine besondere Individualität am Werk, die sich durch ein emphatisches Interesse an den Menschen und der Gesellschaft auszeichnet? Intellektuelle oder Kreative sind so selten in der deutschen Öffentlichkeit. Und wenn, dann sind es biedere Schwätzer, eitle Fatzken, gierige Proleten mit einem dünnen Kleitchen von angelesenen Halbwissen. Oder es sind ausgemachte Faschisten, Rassisten, Sexisten, Antisemiten, kurz eine Bagage an autoritären Charakteren. Warum? Warum ist das alles so unglaublich langweilig und schrecklich? Ich mache mir riesige Sorgen darüber. Diese Verkümmerung der Debatten und Diskussionen. Dieses endlose schreiende Schweigen überdröhnt alles. Es blutet mir aus den Augen und Ohren raus. Unerträglich. Und dann soll man sich dem ergeben, weil es sowieso immer schon entschieden ist. Muss man denn ein Genie, ein Wunderkind, ein Wahnsinniger sein, um der Welt ein Quentchen Lebensfreude abringen zu können?

Ich denke, dass ich eine Überdosis Gesellschaft abbekommen habe. Es gab keine Pausen von der Gesellschaft. Sie schlug rücksichtslos auf mich ein. Sie übertrug mir mit der Sprache falsche Ideen und wollte mich damit zu einem gefügigen Ding machen. Sie manipulierte, bezirzte, belohnte und bestrafte mich und überlies mir gleichzeitig die Illusion eines freien Willen. Das ganze Leben in Käfighaltung, sollte die Ecke in diesem Käfig von mir frei gewählt sein. Diese Entdeckung ist auch schon über 10 Jahre alt. Sie hat zu nichts geführt, weil es keine Fluchtmöglichkeiten gibt. Die Gedanken laufen im Kreis. Als ob sie immer schon dazu bestimmt waren.

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Running out

Running out of money. Running out of ideas. Running out of youth. Running out of perspectives. Der Griff lässt nach. Es ist eindeutig, dass sich die eigenen Ideen ohne bestimmte monetäre Mittel nicht realisieren lassen. Es fehlen gesellschaftliche Strukturen, um diese Mittel zu erlangen und sich selbst eine Perspektive zu erarbeiten. Gleichzeitig belächelt jeder die Ideen, die bohrende Fragen stellen und aufzeigen wollen, wie alles anders sein könnte. Ist es das falsche Land oder die falsche Zeit oder bin ich falsch? Ist wirklich alles zu begraben, was hervorgehoben gehört? Die soziale Realität besteht aus irgendeinem ideologischen Molekül, welches das leise und langsame Ersticken aller an ihr rüttelnden Gedanken und Taten vollzieht. Wer etwas in dieser revolutonären Absicht wagt, verliert. Gleichzeitig gibt es unter den Wagemutigen kaum Solidarität. Sie beäugen sich misstrauisch und werfen sich beim leisesten Verdacht sofort gegenseitig aus dem Bekanntenkreis. Der informelle Austausch kommt auf die eine oder andere Art immer zum Erliegen. Das Vergessen greift um sich, keiner nährt die Erinnerung, deutet auf spannende Gedanken hin. Es wird still. Bedrohlich still. Jeder Fußtritt und jedes Husten wird zur Bombe. Wenn keiner spricht, kann keiner zuhören. Wenn keiner zuhört, wird keiner mehr sprechen.

Das gesamtgesellschaftliche Schweigen über die blinden Flecken der Realität zu brechen, muss da größte Tabu aller Zeiten sein. Wenn Menschen sich schon nicht dafür interessieren lassen, dass die Umwelt systematisch durch sie zerstört wird, wie soll es dann erst mit ihrer Beteiligung der gesellschaftlichen Selbstzerstörung der Menschen stehen? Die Heilung von Krebs ist gar nichts gegen die Abschaffung des Kapitalismus. Der Kapitalismus ist der Vater aller Probleme. Es ist die größte Lüge in der Geschichte der Menschheit und sie wird von den meisten willig geglaubt oder hingenommen. Es muss so sein, weil es immer so gewesen ist.

Meine Rat- und Perspektivlosigkeit existiert, weil die Gesellschaft rat- und perspektivlos ist. Es gibt keine politischen oder ökonomischen Visionen mehr. Alles was erzählt wird ist erzreaktionär. Es löst keine sachlichen oder inhaltichen Probleme. Es verlagert sie in die Zukunft und dadurch werden sie größer. Deshalb ist das Schweigen der Gesellschaft zu ihren Problemen eine Art kollektives Verdrängen, welches ohrenbetäubend ist. Aber es betäubt auch die Fantasie. Wie soll sich das ändern? Keiner wagt sich eine Vorstellung zu machen. Es gibt auch kein Interesse, die Funktionsweise der Gesellschaft zu betrachten. Nicht einmal unter den sogenannten Experten. Das ist schon eine Seltenheit, wenn letztere sich damit beschäftigen. Es gilt bereits als mutig, die Genese der Probleme zu betrachten und zu äußern.

Die Zeit läuft nicht nur für mich ab. Sondern für uns alle. Der Klimawandel lässt sich offenbar nicht mehr aufhalten. Täglich entstehen neue irreparable Schäden. Es lohnt sich bald nicht mehr eine Familie zu gründen. Eine Familie ist schon jetzt ökonomisch sehr teuer. Man konnte kaum sich selbst zu einem Menschen herausbilden, weil soviel gearbeitet werden musste. Kaum ein Klassiker der Weltliteratur wurde gelesen oder begriffen. Wer spielt noch Instrumente? Wer beherrscht Tanzschritte? Wer schreibt wirklich gute Bücher? Man fragt sich wo die Freude in der Öffentlichkeit entschwunden ist? Gab es sie jemals? Ich kann mich nicht erinnern. Die Realität scheint nur noch mit verschiedenen Fetischen aushaltbar zu sein. Fixierungen auf Geld, Arbeit, Drogen und dergleichen geben den Leuten Halt in einer haltlosen Gesellschaft. Aber sie sind verloren. Sie wissen nicht was sie tun.

Wenn kein einziger Unternehmer sagen kann, was aus seinen Waren wird, dann spekuliert er nur und seine Spekulation kostet Menschenleben. Er produziert ins Blaue hinein. Die Ungewissheit über die Dynamiken der Tauschgesellschaft, deuten darauf hin, dass wir keine aufgeklärte Gesellschaft sind. Das ist so als würde jemand Dinge essen, ohne ihren Inhalt zu kennen. Die Konsequenzen sind unabsehbar. Es wird nicht vernünftig darüber gesprochen, was die Mängel unserer Zeit ausmachen. Und es ist so tragisch, dass sich diese Mängel wiederholen, ausweiten und Menschen ruinieren und umbringen. Tag für Tag. Man sieht sich das an und ist geschockt. Ich bin seit über 15 Jahren nur noch geschockt. Diese Schockstarre ist vergleichbar mit einer Totenstarre. Ich bin demnach nicht wehrhaft. Ich bin leicht von A nach B zu verfrachten. Ich kann in einen Sumpf geworfen werden und würde untergehen, ohne zu zucken. Die Erstarrung aller Lebensregungen, die nicht profitabel sind, macht aber auch einen Teil dieser Starre aus.

Wer erlaubt sich schon den törrichten Gedanken, der nichts einbringt? Selbst jene, die hinter die Fassade der Gesellschaft blicken, können das nur beiläufig tun. Sie müssen in ihrer Freizeit tun, was nicht einmal in Vollzeit zu schaffen ist. Es gibt keine finanziellen Mittel für diese Überlegungen. Und untereinander ist man zerstritten oder missversteht sich. Keiner hat alles gelesen. Keiner liest genug. Keiner vermittelt, was in den Büchern steht. Und wenn doch, dann nur oberflächlich. Es ist unmöglich zu lösen. Es ist zu teuer, zu gefährlich, zu undankbar, zu deprimierend und zu einsam. Am Ende schreibt und liest und diskutiert man nur für sich selbst. Es ist eine Art Privatvergnügen sich mit den Plagen der Moderne herumzuschlagen. Am Ende ist man selbst schuld. Man hätte eine Karriere haben können, wenn man nicht an allem zweifeln würde. Man hätte ein normales Leben leben können, wenn man nicht soviel Zeit und Geld und Nerven damit verschwendet hätte, die Gesellschaft als irrationalen Zusammenhang zu kritisieren. Und so wird man auch geopfert oder so opfert man sich selbst.

Das Gefühl umsonst zu leben ist also ziemlich real. Nicht nur für die Kritiker, sondern vorallem für die Konformisten. Alles geschieht im Prinzip ohne ihre Einwilligung. Sie sind immer nur Anhängsel. Sie müssen nachvollziehen, was bereits geschehen ist. Wer diese Entwicklungen eigentlich auslöst, bleibt ungeklärt. Die soziale Realität geschieht und es ist den meisten völlig egal, warum oder ob sie vernünftig ist. Sie wird stumpf übernommen und sich irgendwie zurechtgelogen oder zusammengereimt. Es gibt sowieso niemanden, der den Leuten in ihrem Alltagsbewusstsein widerspricht. Wer sollte das auch tun? Sowas ist selten und außerdem unprofitabel. Also streut keiner Zweifel an der Vernünftigkeit dieser sozialen Realität. Und so kann jeder seine eigenen Zweifel leichter als obszönen Luxus oder übertriebenen Irrtum verwerfen. Und dann ist wieder eine Generation verheizt.

Wenn selbst das größte Opfer, was man bringen kann, nicht annährend groß genug ist, um eine sinnvolle Kritik zu leisten und zu transportieren, dann weiss man, was Verlorenheit bedeutet. Die Machtlosigkeit und Ohnmacht steigert sich von Jahr zu Jahr, je mehr verloren gegangen ist und geopfert wurde. Man wird zum Alien. Niemand kann mehr nachvollziehen, worum es eigentlich mal ging. Es wird immer komplizierter. Und die Vermittlung scheitert schon beim ersten Satz. Wo soll man auch anfangen, wenn alles falsch ist? Jeder Konzern, jeder Staat, jedes Kapital, jedes Geldstück, jedes Individuum ist Teil des Verhängnisses, des gesamtgesellschaftlichen Irrationalismus der Wertverwertung, die sich über die Summe der Handlungen aller Individuen in einem quasi automatischen Gesamtsubjekt auftürmt und darüber entscheidet, wie das alles sich entwickeln wird. Die Ohnmacht der Leute kommt über die Ermächtigung gesellschaftlicher Prinzipien ins Haus, die nicht von den Leuten nachhaltig auf Vernünftigkeit geprüft wurden.

Aber jetzt erklär mal den Menschen, dass ihr Leben verkehrt ist. Sie dürfen nicht einfach nur aufhören mit Zucker, Nikotin, Alkohol, was schwierig genug ist, um gesund zu sein, nein, sie müssten im Prinzip ihre gesamten Verstandeskategorien hinterfragen. Soetwas passiert im Normalfall nur, wenn man verrückt wird. Und das ist auch nicht gesund. Also ist es einfach unwahrscheinlich, dass jemals irgendwer irgendwen davon überzeugen kann denn Inhalt der Alltäglichkeit zu prüfen und zwar auf seine ökonomische und politische Irrationalität, weil die Komplexität irre hoch ist und sich permanent verändert, weil keiner die Zeit, die Nerven, das Geld hat, um sich das in allen Farben und Argumenten anzuhören. Es gibt schlicht keinen Grund einen Willen gegen die falschen Zustände zu entwickeln, außer natürlich, man lässt sie tatsächlich an sich herankommen und zeigt sich z.B. davon beeindruckt, dass täglich Menschen verhungern während Millionen Tonnen frischer Lebensmittel im Müll landen.

Dann erinnert man sich, dass es herausragende Glücksfälle in der Geschichte gab, wo es doch ein paar Individuen gab, die in der Lage waren, die Unmengen an Informationen zu vernehmen, zu reflektieren und zu vermitteln. Ihre Erscheinung war von einer derart unerhörten Seltenheit, dass man sie prompt missverstand, verriß und bekämpfte. Selbst dann also, wenn es Individuen gelingt, durch Zufall, Begabung und Glück, diese ganzen Problemlagen zu erfassen und zu bekämpfen, dann sind sie allein auf weiter Flur. Und selbst bei ihnen gibt es Mängel. Es ist auch nur allzu menschlich, sie zu haben. Aber sie führen auch wiederum zu endlosen Problemen. Nichts klärt sich endgültig. Das muss nicht tragisch sein, wenn das Wesentliche erfasst ist. Aber auch das, gelingt einfach nicht. Das Scheitern über die Erkenntnis der Realität, treibt also jede Sekunde neue grausame Blüten. Alles wird schlimmer und alle jammern. Außer, dass es immer wird, ändert sich nichts. Die Menschen sind der Gesellschaft ausgeliefert, obwohl sie sie selbst hervorbringen.

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Es wird ganz fürchterlich

Täglich wache ich im selben Alptraum auf. Was soll ich mit dem Leben noch anfangen? Alle bisherigen Versuche, sich eine neue Realität vorzustellen, sind kategorisch gescheitert. Egal, ob ich bescheiden oder größenwahnsinnig überlege: Es kann nicht funktionieren. Der Alltag ist nicht zu verarbeiten. Es reissen ständig neue Probleme, Gefahren und Ängste auf. Ich bemühe mich sehr, tapfer zu sein. Aber es gibt keinen Grund weiterzumachen. Andererseits scheint nur ein winziges Detail zu fehlen, was alles glücklich wenden könnte. Aber, wie soll das aussehen? Ist es tatsächlich so, dass ich mir selbst keine Chance geben will? Andererseits wache ich tatsächlich jeden Morgen auf und kann eine enorme Leere und Frustration spüren. Ist völlig klar, dass jeder neue Tag eben nicht neu ist. Es wird nicht nur alte Katastrophen geben, die sich wiederholen, sondern auch neue. Und nie, weiss man, wie man sie lösen soll. Es bleibt einfach liegen.

Die ganze Zeit improvisiere ich. Ich flüchte mich von einer Insel zur nächsten. Aber jede geht früher oder später unter. Wie soll ich mich da entwickeln? Das ganze Leben ist eine Flucht nach vorn. Gezwungen dies und jenes zu tun. Andererseits gibt es auch kein Ende, wenn man still steht. Wenn man sich einsperrt und auf das Ende wartet. Es kommt nämlich einfach nicht. Es gibt keine Gnade. Die Fahrt geht weiter. Ich weiss nicht wer die Kontrolle über meine Realität hat. Wahrscheinlich niemand. Irgendetwas hätte sich vor vielen Jahren günstig wenden müssen und es ist nicht passiert. Es ist klar, dass es tragisch enden wird. Glück wird nicht eintreten. Das hat die Erfahrung gezeigt. Ich habe tausende Seiten geschrieben und keine Idee entwickeln können, wie ich mich im Leben erfreulich wiederfinden könnte.

Die Erschöpfung vor dem wirtschaftlichen und politischen System, vor sich selbst, vor dem, was vor und hinter einem liegt, prägt mich. Ich finde mit diesem Zustand keinen Ort an dem ich sein darf. Ich bin immer ein Störfaktor geblieben. Ein teures Ärgernis, was scheinbar aus reiner Boshaftigkeit nicht produktiv sein kann. Aber wofür soll man auch produktiv sein? Für das eigene Überleben, ja, sicher. Aber wenn man überlebt, ist es auch nicht besser. Die Zeit heilt nicht alle Wunden. Je mehr man vergisst oder verdrängt, desto mehr verliert man sich selbst. Verlust ist allerdings auch notwendig. Es ist üblich. Es ist klar, dass das eigene Leben irgendwann komplett verloren geht. Daher die Frage:

Wofür lebt man? Für Momentaufnahmen? Die Momente ziehen allerdings sehr schnell vorbei. Sie können nicht ausgekostet werden. Man kann einen Kuss nicht festhalten. Oft wollte ich an einen bestimmten Moment zurück und ihn unendlich erweitern oder verändern. Jeder Moment ist so flüchtig. Die Konzentration ist mir abhanden gekommen. Ich kann die Momente nicht mehr auskosten. Viele Momente sind auch egal geworden, weil sie nichts besonderes darstellen. Der Alltag ist voll mit Elend, Gleichgültigkeit und Berechnungen anderer. Ich würde gerne flüchten. Aber wohin? Es gibt keinen Ort, der vollkommen ist. Und es gibt ohnehin keine Mittel sich auf die Suche danach zu machen. Am Ende schleppt man die Frustration sowieso überall mit hin.

Ich habe den Eindruck, dass es täglich schlimmer wird. Je älter man wird desto weniger kann man sich verteidigen. Man ist den Schrecken der Realität noch intensiver ausgeliefert. Wobei man immer ausgeliefert war, nur kann man als Jugendlicher leichter ignorant sein und darüber hinwegsehen als würde es einen gar nicht penetrieren. Durchsetzt von der grausamen Gesellschaftlichkeit bildet man im jungen Alter sich trotzdem ein, eine Differenz von dem darstellen zu können, was seinen ausmacht. Das ist eine Wahnvorstellung. Geboren als Soldat des Staates und des Kapitals wird man auch so leben und sterben. Da gibt es keine Spielräume. Die Vergesellschaftung hat sich total vollzogen. Kein Atom ist mehr frei. Es gibt nur noch in Zufällen oder Träumen etwas ähnliches wie Freiheit. Andererseits, wie soll Freiheit definiert sein, wenn man nie Freiheit erlebt hat?

Oft lebt man ohne Grund weiter. Tage werden ohne Berechtigung begonnen und vollendet. Es passiert einfach wie eine Katastrophe. Man kann sich irgendwas zusammenreimen. Aber letztlich ist es nicht logisch, vernünftig und rational zu rechtfertigen, was passiert, was man tut oder sich einbildet. Die ganze Lebensrealität fusst auf Irrtümern, Fälschungen und Wahnvorstellungen. Es gibt keine Korrektur. Niemand strebt diese Korrektur an, denn es wäre so als würde man den Planeten im Universum verschieben wollen. Deshalb erliegt jeder früher ganz offen und offiziell der Dummheit des Alltagslebens. Verfliegen die rebellischen Lebensgeister mit der Jugend, bleibt nur noch der Gehorsam und die Gefolgsamkeit bezüglich der stummen Kommandos aus dem Maschinenraum. Es ist zu tun, was immer schon getan wurde. Hintergründe und Sinngehalte interessieren uns nicht. Der Prozeß ist alles.

Ich schaue auf die Uhr. Der Zug, der mich endlich aus dieser Realität fahren soll, kommt einfach nicht. Ich bin immerzu traurig. Ich kann nichts neues anfangen. Ich habe immer die gleichen Gedanken. Seit Jahren bin ich gleichbleibend unfähig zu leben. Es erstaunt mich immer wieder, wie ich mich nicht weiterentwickle. Ich stagniere so stark, dass ich mich schon zurückentwickle. Ich schrumpfe. Die geringen Fähigkeiten gehen verloren. Das Stottern über die Realität wird zu Schweigen und auch das ist nicht genug. Die Sprache geht völlig verloren. Und die Fantasie ebenso. Alles wird weggesaugt. Ich werde bei lebendigen Leib abgetrieben. Ich werde von einem gigantischen Fluß hinab gezogen. Ich drehe mich um die eigene Achse. Die Realität stürzt sich in meine Lunge. Ich kann nicht sehen. Ich kann nicht denken. Und dabei soll ich noch einen Job finden und ausüben, weil das irgendwer am Ufer verlangt. Es soll wie immer meine Schuld sein, dass ich die Niagarafälle nicht einfrieren kann.

Und wenn dann mal besondere Momente da sind und man weiss, nun sollte man sie auskosten, dann kann man es nicht, weil man es nicht mehr gewohnt ist, etwas besonderes zu erfahren. Es ist durch die Alltäglichkeit, die Gewohnheit der Unfähigkeit aufgetreten. Plötzlich ist man zum Undenkbaren geworden. Eingerostet, behäbig, stumpf, flach und geistlos stehe ich dann vor der ungeahnten Schönheit und kann nichts mit ihr anfangen. Da merke ich, dass es zu spät ist. Ich kann mich nicht mehr öffnen. Alles ist verriegelt und endgültig verschweißt. Es ist unignorierbar. Es fällt nur nicht auf, weil kaum jemand aufmerksam ist, weil jeder Moment schnelllebig ist. Aber es ist die Wahrheit. Ich bin gestorben und laufe noch unter den Lebendigen herum. Ein Geist, der für einen Menschen gehalten wird. Gefangen zwischen Realitäten, die er nie bestimmen konnte. Tragisch, wenn das eigene Leben wie ein Disneyfilm klingt. Leben, was soll Leben überhaupt sein? Zeit totschlagen. Warten auf das Ende. Ignoranz gegenüber dem katastrophalen Alltag. Aushalten bis man platzt. Luft anhalten bis man erstickt.

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Running in circles

Das Leben in einer Sackgasse mag sicher auch in meiner persönlichen Verantwortung liegen. Ich war stets unfähig. Es gab kein herausragendes Talent. Keine Disziplin. Kein enormes Interesse in Irgendetwas. Die Gewöhnlichkeit erstickte mich und war zugleich die größte Konstante. Das ist nicht dramatisch. Durchschnittlich zu sein bedeutet vornehmlich auch gesund zu sein. Man kann unerkannt in der Masse mitschwimmen und den geringsten Widerstand suchen.

Vielleicht ist die Frustration darüber kein erfülltes Leben zu führen, vornehmlich in der eigenen Unfähigkeit zu finden, dass man es nicht vermochte, dem Leben etwas abzugewinnen. Diese Gleichgültigkeit gegenüber allem und jedem war immer da. Und die legte sich nur kurzfristig beiseite, wenn die Gesellschaft mit irgendetwas drohte. Wahrscheinlich hätte irgendwann an einem bestimmten Wegpunkt im Leben nur ein einziges Detail geändert gehört und alles wäre ideal verlaufen.

Allergisch zu sein gegen sich selbst und das Leben insgesamt hat nur Nachteile. Man kann nicht zurück und nicht vorwärts. Steckengeblieben in irgendeiner ungewollten Situation wird der Alltag bewältigt. Oder eher: Man lässt sich vom Alltag überwältigen. Die Realität gibt einem keine Wahl. In der Medizin wurden Jahrhunderte Menschen falsch behandelt. Sie nahmen das hin, starben oder litten Jahrzehnte. In der Gesellschaft insgesamt ist es auch so. Nur halten sich die Innovationen im Gegensatz zur Medizin in Grenzen.

Menschen leiden sehr häufig völlig sinnlos. Wenn Menschen aus Schlampigkeit oder genereller Unfähigkeit nicht zuhören oder bestimmte Informationen einfach nicht weitergeben, dann kann dadurch Leid entstehen. Die falsche Medikation. Die falsche Ideologie. Schon stirbt oder leidet ein Mensch. Fast zufällig entscheidet sich also, ob jemand ruiniert wird oder ob er erfolgreich ist. Das gilt nicht nur im sozialen Milleu, sondern auch körperlich. Fehlt ein bestimmtes Vitamin oder wird es schlecht verarbeitet, verändert sich der ganze Hormonhaushalt, Stoffwechsel, die Sauerstoffzufuhr und schliesslich die Art und Weise, wie ein Mensch denkt und empfindet. Depressive Menschen haben durch inaktivere Neurotransmitter auch eine reduzierte gedankliche Leistungskraft. Ihre fehlenden Gedanken führen zu fehlender Vorstellungskraft und damit auch die Fantasie, um ihrer Depression zu entkommen. Wird zuviel vom legalen Koffein konsumiert, werden die Organe erschöpft und Müdigkeit tritt auf. Und die Müdigkeit und Organerschöpfung können bei fortgesetzten Koffeinkonsum zu einem völligen Zusammenbruch des Organismus führen.

Ich frage mich, wieviele Gewalttaten durch solche winzigen Details begünstigt wurden. Das falsche Essen, ein schlechter Zuhörer, ein mieser Ratgeber, eine geliebte Illusion, eine falsches Argument und schon geht das Leben den Bach runter. Es geht so schnell. Und es gibt keinen Schutz davor. Das Leben wächst einem über den Kopf. Sobald die Jugend nachlässt erscheint das Leben wie eine konstante Bedrohung. In meinem Fall war das Leben immer eine Bedrohung. Aber heute kann ich mir absolut keine Illusionen mehr darüber machen, wie früher. Es kann jede Sekunde vorbei sein. Gleichzeitig hat man kaum eine Möglichkeit diese geringe personfizierte Lebendigkeit, die man darstellt, in irgendeiner Form zu bewahren. Es gibt klägliche Versuche von der gesunden Ernährung bishin zum Ausschlafen. Aber gestorben wird immer.

Die eigne Vergänglichkeit betont unüberhörbar, dass jede Entscheidung, die man trifft, womöglich die letzte sein könnte. Es kann im wachsenden Lebensalter immer weniger korrigiert, relativiert oder neu begonnen werden. Alles türmt sich auf, wie ungewaschenes Geschirr. Es bleibt keine Zeit den Gedanken nachzuhängen und neue Tätigkeiten genau abzuwägen. Die Gesellschaft bedroht einen ständig. Sei fordert Aktion im Sinne des Kapitals. Früher deuteten die alten Griechen das Gewitter als den Zorn der Götter. Heute fürchtet man sich vor dem Zorn des Kapitals, ohne näher bestimmen zu können, wie diese Irrationalität überhaupt in das Leben gekommen ist. Die Ohnmacht und Hilflosigkeit wird immer deutlicher. Und man kann so wenig dagegen tun. Man ist dem Leben ausgeliefert.

Ich weiss nicht wie ich weitermachen soll. Es ist ein Satz und eine Haltung, die schon mein ganzes Leben erfüllt. Es gibt diese enorme Ratlosigkeit gegenüber dem, was sich vor mir und in mir abspielt. Was soll das alles? Ich bin so irritiert vom Leben. Ich kann dem keinen Sinn abringen. Würden nicht soviele Menschen leiden, könnte man darüber lachen. Es wird keine Änderung geben. Es wird nur der bohrende Zweifel bleiben. Das Leiden zeugt die Brüchigkeit und Unvollkommenheit des Lebens. Ich könnte es aushalten, dass ich unvollkommen bin, dass ich nichts mit mir anzufangen weiss. Aber, dass der Rest der Welt genauso unvollkommen ist zieht mir den Boden unter den Füßen weg. Sie wissen alle nicht, was sie tun. Sie tun einfach nur so als ob. Völlig gleichgültig, ob dies das Chaos und Leid noch vergrößert. Was in der Medizin grundsätzlich undenkbar ist, ist im Sozialen völlig normal und sogar gefeiert.

Über allem trohnt immer die Arbeit und das Geld. Das muss stimmen, dem muss man nachlaufen und wenn dabei alle Menschen und Tiere verbrennen. So ist das halt. So war es schon immer. Seit meiner Kindheit wird der Regenwald gerodet. Hat dagegen wirklich jemals effektiv etwas unternommen? Nobody cares, life goes on. Die Gleichgültigkeit in mir kam von der sozialen Umwelt um mich herum. Sie sagt immer das Gleiche: Egal ob Flüchtlinge ertrinken, Amokläufe passieren oder Menschen verhungern. Nobody cares, life goes on. Augen zu und durch, das wird schon irgendwie. Aber nein, es wird nichts. Es wird schlimmer. Anschläge folgen auf Anschläge. Armutsberichte folgen auf Armutsberichte. Die Angst vor der nächsten Rechnung folgt auf die Angst vor der Existenz, worauf die Angst vor dem eigenen Scheitern folgt. Es gibt keine Hilfe und keine Rettung und keine Hoffnung. Niemand drückt das aus. Niemand leistet diese Hilfe, Rettung und Hoffnung. Aber noch viel mehr wäre nötig als das, denn es fehlt auch an Verstand. Das ist das grauenhafteste Moment daran. Die ganze Intelligenz der Gesellschaft opfert sich irrationalen Motiven. Wie konnte das nur soweit kommen?

Ich zähle die Jahre, die ich in dieser Wüste überlebt habe. Und ich habe viel vergessen von dem Leid, was ich mir und was mir andere zugefügt haben. Anders war und ist es wohl nicht auszuhalten. Aber das Vergessen macht dumm, es lindert die Wut und reizt den Verstand nicht dazu an, etwas dagegen zu unternehmen. Den geringsten Widerstand zu gehen, hat alles nur noch schlimmer gemacht. Und warum sollte man daher nicht das höchste Risiko eingehen, wenn man sowieso jederzeit sterben kann? Der reine Zufall hat einen auf die Sonnenseite des Weltballs geworfen. Die erste Welt ist Europa. Hier herrscht ein Wohlstand wie noch nie in der Geschichte der Menschheit. Und doch ist es nicht genug. Und doch halten sich die Menschen kaum selbst aus. Ich bin darüber zutiefst irritiert. Ich bin völlig erschüttert. Ich kann nicht klar darüber nachdenken. Mir scheint, dass all die Jahre in der Gesellschaft irgendeine Art von Trauma ausgelöst haben. Die Gesellschaft prügelt jeden Tag auf einen ein, ob man will oder nicht. Das hat nicht nur Kopfschmerzen zur Folge. Man gewöhnt sich dran. Andererseits auch nicht, es prägt einen, es verzehrt einen, es beschmutzt einen. Ich fühle mich wie ein Boxer in der letzten Runde. Mehrfach zu Boden gegangen, kurz vor dem K.O. Aber es war schon immer so. Der letzte Schlag kam noch nie.

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Schneewechte

Unabänderlich. Unvermeidbar. Unendlich. Unentrinnbar. Unvernünftig. Unermüdlich. Untot. Ungemütlich. Unachtsam. Undeutlich. Ungeheuer. Unheilvoll. Unglücklich. Ursache Unbekannt.

Obdachlos mit Obdach und Oberflächlichkeit. Reaktionäre Düsternis im grauen, rauen Feld der unzerstörbaren Realität, am Durst gestorbenen Zeitalter. Es rückt die Uhr weit weg. Herabgesunken im Schatten der unerhörten Ahnungen. Undenkbare Unvernunft im ewigen Kreisel.

Ich bin in mir selbst gefangen. Düstere Wolken drücken ins Gehirn. Ich bin der Beifahrer meines dunklen Begleiters, der nie spricht, aber immer erstickt. Das Gewitter verzerrt die Wahrnehmung. Der Sturm verbrennt die Hirnwindung. Die Kälte führt zu Zittern, Angst und Starrsinn. Die Nässe rutscht in die Kleider. Beschwert sie. Und so liege ich am Boden und die Welt liegt auf mir. Ich habe alles verloren. Ich kippe am Abgrund auf einem Stuhl hin und her. Der Arzt sagt, dein Chi ist zu schwach, iss weniger Milchprodukte und geh mindestens 20 Minuten am Tag heraus. Ich finde keine Worte für die Dimension meines Scheiterns. Ich habe schon alles gesagt und getan. Alle Varianten durchgezockt. Die Karten sind ausgespielt.

Ich hätte schon sterben sollen. Aber aus Versehen lebte ich weiter. Darüber macht man keine Scherze. Aber alles ist eingefroren. Wirklich ausgeschaltet. Es ist das Warten geblieben auf eine klare Distanz. Oder einen Schlag, der das Ende besiegelt. Aber es ist offen. Das Leben ist offen wie eine Wunde. Ich blute aus mir heraus. Ich kann mir nichts vormachen. Im Spiegel sehe ich, wie die Verletzungen nicht mehr heilen. Doch keiner kann sie sehen. Sie sind so unsichtbar wie Geister. Wenn der Halt verloren geht und der Fall alles vom Rest des Lebens ist, dann gibt es nur noch Warten. Es gibt nicht einmal mehr die Überraschung, dass keine Reue existiert. Ich hätte erzählen sollen, was in mir vorgeht, als ich wütend war. Aber dann wäre die Blindheit der Wut offenkundig geworden. Ihre Ohnmacht hätte die Lächerlichkeit der eigenen Regungen unterstrichen. Emotionen und Gedanken, die keinem Geschäftszweck dienen, sind immer lächerlich. Ich bin dadurch verloren. Es ist kein Halt möglich und doch soll er gefunden werden, egal wie brutal die Gewitterwolken die Sicht und Bedingungen verunmöglichen. Obwohl mir bekannt ist, dass nicht für alle die Sonne scheint, so hilft es mir nicht weiter. Hineingeworfen in das blinde Zeitalter, muss einfach mitgemacht werden oder es geht nicht weiter. Das mangelnde Talent, die soziale Instabilität und die psychosomatischen Beschwerden häuften sich derart, dass der Protagonist sich im Labyrinth seines eigenen Lebens verirrte und nie wieder herausfand. Er hat auf seiner Suche nach dem außerhalb seiner Existenz andere Suchende getroffen. Mal waren sie schlimmer dran als er. Mal waren sie besser dran. Sie begleiteten ihn hier und dort. Bis sie nicht mehr konnten oder wollten. Doch niemand wusste den Weg. Manche gaben vor ihn u kennen. Andere waren fatalistisch unterwegs und gaben sich schnell den goldenen Schuss. Die Schäden, die sich die Suchenden sich selbst und anderen zufügten, erschwerten es dem Protagonisten klar zu denken. Er setzte sich absichtlich in eine Ecke und beobachtete nur noch die Szenerie, die an ihm vorbei zog. Die Zeit verging und er hatte schon ewig nicht mehr nach dem Ausweg aus dem Labyrinth heraus gesucht. Er hatte vergessen, dass es ein außerhalb gab. Die Abfindung hatte ganze Arbeit geleistet. Das stählerne Gehäuse der Hörigkeit war sein Leben geworden, so wie bei nahezu allen Generationen zuvor. Es war falsch zu beten, zu glauben, zu arbeiten, zu revoltieren, zu denken oder auch nur zu hoffen. Oder zumindest erwies sich eines nach dem anderen als wirkungslos. Atomisiert und doch gemeinsam waren sämtliche Zeitgenossen einer Realität ausgeliefert, die sie in irgendeiner Form erzeugt hatten, aber die sie nie verstanden. Alles was sich am sinnlosen Suchen änderte, war das Lebensalter. Aus Zufall, Langeweile oder einem Anfall von willkürlicher Zuneigung entstanden weitere Generationen. Alles fällt dem Vergessen anheim. Und es wiederholt sich. Aus unerfindlichen Gründen schlug das Labyrinth auf seine Insassen ein. Fallen schnellten aus dem Nichts hervor und trennten sie von ihren Gliedmaßen. Der Tod trat so unbarmherzig wie schnell ein. Niemand konnte irgendwas tun. Alle konnten nur festhalten, dass jeder der nächste sein könnte. Die Schwächsten werden als erstes geopfert, zumindest probiert man es immer wieder, um die eigene Haut zu retten. Aber es gibt keine Erfolgsstrategie. Alle werden früher oder später zerhackt und vernichtet. Die Realität erstickt sie alle. Geboren um zu ersticken, in einem Raumzeitkontinuum, das sie nie wollten. Die Sinnlosigkeit breitet sich irgendwann derart allgemein aus, dass es sinnlos wird sich eine Identität anzuschaffen oder zu fragen woher man kommt. Es war nie von Bedeutung. Die Unendlichkeit des Universums lacht über den Flecken Dreck auf dem man geboren wurde. Ich hätte jederzeit sterben können. Es hat bislang andere erwischt. Ich verstehe nicht wieso. Andererseits bin ich noch früh genug dran. Es gibt nichts über mich zu erzählen. Es gibt darüber keine Notiz oder Emotion festzuhalten. Erschrocken, erstaunt notiere ich, dass sich Institutionen der Ahnungslosigkeit gebildet haben, die einen herumschubsen, weil sie dadurch ihre eigene Sinnlosigkeit verdrängen können. Ich kann nichts trinken oder essen oder träumen oder lieben, was mich über alles hinweg tröstet. Jeder Tag ist graue Ernüchterung. Unumstößliche Untröstlichkeit. Versenkt in den Untiefen ungeheuerlicher Ungeziefer. Blind, taub, blutig geschlagen, verkrüppelt und verfettet, verblutet und verdorben, vergoren bis verbrannt ins Elend gebannt. Es stinkt mir. Der Ekel greift aus den Gedärmen in den Hals, spuckt pechschwarz das Leben voll. Der flüssige Beton ist die Atemluft. Leise sticheln die Millionen Nadeln Millionen Wunden in alle Körperregionen von innen heraus. Es brennt. Es schneidet. Es ertränkt. Sirenen zischen in der Nacht vorbei an Obdachlosen. Die Frittenbuden brutzeln das Fett. Die Flugratten taumeln in der städtischen Hitze. Ich bin die personifizierte Panik und ich brenne an allen Fingern. Ich bin verschluckt von meiner Angst und sie diktiert, was ich gar nicht kann. Ich zittere, obwohl ich in der Sonne verbrenne. Es war immer so. Und ich drehe mich immer schneller um meine eigene Achse. Das frei drehen ist die einzige reale Freiheit für mich. Der freie Fall ist verboten. Er endet mit dem Tod. Und der Tod droht noch schlimmer zu sein als das, was Leben heißt. Traurig und allein, verstummt der Kleine, der längst alt ist, neben denen, die noch leiden werden. Älter werden und die Gnade empfangen, dass das Leid nicht ewig so weiter gehen muss. Oder ist das ein Trugschluss? Wechselhaft treiben meine Emotionen und Gedanken sich durch die Fluten der Tyrannei. Ich schaue mich um, aber ich kann nicht sehen. Man kann es nicht lernen. Das Leid wird sich nie relativieren. Es wird sich zuspitzen. Der Junge mag überleben, aber im Alter wird er doch noch erwischt. Es ist gnadenlos. Die Tage schichten sich aufeinander wie einzelne Stühle. Ein Stuhl auf dem anderen. Ein Tag auf den anderen. Und es baut sich schief, aber es bricht nicht gleich zusammen. Oben kippelt das Bewusstsein und hält Balance. Fällt es, ist alles zu spät. Es kracht und bricht sich alle Knochen. Die blutigen Gedärme spritzen heraus und das war es. Ringsherum türmen andere Leben Stühle aufeinander und es wird balanciert. Es kommt zu Bombenanschlägen und Amokläufen. Es wird gezündelt und gespuckt. Niemand weiss, ob der Himmel eine Bürodecke ist. Die Tage stapeln sich immer höher aufeinander und drücken die Lebendigkeit empor. Hoch ins Nichts. Dort wo noch niemand gewesen ist. Ein paar lebendige Zellen rufen sich zu, wie es sein könnte und was getan werden sollte. Aber es wird schon nicht mehr so ganz klar und verstanden. Die Wolken ziehen auf. Bei manchen gibt es Gewitter. Bei anderen Sonnenschein. Es ist nie gerecht. Manchmal krachen die Stuhltürme ineinander und die Leute ziehen sich gegenseitig aus dem Leben. Nun steht das alles wohl auch noch im Labyrinth. Was das wohl bringt? Es juckt den in den Gehörgängen. Es gibt keine Möglichkeit sich zu kratzen und das bis an den Rest ihrer Tage. Schwarze Blätter. Schwarze Notizen. Schwarze Worte. Der Feinstaub brennt radioaktiv. Ich wüsste nicht, was darüber noch zu schreiben wäre. Worte helfen nicht. Es braucht einen goldenen Schlüssel. Einen ultimativen Betrug an der Realität. Einen unerwarteten Riss in der Gesellschaft, den man nur erweitern muss, damit alles anders sein kann. Ein winziges Detail an irgendeiner Ecke des Labyrinth muss die Antwort liegen. 42.

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Zerstreuung & Zerstörung

Ich bin heute morgen aufgewacht und habe mich gefragt: Warum? Ich bin aus einem Traum aufgewacht. Ich habe geträumt, dass ich ein schmales Buch über die Flucht in eine andere Welt lese. Ich konnte die Sätze aber nicht entschlüsseln. Ich war in einer Bibliothek und sie wurde langsam und immer schneller von unbekannten Leuten, die ehemals Leser wie ich waren, aufgelöst und abgetragen. Sie tragen unzählige Bücher auf ihren Armen hinaus und mahnen mich, dass es jetzt keine Zeit mehr gibt, dieses Buch zu lesen. Ich versuche trotzdem die Sätze zu entschlüsseln, aber ich gerate in Panik und Aufregung, ich kann nur ahnen, worum es gehöen könnte. Irgendeine Stimmung von: „Es ist umsonst. Es war umsonst.“ Wie eine lang gezogene tiefe bassige Note. Am Ende ist der Raum so gut wie leer, nur noch ich stehe darin mit diesem schmalen Buch. Es ist leer. Ich werde wach.

Das Geklapper meines Nachbarn hat mich unbewusst geweckt. Er hat die tolle Idee gehabt, um 7 Uhr morgens sein Mittag- und Abendessen vorzukochen. Es dauert 1 Stunde bis er mit dem Geklapper aufhört. Ich frage mich wieder, was ich mich jede Stunde in meinem Leben frage: Wie soll ich weiterleben? Ich habe es irgendwie im Laufe meines Lebens geschafft, mich der Dringlichkeit dieser Frage zu entziehen. Aber sie stellt sich permanent. Und wenn meine Verdrängung nicht mehr funktioniert, ist die Frage so laut, dass ich nichts mehr anderes wahrnehme. In solchen Momenten weiss ich, dass ich nicht mehr weiterleben kann. Und doch vergehen diese Momente wieder. Ich fühle mich schuldig, dass ich das Leben nicht geniessen kann. Wie dumm muss man sein, wenn man nicht leben kann? Es ist doch das einfachste auf der Welt. Und erklären kann man es auch niemanden.

Die unendliche Geschichte, die von anderen Intellektuellen erzählt wird, von denen ich dachte, ich könnte mir von ihnen Hoffnung auf eine bessere Welt leihen, wird einfach nur aus als eine Art Hobby erzählt und nicht, um tatsächlich das Leben lebenswert zu machen. Ich bin enttäuscht, dass die Cleveren, die ich getroffen habe, im Grunde genommen nur mehr alle Bücher lesen wollen, aber sonst nichts mehr von der Welt erwarten. Ich kann nicht soviele Bücher lesen. Ich habe zuviel Angst vor dem nächsten Tag, weil ich nicht weiss, wie ich ihn bezahlen soll. Ich hoffe jeden Tag, dass das Schicksal endlich Gnade vor Recht walten lässt. Aber ich bekomme jeden Tag neue Befehle, denen ich folgen muss, deren Sinn ich aber nie verstehe. Aus irgendeinem Grund bin ich der einzige, der begriffsstutzig ist. Oder ich bin der einzige, der sich von dieser Begriffsstutzigkeit aufhalten und zerstören lässt anstatt daraus irgendetwas produktives zu machen. Wenn ich meinen Zweifel Ausdruck verleihen möchte, dann kommt nur unverständliches Gebrabbel heraus, wie bei einem Baby, das die Sprache noch nicht gelernt hat. Andere, die cleverer sind als ich, gelingt es die fantastischen Kritiken zu entwickeln. Ich liege dagegen auf dem Boden und versuche mich nicht von meiner Panik vor dem Kapital ersticken zu lassen.

Ich wünschte, ich wäre tot. Es ist jeden Tag so. Soweit, so normal. Aber ich fühle und denke so, weil ich mir kein Leben vorstellen kann. Ich weiss nicht, was das Leben sein soll und was es mir geben kann. Was habe ich denn zu geben? Gar nichts. Ich bin einfach nur erschreckend, öde, schwierig, leer, arm, weinerlich, unstoppbar idiotisch, beschränkt, unfähig, nutzlos, abgrundtief verkommen. Ich stehe mir im Weg. Ich stehe anderen im Weg. Ich rede Unsinn und habe nichts zu sagen. Ich bin so deplatziert und überflüssig, dass ich es kaum in Worte fassen kann. Heute soll ich auf eine Feier gehen, aber ich weiss nicht wie man feiert. Ich finde keinen Grund zu Feierlichkeiten, obwohl es um den Jubel der Geburt einer Person geht, die durchaus viele vernünftige Sachen gesagt hat. Aber ich denke nur an die Toten, die jeden Tag aufgrund von gesellschaftlichen Mängeln sterben müssen. Und ich frage mich, wann ich an der Reihe bin. Ich hatte Glück, dass es mich nicht so früh, wie die anderen armen Teufel getroffen hat. Aber irgendwie auch Pech, weil ich so lange auf das Ableben warten muss. Es ist absolut uninteressant darüber nachzudenken. Es ist Selbstmitleid und Verkommenheit. Belangloses Nichts. Es gibt kein Ende. Ich muss mich mit der Warterei begnügen.

Erst bemerke ich die Geistlosigkeit der Welt, der Mitmenschen und dann bei mir selbst. Ich denke, dass alles zu spät ist. Der Moment, wo ich etwas hätte ändern können, muss vor Jahren gewesen sein. Aber vor Jahren hatte ich diesen Moment in die Zukunft verlegt. Wenn ich älter bin, dachte ich, wüsste ich, was zutun wäre. Ich müsste nur, ja, was? Die Zukunft hätte es zeigen sollen, aber sie hat mir nur den stummen Schmerz gezeigt. Wenn ich zugebe, dass ich aufgegeben habe, hat das viele Konsequenzen. Ich muss den Kontakt zu den wenigen Leuten abbrechen, mit denen ich überhaupt noch spreche und denen ich zuhöre. Ich muss sie vor mir schützen. Einerseits möchte ich nicht, dass sie von mir enttäuscht sind. Aber die Enttäuschung wäre sowieso gering und schnell vergessen. Andererseits möchte ich nicht, dass ich mit meinem Scheitern ein Thema bei ihnen werde. Ich möchte einfach verschwinden. Ansatz-, erinnerungs- und wortlos. Es ist das letzte echte Bedürfnis, was mir geblieben ist. Ich will keine Rolle mehr in irgendeiner Form spielen.

Man kann aber nicht spurlos verschwinden. Ich weiss nicht wohin ich gehen soll. Ich weiss nicht wie ich leben soll. Ich habe alles probiert, was ich denken konnte. Ich bin ratlos und rastlos. Ich kann nur noch mehr Schäden bei mir selbst anrichten. Eindeutig bin ich zu beschränkt mir etwas vernünftiges aufzubauen. Ich überlege, wenn die ersten Suizidgedanken am Morgen vergangen sind, zur Lebensberatung zu gehen. Aber dort wird man mich auch wieder nur anstarren und mit Plattheiten verjagen. Ich weiss, dass die sozialen Strukturen in dieser Gesellschaft alle unterfinanziert sind und das qualifizierte Personal extrem selten ist. Ich muss die Nadel im Heuhaufen finden und das unter enormen Zeit- und Kostendruck. Ich habe noch nie eine solche Nadel in der Vergangenheit gefunden. Wenn man einen guten Rat gebraucht hat, ist er nie gekommen.

Ich habe mir verboten, zu schreiben. Aber ich habe nie aufgehört dieselben nutzlosen Gedanken zu denken. Jetzt schreibe ich sie auf und vergleiche sie. Ich vergleiche, obwohl ich schon verglichen habe. Ich sehe, dass ich dasselbe denke und schreibe, wie ich das immer tue. Und dann merke ich wieder, dass da nichts Neues entsteht. Ich drehe mich um mich selbst bis mir schwindelig wird. Und wenn ich dann umfalle, ohnmächtig werde und später wieder aufwache, dann mit dem Wunsch, das diese ewigen Wiederholungen aufhören mögen. Es ist langweilig. Ich bin so langweilig. Mir fällt nichts ein. Ich habe keine Ideen, keine Wünsche, keine Hoffnungen mehr. Aber das klagen darüber ändert nichts. Wie bin ich nur in diese Sackgasse geraten? Womit habe ich das verdient? Ich bin wohl nur noch mit Medikamenten ruhig zu stellen. Eine erzwungene Ruhe von Außen muss mich im Leben halten, – was für eine Farce. Aber ich glaube nicht, dass es solche Wundermittel gibt.

Ich warte auf ein Wunder. Ich warte darauf, dass die Zeit vergeht. Am liebsten würde ich nur noch schlafen. Der Staat und das Kapital verbietet mir das aber. Wahrscheinlich könnte ich meinen Willen durchsetzen, wenn ich jegliche Höflichkeit verliere. Ich habe dieser Feier heute auch nur zugesagt, weil ich höflich sein wollte. Aber ich habe da nichts verloren. Ich werde wieder um Optimismus ringen, um die Leute nicht zu verschrecken. Ich bin den meisten nicht plausibel. Und ich gebe ihnen recht. Ich habe kein Plausibilität in mir. Ich bin verkorkst. Ruiniert. Verloren. Verstummt. Ich habe lange darüber nachgedacht. Aber ich finde keine Lösung. Ich kann mich nicht selbst aus dem Sumpf ziehen. Und wenn man selber das nicht kann, dann kann es niemand. Niemand kennt einen besser als man selbst. Man muss schon auf Wunderheiler treffen, aber die sind in der Realität nur Scharlatane.

Ich selbst empfinde mich auch als Scharlatan. Ich habe immer so getan als würde ich leben wollen. Aber eigentlich wollte ich immer auf der Stelle tödlich zusammenbrechen. Ich habe betrogen und gelogen und zwar in dem Sinne, dass ich mir und anderen vorgemacht habe, dass ich genau so sein will, wie ich gerade bin. Ich will aber nicht. Ich will weder so noch anders sein. Ich will überhaupt nicht sein. Immer wenn man existiert, muss man etwas dafür tun. Es wird erwartet, dass für die Gesellschaft etwas getan wird. Es wird erwartet, dass für die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse, wie wohnen und essen, die man selbst ja wohl kaum per Geburt für sich hochheilig erzwungen hat, weil man so egoistisch ist, gearbeitet wird. Ich muss nutzlose, uninteressante Scheisse betreiben, die mich alles hassen lässt, weil ich existiere. Natürlicher Weise ensteht da der Wunsch nicht mehr zu leben, um die Unendlichkeit der Forderungen zu beenden.

Gleichzeitig arbeitet man nicht nur für die Bedürfnisse von sich selbst, die man nie wollte. Sondern auch für die Bedürfnisse der anderen, die man auch nie wollte. Und dann muss man noch am häufigsten zuviel arbeiten, weil man ständig über den Tisch gezogen wird. Aber niemanden scheint das ernsthaft zu interessieren. Stattdessen ist es allgemein anerkannt und wer dagegen die Stimme erhebt, der hat es eben nicht verstanden. Ich weiss nicht, da wäre ich schon ganz gern gestorben. Aber es passiert halt nicht. Am Ende werde ich 100 Jahre und vielleicht noch älter. Der älteste Mensch der Welt, in der Geschichte der Menschheit, der gleichzeitig so alt geworden ist, weil er jeden Tag sterben wollte, aber nie den Mut hatte, sich endlich aus dem Fenster zu werfen. Meine größte Angst ist, dass ich, wie die letzten Jahrzehnte, ständig denselben Tag erlebe. Jeden Tag die gleichen Gedanken, die gleichen Situationen, die gleichen Gespräche, die gleiche Hoffnungslosigkeit.

Und dann sieht man die anderen Menschen, die alle ihrer Routine nachgehen. Klar, einige sehen beschädigt aus. Aber andere sind regelrecht euphorisch und sprühen nur so vor Tatendrang in einer belanglosen Existenz inmitten eines unendlichen Universums, welches sich komplett gleichgültig gegenüber solchen Personen verhält. Sie bauen sich eine Karriere auf, ein Haus, eine Familie, einen Garten. Fliegen in den Urlaub. Musizieren. Lesen und schreiben. Alles wunderbar. Und ein paar Meter weiter bettelt einer, um eine handvoll Euro, die er von genau diesen Leuten nie bekommt. Es ist als ob die verkrachten Existenzen und die Erfolgreichen in völlig verschiedenen Welten leben. Aber tatsächlich leben sie in der gleichen. Die Bettler werden verjagt wie die Fliegen und die Erfolgreichen, die hier wohl der Scheisshaufen sind, tun so, als hätten sie nichts mit ihnen zutun. Ich habe das nie verstanden.

Alle sind immer so beschäftigt. Sie haben Projekte, Pläne und Arbeiten. Sie verdienen Geld. Aber wofür? Woher wissen sie, dass das irgendwas bringt? Ständig gibt es Krisen, Verschuldung und Hungertod. Also, das was Millionen Leute machen, funktioniert de fakto nicht. Das Problem der Gesellschaft wird immer nur vertagt. Wie die Klimakonferenzen. Jaja, es wird schon noch besser, keine Sorge. Und dann bleibt es doch so wie es ist oder ist eigentlich noch schlimmer. Viele Schwierigkeiten bestehen seit Jahrzehnten und es gibt keine große Menschenmenge, die das fundiert angeht. Es gibt nur Verzweiflung, Eitelkeit und Unfähigkeit. Die wenigen Talentierten, die nicht in diesem Sumpf untergehen, können trotz ihrer Fähigkeiten auch nichts daran ändern. Sie probieren ganz individuell Höhenflüge zu absolvieren, unabhängig vom Elend der Masse. So oder so, es bleibt wie es ist und doch ist alles viel schlimmer geworden. Ich beobachte das seit Jahren. Gleichgültigkeit produziert sich dadurch.

Selbst wenn man sich an den Nordpol in eine Blockhütte zurückziehen würde, um auf das Ende ohne ein Wort zu warten, wäre der Kostendruck und die Zukunftsangst normal. So weit ist es schon gekommen. Oder ich übersehe die Tricks und Betrügereien, die möglich sind. Ich habe Angst vor der Zukunft. Ich weiss, was auf mich zukommt. Ich will nicht, dass es auf mich zukommt. Ich will es nicht erleben. Nicht schon wieder. Aber das flehen und betteln hat noch nie geholfen. Ich könnte mich radikal verweigern und jeglichen Respekt gegenüber der letzten Person verlieren, die ich aus irgendeinem Grund nicht enttäuschen will, obwohl ich kein vernünftiges Wort mit ihr wechseln kann. Ich weiss nicht, ob eine Verweigerungshaltung überhaupt durchhaltbar ist. Der Staat kann einem zu allen zwingen. Die finanziellen Mittel werden radikal zusammengestrichen bis man nur noch Essensmarken hat. Ich bin erschöpft. Ich habe keine Kraft mehr.

Ich denke an die Leute, denen es noch schlechter als mir ergeht. Ich kann mir nicht vorstellen, wie stark sie leiden müssen. Man sieht sie. Und weiss nie, wie man ihnen wirklich entscheidend weiterhelfen kann. Es gibt nur kleine Gesten. Und das wars. Die Vernachlässigung ist so allgemein, dass sie mich erschlägt. Ich kann mir nichtmal selbst helfen. Wie konnte ich jemals glauben, dass ich etwas an dieser Welt ändern könnte? Wieso hatte ich jemals Hoffnung? Als Kind hatte ich schon ein paar Mal Suizidgedanken und habe sie verworfen, weil ich dachte, dass die Zukunft mir schon noch einen Grund zum Leben liefern wird. Ich wollte neugierig sein. Ich wollte dem Leben eine Chance geben, weil ich wusste, dass es noch zu früh ist, um es zu verwerfen. Ich hatte leise Ahnungen, wie das Leben sein könnte. Aber ich ahnte nicht, wie ich scheitern würde, wie sich alles krum und schief entwickeln würde. Wie alles zerstört wird, in sich zusammenfällt und wie darauf wiederum neue Trümmer entstehen, die dann das Leben ausmachen.

Die meisten halten sich auf Betriebstemperatur. Immer schön betriebsam sein. Pläne haben, reisen, arbeiten, feiern. Der Moment, wo man innehält, darf nicht eintreten. Wenn man das tut, so bin ich mir sicher, würde man in Selbstzweifeln ertrinken. Ich tue das gerade. Ich verstehe viel davon. Die Leute möchten sich in vielen Fällen nicht an ihre eigene Mangelhaftigkeit und Unfähigkeit erinnern. Die Sinnlosigkeit ihrer Alltäglichkeit wird von ihnen selbst in der Regel nicht ins Bewusstsein gerufen. Es wird permanent von Selbstverständlichkeiten ausgegangen, die auch tatsächlich existieren, aber nur, weil sie als solche von den Menschen selbst produziert werden. In Wahrheit gibt es keine Rationalität hinter dem Geld oder dem Staat oder dem Konzern. Es ist im Grunde eine allgemein anerkannte Lüge, die dadurch wie eine Wahrheit fungiert. Und weil das so ist, kommt das Grauen im Alltag ganz normal vor. Und es ist für die Leute auch normal, dass alles grauenhaft ist. Sie jammern und sterben ja auch den ganzen Tag. Und gelegentlich bricht Aktionismus los, der noch mehr Unsinn anrichtet.

Ab einem gewissen Punkt sehen wir alle weg. Ich sehe, dass man den Problem nicht mehr gerecht werden kann. Es ist nicht nur mein Leben, welches nur noch aus Problemen besteht. Sondern das gesamtgesellschaftliche Leben ist so. Da ist es ein Problem, wenn man nicht damit leben kann. Ich kann aus der Problematisierung dieser Lage aber auch keinen Beruf entwickeln. Ich habe es probiert. Ich habe nicht die Fähigkeiten dafür. Ich kann keine Höhenflüge vollziehen. Ich bin kein Vermittler von Lösungen und Ideen. Alles was ich beobachte, haben schon Millionen andere beobachtet. Es wurde schon von unzähligen Leuten auf den Punkt gebracht. Aber es hat nie etwas geändert. Ich denke, dass wir alle verloren sind. Manchen ist es bewusst, manche verkörpern es sogar. Ich glaube, dass Obdachlose die Verlorenheit der gesamten Welt personifizieren. Und genauso jedes verhungerte Kind. Lösungen gibt es keine. Es gibt nur die unendliche Geschichte der Jammerei und Sabbelei. Die einen kommen intellektuell, die anderen verzweifelt daher.

Ich bin unendlich müde, obwohl ich geschlafen habe. Ich werde den heutigen Tag wieder irgendwie überleben müssen. Es ist eigentlich noch einer der besseren. Ich habe mich von allem freigemacht. Abgesehen von dieser Feier. Aber der Tag ist getrübt, weil er einer der letzten seiner Art sein wird. Es sind nur noch wenige Momente bis das Geschrei wieder anfängt. Ich werde mich wieder sehr quälen müssen. Ich habe die Jobportale durchforstet und nur langweiligen und irren Schrott gefunden. Ich weiss nicht wohin mit mir. Ich kann niemanden anlügen. Ich zeige meine Verachtung und Unfähigkeit ganz offen. Ich finde mich auch nicht gut. Ich bin ekelhaft. Ich bin ohne Intension derart zugrunde gegangen. Ich hatte ein paar Chancen im Leben. Aber ich konnte sie nicht ergreifen. Sie erschienen mir nicht richtig. Aber hätte ich sie ergriffen, würde es mir wahrscheinlich jetzt besser gehen. Oder auch nicht. Vielleicht wäre ich schneller verbraucht gewesen. Ironischer Weise war das, was ich immer gehasst habe, was mich ruiniert hat, noch das beste, was ich je kriegen konnte. Man kann immer noch tiefer sinken im Leben, daran hatte ich nicht gedacht.

So gerne würde ich spurlos verschwinden. Aber es gibt immer einen Preis den man bezahlen muss. Und er ist zu hoch. Jetzt muss ich mich wieder mit Durchhalteparolen begnügen. Mir fallen keine ein. Ich überlebe wohl nur, weil ich so vieles vergesse. Ausblenden, verdrängen, verleugnen, vergessen. Es ist wirklich alles weg. Alles was ich mal sein wollte und was ich mal war. Alles was vielleicht mal liebenswert oder bemerkenswert war. Ist verschwunden. Unrettbar vergangen. Ich denke, wenn man irgendwann diese Zeilen jemals finden sollte, wovon nicht auszugehen ist, dann wird einen nicht wundern, warum ich verschwunden bin. Denn im Grunde war ich nie wirklich da. Ich hatte vielleicht Milisekunden. Momente, in denen ich jemanden was bedeutet habe und wo ich ähnlich empfand. Aber es hat sich sofort wieder relativiert und ist in Vergessenheit geraten. Es gibt ja immer andere, die mehr von allem bieten. Oder so glaubt man, oder so glauben andere. Was können Menschen schon einander geben? Ich habe nie einen Halt in ihnen gefunden.

Ich war so naiv zu glauben, dass ich in diesem Leben ankommen würde. Ich weiss gar nicht, ob ich wirklich daran gelaubt habe. Ich habe es mir wohl eingeredet und vorgemacht, um überleben zu können. Ich muss mich zurückziehen aus der Politik. Sie macht mich krank. Ich muss mich zurückziehen aus der Ökonomie. Sie macht mich krank. Aber wohin? Ich muss Rechnungen bezahlen, ob ich will oder nicht. Also möglichst alle Kosten reduzieren und dann..? Ich habe zuviele Kosten. Ich bin zu teuer. Es ist nicht zu glauben. Man kann sich nicht so klein machen, dass man überleben kann. Und trotzdem wird man ständig übersehen, wenn man Hilfe braucht. Andererseits, wenn man zahlen soll, dann sieht einen jeder. Jeder verlangt etwas, aber zurück kommt in der Regel nie etwas. Ich stecke in dieser Sackgasse fest, in die ich mich aus Verblendung selbst hineinbewegt habe. Die Verblendung hat immer noch eine gewisse Berechtigung, sie enthält schliesslich die Hoffnung auf ein besseres Leben. Aber die Realität ist: Dieses bessere Leben wird nie eintreten.

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Wie am ersten Tag

Ich habe mir verboten länger zu denken oder zu schreiben. Seit Jahren wiederholen sich die selben Worte und Vorstellungen. Am liebsten würde ich mir verbieten zu leben. Es ist ein Missverständnis: Ich und das Leben. Es sieht so aus als ob die gesamte Welt für einen blinden Zweck existiert oder zumindest für einen Zweck den ich nicht sehen oder teilen kann. Ich kann keinen Alltag in dieser Gesellschaft bewältigen, weil sie mir diktiert etwas zu sein, was ich nicht sein kann. Ich bin nicht nützlich. Ich bin nicht profitabel. Und ich bin auch nicht an irgendeine Form von Karriere interessiert. Ich leide an der blanken Existenz. Ich bin nicht interessiert. Mich interessiert gar nichts mehr. Ich habe alles gesehen. Ich habe alles probiert. Ich war mutig. Ich war tapfer. Und alles was ich bekommen habe, waren noch mehr Forderungen. Es erinnert sich niemand mehr an das, was ich geleistet habe. Auch ich selbst habe das vergessen. Es spielt keine Rolle mehr. Es zählt nur der gegenwärtige Arbeitstag. Bringst Du Leistung oder nicht? Ohne Leistung wirst Du gepeinigt. Und wenn Du Leistung bringst, peinigst Du dich selbst.

Ich sehe keinen Sinn mehr. Ich kann nicht mehr so tun als gäbe es einen. Ich bin nur älter geworden. Wir alle sind nur älter geworden. Ansonsten ist alles gleich im Rahmen einer Maschine, die alles schlimmer macht. Ich bin absolut ratlos. Ich wüsste nicht, was ich noch denken oder tun soll. Ich habe aufgegeben aber der Krieg geht dennoch weiter. Und was jetzt? All die Jahre wurde beklagt, was ist. Niemand hat sich das angehört. Und wenn, hätte sowieso jeder erkannt, dass es nicht reicht. Die eigene Unfähigkeit hat ihren Beitrag zu dieser ausweglosen Lage gebracht. Ich wüsste nicht, was ich dazu noch schreiben soll. Ich hatte mal Hoffnungen. Aber sie sind vorbei. Sie können nicht bestehen. Ich hatte Erwartungen an mich selbst, die ich alle verfehlt habe. Ich enttäusche mich selbst und werde enttäuscht von dem was existiert. Ich bin enttäuscht von mir und dem Rest der Welt. Es wird sich nicht ändern. Ich lese alte Texte durch. Und sehe: Es war vor 5 Jahren grausam. Es war vor 10 Jahren grausam. Es war vor 15 Jahren grausam. Warum sollte es in Zukunft anders sein? Man hält durch und fragt: Wofür?

Leben im Kapitalismus bedeutet lebenslängliche Haft. Und niemanden interessiert das. Es ist wie es ist. Sei nicht so empfindlich. Such dir einen Job und halt deine Schnauze. Aber ich kann das nicht. Es ist falsch. Man kann beweisen, dass unsere Gesellschaftsordnung falsch ist. Sie ist so falsch wie früher die Behauptung, dass die Erde eine Scheibe sei. Nur scheint sich kaum jemand für diese Falschheit zu interessieren. Und es steht unter Strafe an dieser Unkenntnis und diesem Desinteresse zu rütteln. Ich sehe keinen Weg daran zu rütteln. Ich weiss es doch auch nicht. Was soll darauf folgen? Ich rate und rätsle herum und der Tag vergeht ereignislos. Ich kann ohnehin keine Ereignisse mehr ertragen. Ich kann mich selbst nicht mehr ertragen. Wenn die Welt falsch ist, dann bin ich es ebenso. Woraus soll ich die Wahrheit schöpfen?

Ich schaue seit Jahren auf den nächsten Tag und blicke ins Grauen. Es wiederholt sich, dass es für mich keine Perspektive gibt. Ich bin nur einer von Millionen den es so ergeht. Aber warum rührt das niemanden? Warum interessiert das niemanden? Weil Reden nicht hilft. Aus diesem Grund lohnt es sich nicht weiter zu denken. Die Gedanken werden nicht gehört. Das Denken hat sich selbst abgeschafft. Unser Alltag besteht nur noch aus Gehorsam gegenüber einen unhinterfragten Funktionalismus, den Generationen vor uns ausgelöst und vorangetrieben haben. Es bringt nichts darüber zu schreiben. Es interessiert keinen. Die Leute haben kein Interesse daran ihr Leben zu hinterfragen oder zu kennen. Es soll funktionieren. Für sie. Sie brauchen eine Perspektive innerhalb dieser Logiken und alles ist gut. Ich stehe am Rand dieser Gesellschaft und kann nicht mehr in ihr existieren. Ich habe es versucht. Nun treibe ich nur noch vor mich hin. Aber das Ende kommt nicht. Es will einfach nicht enden. Und so werde ich in immer neue Katastrophen verwickelt mit denen ich nichts zutun haben will. Von denen ich noch nichtmal weiss. Gleichzeitig muss man so tun, als wollte man all das. Oder muss man es überhaupt? Es gibt niemanden gegenüber dem man sich rechtfertigen müsste, denn die Falschheit kommt doch nicht von mir. Oder bin ich inmitten einer Psychose? Ich wünschte, es wäre so.

Es gibt keine Ahnung, wie ich das fortsetzen soll. Ganz nüchtern und rational betrachtet, war es das. Es ist alles gesagt. Es wurde von anderen sogar noch besser gesagt als ich es je könnte. Aber es ändert nichts. Die Katastrophe geht weiter. Immer weiter. Und aus irgendeinem Grund überlebt man das. Vermutlich aus Zufall. Ich bin absolut untröstlich, hoffnungslos und antriebslos. Ich habe keine Ideen. Und ich möchte mich nur noch zurückziehen. Ich will von nichts mehr wissen. Und ich will kein Wort mehr hören. Nichts ist mehr reizvoll oder von belang. Die Wahrheit ist, dass es vorbei ist. Und nichts kommt mehr zurück. Man kann sich darüber aufregen oder amüsieren. Aber es hört sowieso keiner zu. Es reicht nicht für mehr. Weder bei mir noch bei anderen. Alle Bemühungen waren umsonst, so wie das Leben selbst. Das ist der Ausverkauf an die Bitterkeit und den Zynismus, schätze ich. Aber mir ist klar geworden, dass ich es nicht besser kann. Ich bin unfähig. Ich weiss nicht, in welchem Ausmaß dies auf andere Menschen ebenso zutrifft. Aber ich weiss mit Gewissheit, dass ich verloren bin. Es gibt keinen Halt mehr. Ich wüsste nicht wofür ich noch existieren sollte. Und wahrscheinlich gab es ohnehin nie einen Grund dafür. Das man einfach nur existiert, kann man für unproblematisch befinden. So ist es auch. Aber wenn das gesellschaftliche Leben grauenhaft ist, wird es unerträglich. Keine Sekunde ist mehr möglich.

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Das Ende aller Träume

Es ist endgültig. Ich habe nicht die Fähigkeiten, die Möglichkeiten und das Wesen in der Welt irgendeinen positiven Einfluss zu nehmen. Es spielt keine Rolle, was ich denke oder sage oder tue. Es ist Unglück. Man mag darüber den Kopfschütteln und behaupten, dass dem nicht so wäre. Alles sei doch halb so wild. Das wird schon wieder. Nein, wird es nicht. Nein, alles ist viel schlimmer. Ich habe auf allen Ebenen in meinem Leben versagt. Ich weiss nicht wie man leben soll. Mir fällt kein Beruf ein, den ich ausüben will. Mir fällt kein Mensch ein, mit dem ich reden will. Ich will mit mir nichts zutun haben. Und alles andere ist mir gleichgültig. Das war es. Endgültig.

Ich bin ruiniert. Ein Neuanfang würde nichts ändern. Es wäre nur eine andere Form von Ruin. Ich kann auf keine Art und Weise daruber sprechen. Es gibt kein Verständnis dafür. Es hört niemand zu. Ich verstehe auch wieso niemand zuhört: Weil es irrelevant ist und sich sowieso nichts ändert. Ich habe immer allein gelebt. Und ich gehöre in die Einsamkeit. Aber nirgends ist das möglich. Ich bin zu arm, um mir das leisten zu können. Ich bin dazu verdammt ein unglücklicher Versager zu sein, der von allen getreten oder ignoriert wird. Das kenne ich schon ewig so. Ich habe immer darüber gelächelt. Ich weiss nicht mehr weiter. Es hilft nichts mehr.

Wenn es keine Idee oder Richtung mehr gibt und jedes Wort zuviel ist, kann ich nur sagen, dass ich aufgebe. Ich bin erledigt. Ganz und gar. Ich habe keinen Schimmer Hoffnung mehr in mir. Ich bin restlos vernichtet. Diese Welt hat mich ausgesaugt und das obwohl oder gerade weil ich bedeutungslos bin. Es gibt nichts mehr zu sagen. Ich habe aufgegeben. Aber das Leben geht weiter als wäre nichts geschehen. Alle essen in Restaurants, feiern ihre Geburtstage und sind glücklich. Ich wäre am liebsten tot. Tja, der Tod ist aber auch scheisse.

Da sieht man mal wieder, wie es keine Lösung für irgendwas gibt. Ich hätte nie existieren dürfen. Ich frage mich, wann ich endlich den Mut aufbringe es zu beenden. Wenn alles egal ist, dann auch der Tod. Vielleicht sollte ich aber noch warten bis die erste Verwandtschaft verstorben ist? Höflich sterben, das muss wohl sein. Ich habe nicht das Format zu leben also ist das mit dem sterben genauso. Was bin ich doch für eine erbärmliche Kreatur? Und doch soll ich arbeiten gehen für dieses Leben. Ich wüsste nicht wofür. Ich habe versagt. Ich kann es nicht mehr. Es war ohnehin nie gut genug. Und jetzt werde ich alt. Es ist erledigt.

Ich bin ein schrecklicher Mensch. Ich habe nichts zu sagen. Ich bin so extrem durchschnittlich. Ungenau. Umständlich. Unreif. Das ist einfach nicht auszuhalten. Es geht immer so weiter. Jahr für Jahr, klage ich darüber wie ekelhaft alles ist. Und alles wird nur schlimmer und schlimmer. Es ändert sich für mich gar nichts. Ich wechsle nur die Formen des Elends. Ich habe von Anfang an den Fehler gemacht zu glauben, dass ich etwas ändern kann. Ich habe geträumt. Und das war der Fehler. Wieso habe ich geglaubt, dass ausgerechnet ich etwas anderes verdiene als alle anderen? Ich habe mir eingeredet, dass ich auch für andere kämpfe. Aber die wollen das gar nicht. Ich habe für nichts gekämpft und geredet. Mein Leben ist ein Schlag ins Wasser. Es wird vergehen und mein Jammer ebenso. Keiner erinnert sich daran. Wozu auch? Jede Erinnerung wäre nur schrecklich.

Ich werde mich brav eingliedern in die Arbeitsmaschinerie. Und allen recht geben, die eigentlich falsch liegen. Denn ich bin zu verkommen gegen sie zu stichhaltig und in kurzer Zeit zu argumentieren. Ich muss bis zu meinem letzten Tag ignorieren, dass alles falsch ist. Ich muss vergessen, wer ich sein wollte. Ich war überheblich, vernarrt und ahnungslos. Ich kann froh sein, wenn ich die Jobs ausüben darf, die mir früher verhasst waren. Aber ich werde nie wieder froh sein. Wüsste nicht, was froh sein überhaupt bedeutet. Ich habe verloren, ohne je gewonnen zu haben. Alles was mir bleibt, ist Katzenjammer und Selbstmitleid. Ich stehe mit leeren Händen da. Ich gehöre nicht dazu. Ich kann es nicht. Ich werde es niemals sein. Die Zeit heilt keine Wunden. Ich bin für immer verloren.

Ich habe Angst, ich bin traurig und allein. Ich habe darüber keine Emotion. Aber ich weiss, wie man sich fühlen sollte. Die eigene Verstümmelung ist mir unsichtbar. Ich erkenne sie in der Irritation der anderen Menschen. Sie stutzen. Ihnen fällt etwas auf. Aber sie sagen nicht was. Sie reden nicht mit mir. Sie haben keine Zeit dafür. Keine Zeit für mich. Ich verdiene keine Hilfe. Ich bin unsichtbar. Andere Menschen und Projekte sind immer wichtiger. Ich kann an den Projekten mitarbeiten, aber bezahlt werde ich natürlich nur ganz gering, obwohl der Aufwand irre ist und sich nirgends veredeln lässt. Das Ehrenamt soll einem Lohn genug sein. Keine Bezahlung wäre hoch genug, um diese Existenz länger auszuhalten.

Ich muss einsehen, dass ich Lebensmüde bin. Ich habe das Leben so satt. Ich halte mich nicht mehr aus. Und alle anderen genausowenig. Es wird kein Wort etwas ändern können. Es war schon immer so. Ich habe mich lange abgelenkt, aber mir fällt nichts mehr dazu ein. Alles ist langweilig. Ich werde dem Leben nicht mehr gerecht. Mir wachsen die Dinge über den Kopf und ich bereue jemals gelebt zu haben. Ich werde mich in Schweigen hüllen und wie die anderen so tun als wäre alles in Ordnung. Ich werde hungern. Ich werde aufhören zu atmen. Ich werde versteinern und zerfallen. Es hat schon bei anderen, denen es ähnlich erging, schon keinen interessiert. So geht es auch mir. Ich bin einer von Millionen Schatten.

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Gewissheiten

Geboren in einem Land, das nicht mehr existiert. Geboren worden aufgrund einer Liebe, die nicht mehr existiert. Großgezogen worden in einer Familie, die nicht mehr existiert. Geliebt worden von einem Menschen, der nicht mehr existiert. Geflohen über sämtliche Grenzen. Nie angekommen. Nie willkommen. Nie erwartet irgendwo anzukommen. Und den Schmerz angenommen wie Atemluft. Schlachten verloren. Leben als Scheitern. Schon als Kind schmeckte alles nach Blut. Jeder Schritt auf Treibsand. Erstickendes Gas zwischen Autobahn und Flughafen. Zwischen Schule und Industriegelände wirkt nur die Herabsenkung lebendiger Anteile. Lebensrealität als Alptraum. Zwischen den Stühlen bis in alle Ewigkeit. Trägheit, Trübsal, Irrsinn und Verwirrung. Und wenn verloren wird ohne zu kämpfen, dann ist jeder Schlag tödlich. Doch die Existenz geht weiter. Ob es grausam ist oder nicht. Es findet statt. Nicht gehört werden, nicht die Worte finden, die Laute vergessen und schliesslich komplett auflösen. Schikanen voller Minenfelder. Taumelnd durch Ruinen. Immer die gleichen Wiederholungen. Jahre hätten ausgelassen werden müssen. Das Alter, Fettwerden, gefaltet werden im brennenden Alltag. Versteinert werden. Betrogen werden. Versunken im Ersticken. Im nahtlosen Versinken. Schläge aus dem Nichts. Explosionen aus dem Nichts. Es regnet Leichen und man applaudiert. Generation Blut. Hoffnungslos. Ahnungslos. Taubstumm. Grau voller Rum. Hätte mir was anderes gewünscht. Unbestimmbar.

Es ist entlarvend. Keine Richtung zu sehen. Keinen Weg zu kennen. Freier Fall. Abgetrieben auf unbekannten Gewässern. In Trümmern geschlagen. Überhaupt vernichtend geschlagen. Kraftlose Mutlosigkeit. Besinnungslose Dummheit. Trockene Verwüstung. Verwüsteter Schwindel. Schwindelige Müdigkeit. Unentrinnbares Chaos. Chaotische Ordnung. Permanente Umwälzung für die Etablierung des zerstörerischen Status Quo. Unbewusste-bewusste Evolution der personfizierten Involution. Vergessen im Erinnern. Erinnern im Vergessen. Zerfallen ohne zu bestehen. Brennen von allen Seiten. Bestehen für das Nichts. Sich selbst verwandeln in das Nichts bis man selbst alles ins Nichts verwandelt. Wunschloses Unglück. Begriffslos sprechend. Nichtssagend agierend. Verwirrend gesprochen. Unintendiertes Unheil. Potenzierung des Elends mit der Routine der Alltäglichkeit. Beliebiges Schicksal. Umsonst gelebt. Umsonst verschwendet. Verschwendet um verworfen zu sein. Grundlos. Ursache der Existenz nur in Beliebigkeit gegründet. Die Beliebigkeit der zufälligen Liaison. Alkohol blutete das Leben nicht weg. Es existierte. Schroff. Unbarmherzig. Unkraut, das nicht vergeht. Auf dem Wüstenplanet. Das Minenfeld der matten Glücklosen in alpraumartigen Grauklötzen besteht in ihnen, wenn sie sprechen und agieren. Es interessiert sie nicht. Nichts ist von Interesse. Irrtümer, Katastrophen, Wahnsinn und Traumlosigkeit in den Sümpfen der Ewigkeit. Das Los ist ein endloser Marathon durch das sauerstofflose Pech. Gluckernde brennende schwarze Straßen brennen sich ins Gemächt. Das Gehirn schmilzt und gerinnt durch die Augenlöcher in den Dreck. Es kann niemand hören. Nichts findet Gehör. Köpfe platzen. Pickel platzen. Eis platzt. Das Packeis packt alles ins weisse Grell, zerschneidet in Hell, was nicht schnell verwelkt. Und was hell, das ist Blitz. Atombombenblitz. Der letzte Pilz. Zischen. Dröhnen. Klappern. Überrollt werden. Alles fährt weiter. Zieht weiter. Der Schmerz zieht weiter tief in die Seele. Kriecht in die letzten Winkel und frisst das Leben auf. Eitert jede Fläche voll und platzt in Blutgedärmen heraus in das gesellschaftliche Nichts aus Kälte, Abgasen und Sachzwängen. Keiner liest das, keiner sieht das. Die Treppen sind aus Leichen. Sie ebnen teamfähig den Weg zur Eigentumswohnung. Das war schon bekannt. Es gehört zu jeder Kindheit. Das Bluten. Das Eitern. Das Zertrümmern. Das Vergessen. Das Versteinern. Darin gefällt man sich. Darin verbrennt man sich. Das Brennen. Das Scheitern. Die Gewissheit sich zu demolieren und zu ruinieren je weiter die gesellschaftliche Lebenszeit voranschreitet. Da ist keine Hoffnung, kein Gedanke, kein Gefühl, kein Moment. Das Nichts ist nicht nichtig genug. Es ist noch weniger als nichts. Die Zeit heilt alle Wunden, weil sie woanders Wunden blutig schlägt und nicht jede Wunde offen und salzig halten kann. Ich habe gelacht, ich habe gedacht, gegessen, geschlafen und geraten. Es ging nicht anders. Das Leben ist ein Verhängnis. Unentrinnbar. Verwoben im strömenden Fluß der ambivalenten Gleichgültigkeit. Der Zynismus der Verhältnisse ist Wesenskern der Individualität. Unermessliches Leid steckt in jeder Lebenssekunde. Die Unendlichkeit des Sternenhimmels wirkt klein dagegen. Undenkbar was Schmerz bedeutet. Wir schwimmen darin und sind daraus hervorgegangen. Bringen es hervor, weil wir uns bewegen. Das Leben ist eine Wunde und sie ertränkt mit ihrem Blut. Gebrochen erbrochen. Versprechen gebrochen. Es sind nur noch Scherzgedanken möglich. Nichts funktioniert mehr. Alles ist der Lächerlichkeit preisgegeben. Bedeutung findet nur noch im Witz statt. Die Existenz bewegt sich wie ein Idiot im Kreis. Jahrhunderte an einer Stelle wird sich gedreht, um die eigene Achse. Es ist unbekannt, was relevant ist. Das festhalten aneinander zieht in die Tiefe. Aber allein ist die Tiefe gleichgültig ähnlich vorhanden. Sachlich notiert. Abwartend. Es passiert nichts. Es gibt keinen Unterschied. Stabilität existiert in der Krise nur die Schwerkraft.

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Verlorenheit & Untiefe

Das Ende ist gekommen. Man mag sich das nicht vorstellen. Aber der Alltag zeigt es immer wieder. Nichts funktioniert. Nur der Anschein, die Verdrängung und die Verklärung und das Vergessen bringt den Tag und die Nacht rum. Aber nichts davon verfängt sehr lang. Die Stiche gehen sekündlich weiter wie seit Jahren und Jahrzehnten und so wird es immer sein. Der Pessimismus wechselt sich mit dem Nihilismus ab. Es ist verloren. Alles war schon immer verloren. Widerstand ist undenkbar, weil er irgendwo in irgendeiner ständig wechselnden Abstraktion existiert. Die Komplexität stürzt in einen hinein, wälzt einen um und nie ist man klar im Kopf. Das einzige was sich verändert und nähert ist die Kürze zum Tod. Aber Glück ist das auch nicht. Ich spüre es bis auf die Knochen. Alles ist verloren. Restlos vergeudet. Alles ist falsch. An nichts lässt sich halten. An niemand glauben. Es bringt nichts zu arbeiten, zu argumentieren oder zu atmen. Die Sinnlosigkeit der sinnlosen Gesellschaft ist so greifbar wie das Nichts. Die unendliche Trostlosigkeit hat eine unstillbare Wunde ausgelöst. Das schwarze Bluten ertrinkt alles. Ich hätte es beenden sollen beim ersten Stich. Das wars für mich. Nie gab es eine Chance. Die Verlorenheit diktiert sogar, dass jeder Gedanke und jede Emotion jenseits der Kapitalakkumulation, überflüssig ist. Man glaubt es mit jedem Tag stärker. Man weiss es sogar. Nichts hat einen Wert außer der Tauschwert. Und alle Knochen werden jeden Tag tausendfach erneut gebrochen. Das wars. Ob man sich fügt oder nicht, macht keinen Unterschied. Es ist verloren, weil es schon immer verloren war. Die Gedanken reichen nicht aus. Nichts reicht aus. Die Gefangenheit der blanken Existenz lässt sich nichtmal mit Suizid beenden. Es würde alles nur noch schlimmer machen. Irrsinn. Alles ist Irrsinn. Manifestationen der blinden Verkehrung richten einen zugrunde. Schläge aus dem Nichts. Stiche aus dem Nichts. Das Bluten spritzt aus einem heraus, einem entgegen. Alles ist voller Schatten. Der Geruch der Bombenkrater vermengt sich mit den verdorbenen Leibern von anonymen Zeitgenossen. Das wird nichts mehr. Es war ohnehin schon entschieden von der Blindheit aller Handlungen. Das Ersticken, Verstummen, Verdummen geht endlos weiter. Protokolle sind zwecklos. Keiner liest sie. Keiner versteht sie. Keiner will sie. Der Alltag ist das ultimative Grauen. Worüber trauern, wenn alles brennt? Ich hätte es beenden sollen. Aber es gibt kein Ende im positiven Sinne. Das Leben ist das Ende. Das Leben verendet durch sich selbst. Wunden werden in Wunden geschlagen. Nichts heilt. Alles blutet. Die Blicke treffen nicht. Das Wort auch nicht. Das war es eben. Das Leben. Es endet hier. Und geht doch weiter, obwohl es schindet. Es ist nicht verständlich. Es ist nicht freundlich. Das sollte nie sein. Das wollte ich nie sein. Jetzt ist es verkommen und verstörend genommen. Jeder Gedanke geronnen zum beklommenen Entronnenen. Die Irritation hört nie auf. Das Trauma blüht auf. Ich bin weg. Ich bin nicht da. Ich war nie hier. Es gibt keine Erinnerung. Nichts zählt. Es ist nur Leid. Ich bin erschrocken, erstarrt und erstochen. Man kann nicht leben. Nur überleben. Aber nur für das Nichts. Keine Gesichter, keine Persönlichkeiten, keine Geschichten, keine Erfahrungen, keine Gefühle, keine Gedanken. Alles ist verschwunden. Die Simulation ist real, spielt das Leben nur vor. Gaukelt Realität vor. Aber da ist nichts! Es gibt nichts! Es wird immer so sein. Und das ist noch freundlich: Es ist fast egal geworden, ob gelebt wird, denn nichts ist belebt. Ratlosigkeit, Unkonzentriertheit und Schwäche. Das Ersticken in der Untiefe hört nicht auf.

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Auf der Suche nach der revolutionären Zeit

Die Lohnarbeit ist Ohnmacht, weil der Lohnarbeiter nicht über ihren Inhalt bestimmen kann. Weder was gebaut wird noch wieviel gebaut wird, noch warum es gebaut wird. Oder wieso überhaupt irgendwas betrieben wird. Der letzte Grund ist genauso jenseits der klaren Entscheidung des Lohnarbeiters wie ihre Form. Und nie ist sicher, ob das produzierte Produkt überhaupt Absatz findet. Die Spekulation und Krise wohnt jeder Sekunde Lohnarbeit inne.

Und dann gesellt sich zur Ohnmacht noch der Betrug. Der Lohnarbeiter bekommt nur einen Anteil des von ihm erwirtschafteten Gesamtprofits. Es ist Betrug, dass er nicht den gesamten Anteil bekommt. Der Betrug verdoppelt sich, da dem Lohnarbeiter die Produkte, die er herstellt, nicht gehören und er sie auf dem Markt zurück kaufen muss. Er bezahlt also vielfach drauf, mit seiner Zeit, seinem viel zu geringen Anteil am Profit eines Produkts, welches er auch noch zurück kaufen muss.

Aber das ist nicht alles. Zur Ohnmacht und dem Betrug kommt auch noch der Selbstbetrug dazu. Es geht hier nicht einfach um Arbeitsfetischismus, sondern um den Staat. Der Staat legt per Gewaltmonopol fest, dass die Lohnarbeit so ist, wie sie ist: Ohnmacht, Betrug, Spekulation und Krise. Aber der Staat hängt wie der Konzern vom Lohnarbeiter ab. Wenn der Lohnarbeiter keine Profite erarbeitet, geht der Konzern und Staat zugrunde. Insofern bezahlt der Lohnarbeit den Staat dafür, dazu gezwungen zu werden, dass er betrogen wird und ohnmächtig bleibt.

Nun ist es aber so, dass das Problem sich nicht lösen lässt, wenn man den Staat erobert, denn das würde nichts am Inhalt des Staates ändern. Und das Problem des Parlamentarismus liegt darin begründet, dass ein Stellvertreter die eigene Meinung wohl kaum so gut darstellen kann, wie der originelle Meinungsvertreter. Und der Konzern agiert so wie eine Henne, deren Kopf man gerade abgeschlagen hat. Alles was dem zugrunde liegt, der Warenfetischismus, wäre nur zu lösen, wenn das Geldrätsel gelöst ist.

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Unser täglich Gift gib uns heute

Lohnarbeit träufelt täglich Gift in alle Leiber. Das Grauen der Berufswelt liegt auch darin, dass man sich das Schweigen anerzieht und auferlegt. Das eigene Überlegen hängt davon ab, dem irrsinnigen Wahnsinn der Lohnarbeit nicht mit schrillen Schreien zu begegnen. Die Gewalt, die die Welt der Lohnarbeit jedem Einzelnen antut, wird im Laufe der Arbeistzeit erzwungenermaßen internalisiert und schliesslich richtet der Einzelne die gesellschaftliche Gewalt ganz selbstverständlich als Soldat des Kapitals gegen sich. Diese Delegation wird als Vernunft kommuniziert, obwohl sie blanke Unvernunft ist, schliesslich ist die Lohnarbeit auf einem blinden Verwertungsprinzip grundiert, welches der Mensch nie bewusst gesetzt hat.

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Die Situation des Revolutionärs

Wenn die Revolution nur über die Überwindung der Berufe zu ermöglichen ist, dann wird dafür schon jemand gebraucht, der bereit ist, alles zu risikieren. Mal abgesehen von dem Problem, dass so ein Mensch kaum noch existiert: Aber wofür riskiert der Revolutionär sein Leben? Woher soll er wissen, dass das Opfer, sich für eine andere Welt zu interessieren, sich lohnt? Er investiert die Zeit, Energie und sein ganzes Leben in eine andere Welt, die womöglich nie kommen mag. Im Grunde riskiert er sein Leben. Er könnte seine Zeit und Energie auch in den Beruf stecken und schauen, was er konkret für sich kriegen kann, anstatt hochspekulativen Ideen und Kritiken anzuhängen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Gosse enden. Die globale Konkurrenz ist immer besser ausgebildet, zugleich gibt es immer weniger Innovationen, die neue Märkte schaffen. Die gesättigten Märkte lassen die Profitrate fallen und damit intensiviert sich der Wettbewerb um die verbleibenden Marktanteile. Zeit ist Geld. Wer hier nicht jeden Tag in sein profitables Berufsleben investiert, verliert Geld und damit Lebensqualität. Der Kritiker verliert also automatisch Geld und Lebensqualität, wenn er inkommensurable Kritik leistet, obwohl sie die wichtigste Arbeit überhaupt ist. Aber nur über das höchste Risiko, also die Ablehnung der kapitaltypischen Berufsinhalte, wäre die Chance eines besonders kritischen Bewusstseins auszuprägen und am wahrscheinlichsten. Weil aber so gut wie niemand auf der Welt seinen Beruf aufgibt, um mittelloser Berufsrevolutionär zu sein, schon allein weil der Genuss und die Lebensqualität darunter leidet, bleibt die Rechnung wie sie bei den meisten Individuen ist: Der Beruf, der sich der Kapitalakkumulation unterordnet, erhält die höchste zeitliche Priorität und wird mit dem größten Ausmaß an Energie und Intellekt bedacht. Das Ergebnis ist, dass die Subversion gegen den Kapitalismus schwindet. Die materiellen Ängste, die durchaus real sind, prägen den Verstand und die Möglichkeiten des Verstandes.

Nicht nur, dass der Revolutionär arm sein muss und arm bleiben wird, wenn er sich nicht vom durchschnittlichen Beruf korrumpieren lassen will: Die Komplexität der gesellschaftlichen und individuellen Realität ist derart ausgeprägt und im permanenten Wechsel, dass kein einziger Mensch mehr in der Lage ist, ihr vollständig beizukommen. Das heisst zwar nicht, dass man nicht ihre grundsätzlichen Bewegungsgesetze erkennen könnte. Aber um allein diese Bewegungsgesetze korrekt zu erfassen, bedarf es eines jahrelangen intensiven Studiums, welches einem Fulltimejob gleichkommt. Zugleich bewegt man sich innerhalb dieses Fulltimejobs der Erkenntnis in nahezu vollständiger Einsamkeit. Die Situation vor dem Buch ist allein. Und auch jene des Denkens und Kritisierens ist so, weil die Distanzierung notwendiges Moment ist. Das halten immer weniger aus. Ohne eine komplette Erfassung der gesellschaftlichen und individuellen Erscheinungs- und Wesensformen, der Waren- und Denkformen, unterbleibt die Erkenntnis dessen, was ist. Weiss man nicht, was ist, weiss man auch nicht, womit man es zutun hat und wie man es nachhaltig überwinden kann, ohne es noch schlimmer zu reproduzieren. Die Gefahr in politische Strategien zu verfallen und es sich damit zu leicht zu machen, um es anderen noch schwerer zu machen, obwohl man das vorgeblich nicht intendiert hatte, ist daher für jeden Revolutionär eine andauernde Gefahr.

Da die kapitalistische Komplexität hoch ist, und schwer zu denken ist, ihre Kritik häufig unbezahlt abläuft, diese Kritik gesellschaftlich kaum anerkannt ist, mangelt es an herausragenden Persönlichkeiten, die die Unmündigkeit der Komplexität auf den Punkt bringen. Die pointierte Darstellung ist aber notwendiges Kriterium für revolutionäre Bedingungen: Wer nicht verständlich machen kann, warum Menschen falsch leben, der wird nicht gehört. Den wenigsten Kritikern ist es möglich, der gesellschaftlichen Komplexität gerecht zu werden, die Kritik auf den Punkt zu bringen und auch noch sämtliche eigenen Rechnungen bezahlen zu können. Die allermeisten scheitern schon an letzterem und müssen in letzter Konsequenz ihre Invesition in die Reflexion weg von der Kritik und hin zu den affirmativen Denkoperationen der Lohnarbeit investieren. Der Preis ist hoch, das Kapital verschlingt die Kritiker tendenziell mehr als umgekehrt. Es mangelt den Kritikern der Verhältniss zudem maßgeblich an einem kollegialen Umgang. Die Atomisierung macht auch hier nicht vor dem Kritiker halt und sie setzt sich fort: Es gibt kaum etablierte Strukturen in denen Wissen ausgetauscht und diskutiert wird. Es ist im Alltag häufig einfach so, dass jedes kluge Buch per Zufall gefunden werden muss. Jahre vergehen mit unausgegorenen Ansichten, obwohl es unlängst uralte, aber stichhaltigere Argumente gibt, die aber nicht zur Kenntnis gelangen, weil sie niemand mehr kennt oder deren Wichtigkeit in Erinnerung ruft. Zugleich erreicht die Kritik häufig das immergleiche Publikum, welches schon im Vorfeld angeödet abwinkt, weil es jedes Argument bereits auswendig kennt. Zumal die wachsenden Optionen zur Zerstreuung über Unterhaltungsmedien dadurch noch attraktiver werden. All das verschlimmert sich sogar noch, wenn eine internationale Perspektive eingenommen wird.

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Die Gründe für das Ausbleiben von revolutionären Bedingungen

Alles Denken und Empfinden wird bestimmt von der Warenform, die in der Kapitalakkumulation steckt. Sämtliche Berufsgruppen sind vom Kapitalverhältnis eingesogen, aber auch sämtliche Denkformen. Vollzogen wird das über die Berufsausbildung und -tätigkeit, die eine permanente Internalisierung der zum jeweiligen Stand der Produktivität erforderlichen Denkoperationen erzwingt. Die zeitliche, geistige und körperliche Investition nimmt die Mehrheit des Alltags ein und erhält das höchste Gewicht im Leben aller Menschen. Die Lohnarbeit ist der Mensch und umgekehrt. Die Lohnarbeit ist Vehikel der Mehrwertproduktion und wird als solche über die Verausgabung von Hirn, Kraft oder schlichter Lebenszeit und Lebensenergie betrieben und permanent intensiviert. Lebenslanges Lernen ist hier eine Drohung und Forderung sich gefälligst dem eigentlichen Subjekt der Gesellschaft anzupassen, was eben nicht der Mensch, sondern die höchste Zahl ist. Dieser Umstand ist auch libidinös besetzt, der Mensch geniesst geschunden zu werden, sich selbst oder andere zu schinden. Der Mensch fühlt sich in den Warenköper anstelle seines eigenen Körpers ein.

Das Leiden der Welt entspringt aus dem automatischen Subjekt, welches alle Kategorien und Dimensionen des Lebens formalisiert, instrumentalisiert, rationalisiert und ausbeutet. Die Strukturen der Warengesellschaft wiegen durch die Konstitution der gesellschaftlichen Reproduktionsweise schwerer als jedes Individuum. Das Denken hinkt der Realität immer hinterher, aber im Kapitalismus hängt das Denken auch noch etwas an, was es selbst erzeugt, aber nicht begriffen hat: Der Warenform. Die Leute lieben die Lohnarbeit, den Staat, das Geld und dem opfern sie sich selbst, die Natur, die Tiere, einfach alles. Jede Wahl, jede Kaufentscheidung, jeder Arbeitstag zeigt das. Je mehr Lohnarbeit betrieben wird desto dümmer und empathieloser der Mensch. Die lebendigen Anteile des Menschen werden zugunsten der abstrakten, gesellschaftlichen Arbeit geopfert, die wiederum nur dem Profit dient. Die ganze Welt dient einer Wahnvorstellung, die gesellschaftlich als vernünftig anerkannt ist und sogar als Wissenschaft an den Universitäten gelehrt oder als politische Agenda in den Parlamenten in Gesetze gegossen oder als betriebswirtschaftliche Vernunft in allen Konzernen umgesetzt wird. Die Wertverwertung hat das Denken maßgeblich verwildert, die instrumentelle Vernunft hat auf erhöhter Stufenleiter triumphiert: Die Prekarisierung ganzer Berufszweige, die Perspektivlosigkeit des Intellektuellen an der Akademie, des Lohnarbeiters in allen Branchen, der Antiintellektualismus in Forschung und Lehre, überhaupt in der ganzen Welt, der totale Mangel an Intellektuellen in Politik oder Ökonomie oder Akademie, dann der Klimawandel, die Altersarmut, Armut von Kindern sowie Familien, der Pflegenotstand, das Aussterben von Tierarten und Insekten, die wachsenden (radioaktiven) Müllberge, psychischen Erkrankungen, das alles und noch viel mehr zeugt vom Zerfall der Menschheit, der sich in einem blinden Gesellschaftsprinzip verliert.

Warum sollte ein Lohnarbeiter auf die Idee kommen, dass sein Leid nicht sein muss? Gerade dadurch, dass das Elend der Lohnarbeit so allgemein ist, erscheint es natürlich und notwendig. Millionen leiden unter den Verhältnissen, sie alle sind überzeugt, dass sie durchhalten und kämpfen, weil es nicht anders geht. Es wird sie alle kränken, wenn behauptet wird, dass ihr Leiden vollkommen sinnlos war. Sie haben nur gelitten, weil sie einem unverstandenen Prinzip anhingen, welches sie selbst geschaffen haben. Ihnen nun zu erzählen, dass sie gelitten haben, weil sie sich über ihre eigene gesellschaftliche und inviduelle Tätigkeit selbst verletzt haben, wird immer Ablehnung hervorbringen. Plötzlich ist nicht der Bankier, der Manager, der Ausländer oder Jude an allem schuld, sondern die eigene Bürgerlichkeit. Das ganze Leben ist falsch gelebt worden. Es kostet viel Courage, Empathie und Scharfsinn, angesichts dieser Erkenntnis, das Leben komplett umzustellen. Zumal Umstellung bedeutet, nicht nur die Lohnarbeit aufzugeben und den darin enthaltenen Arbeitsfetischismus, sondern auch diverse andere Kategorien, die die Warenform von Staat bis Geld ausprägt. Zumal zugleich kaum bekannt ist, wofür das gesamte Leben auf den Kopf gestellt wird. Warum sollte man ein Leben wegwerfen, das zwar Schmerzen bereitet, aber doch zumindest ein Mindestmaß an vermeintlichen Komfort bietet? Die Egalität ist soweit vorangeschritten, dass das eigene Elend genausowenig klar ist, wie das der anderen.

Die Verantwortung für die Überwindung der falschen Verhältnisse teilt sich unter der globalen Weltbevölkerung auf. Niemand fühlt sich daher verantwortlich für das Schicksal der Menschheit, auch wenn das eigene individuelle Schicksal streng damit verbunden ist. Die Atomisierung der Konkurrenzsubjekte führte zu einem unternehmerischen Selbst, zum homo oeconomicus, das die Optimierung der eigenen Belange hinsichtlich des Fortkommens im Unternehmen oder generell in der kapitalistischen Gesellschaft als höchste Priorität im Alltag für unausweichlich und absolut notwendig hält. Es handelt sich hier um ein Verhalten, was einerseits menschlich, andererseits erlernter Irrationalismus ist. Wer hiergegen argumentiert, argumentiert häufig gegen Jahrzehnte von Lebenserfahrung und erlernten, praktizierten Wissen, welches in die Identität und Triebökonomie des Individuums eingegangen ist. Da müsste ein Argument, ein einziger Satz so einleuchtend und so plausibel dargelegt werden, dass es das Leben des Individuums vollständig auf den Kopf stellt. Dieses Kunststück ist noch keinem gelungen und auch daran krankt die Revolution.

Wie kann man so ein Bewusstsein, welches sich offenbar nahezu völlig jeglicher wahrheitsgetreuen Erkenntnis verschlossen hat, weil es so sehr dem Kapitalverhältnis angedient wurde, überhaupt noch mit Kritik in die Krise stürzen? Man muss fragen, wieso es die Leute nicht zur Kritik treibt, wenn Hunger kein Anlaß zur Produktion ist, wie es in unserer Gesellschaftsform nunmal ist. Wann und wie soll man denn jemals zu einer Kritik der Verhältnisse kommen, wenn man sich andauernd nur diesen Verhältnissen andient und unterordnet? Wie lauten die Bedingungen der Revolution im Jahr 2017? Und woher will der Revolutionär wissen, dass er revolutionär ist? All diese Fragen streifen die Möglichkeiten oder Unmöglichkeit der Bedingungen von transzendentaler Kritik. Die einzige Differenz zwischen Waren- und Denkform scheint in der Trägheit, im Leiden und in dem Unvermögen des Menschen selbst zu liegen.

Unvermögen ist Hoffnung: Der Mensch ist keine Maschine und so kann er nicht den Arbeitstag endlos erweitern und intensivieren. Auch die 24 Stunden eines Tages setzen der Wertverwertung Grenzen. Da der Mensch sowieso nicht kann, wie das Wertverwertungsprinzip will, wird sie niemals endgültig siegen. Sie kann nicht den gesamten Menschen aufsaugen, selbst wenn er wie heute ihr nahezu total anhängig ist. Die Fehlerhaftigkeit des Menschen ist Trumpf und Freude. Im Unvermögen Kapitalist zu sein, steckt die Fähigkeit zum Kommunismus.

Leiden ist Index des Negativen: Das Leiden, eine Maschine sein zu müssen, die am Arbeitsplatz wie eine Reiz-Reaktionsapparatur Leistung konkurrenzfähig abruft, erscheint als stärkstes Mittel gegen diese Produktionsweise, weil sie schon über die Potenz des gegenwärtigen Produktivitätsstandes den Hinweis liefert, dass diese Intensität des Arbeitslebens nicht sein muss. Niemand will leiden. Schon gar nicht an Bedingungen, die er selbst ändern könnte, die er überhaupt nur hat, weil er sie nicht selbst bewusst bestimmt. Die Bedingung transzendentaler Kritik ist also die normative Wertung, dass irrationales Leiden abzuschaffen ist. Und irrational ist hier etwas, was vom Menschen unbewusst betrieben wird, demnach also der Kapitalismus. Eine aufgeklärte Zivilisation, kann nicht die unsichtbare Hand des Marktes als Hauptkategorie aller gesellschaftlichen Reproduktion gestatten, denn das wäre gelebte Mythologie, Rationalisierung von Irrrationalismus und ein empörender Persilschein zur Menschenvernichtung. Die Kränkung, dass der Mensch nicht sein Leben bestimmt, muss zur Emanzipation von eben diesem Zustand führen. Insoweit zeigt das Elend aus seinem Wesen heraus die Möglichkeit seiner Abschaffung auf und bietet somit den Maßstab aller Kritik sowie des Kommunismus.

Trägheit ist Glück: Die Trägheit speist sich aus dem Zeitfaktor, dem Puls der Warenproduktion, der sowohl von der Produktionszeit, aber auch dem Tauschprozess oder der Reproduktion der Arbeitskraft abhängt. Nichts im Kapitalismus kann unendlich schnell gleichzeitig geschehen. Es dauert Menschen auszubeuten, es dauert bis sie sich erholen, ihr Bier getrunken, neue Arbeitskräfte gezeugt, die Waren produziert, auf den Markte getragen, verkauft und gekauft haben. An all diesen und vielen weiteren Punkten gibt es notwendigen Widerstand in der Kapitalverwertung, denn die Welt ist keine Maschine. Trägheit heisst auch Müßiggang. Heisst Sandkorn im Getrieb sein. Heisst Schwermut, Schwerkraft und Schwervermittelbarkeit. Wendet man letzteres als soziale Unverträglichkeit, ist Arbeitsverweigerung ein wichtiges Mittel, das arbeitsfetischistische Bewusstsein sämtlicher Leute in der Umgebung in die Krise zu stürzen. Dem Arbeitgeber auf die Hand spucken anstatt sie zu schütteln, bedeutet auch Trägheit im besten Sinne und zugleich harte Arbeitslosigkeit, aber auch glückliche Distanz von Lohnarbeit, Schinderei und Dummheit. Revolutionär ist, was träge ist, was sich nicht dem Prinzip der Wertverwertung andient. Außerhalb des kapitalistischen Höllenfeuers atmet der Mensch.

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Irrtum

Reicher an Armut wiederholt sich die leere Wiederholung im ansatzlosen Verwirrspiel zeitloser, nebliger Grautöne. Verbiedert, verstockt, verklärt, verdummt, verlassen verbaut sich alles. Das Leben als Sackgasse in einem Labyrinth aus Unsagbarem. Das trübe Tal der Enttäuschung ist die letzte Oase des Ertrinkenden. Tiefgegraben, tief gefallen ohne Aussicht auf den Horizont. Die blanke Erschütterung über das eigene Unvermögen treibt die Sucht zur Selbstzerstörung. Das Ende hat nie existiert.  Ich blute in Grautönen. Raues Grauen entfaltet sich in schrecklichen Falten. Irrlichter. Das letzte Wimmern. Das Blühen ist Grauen. Nichts lässt sich verdauen. Alles ist nur gefressen gewesen und ist nun am verwesen. Der alltägliche Krempel wird unter Ratlosigkeit zum Henker. Die letzte und erste Mahlzeit ist der verdorbene Dreck aus alten Jahren. Immer Außenseiter im Kerker geblieben. Jedes Wort ist ein Elefant im Porzellanladen. Das Vergessen ist King. Das Verstummen unter Tauben. Das Leben ist so als ob niemand jemals gelebt hätte. Geboren um zu Sterben, um auf die letzte Stunde zu warten. Es ist nur noch ein Wettbewerb der Zeittotschläger. Immer gewesen. Immer am verwesen. Jedermann verdeckt geradezu unzureichend seine Nichtigkeit. Jedermann ist niemand. Keiner ist jemand. Vom Nichts durchgestrichen und festgehalten. Wer alles gesehen hat, dem ist die Gleichgültigkeit geblieben. Ob jemand stirbt, brennt oder verdirbt. Keiner war jemals hier oder dort. Durchreisende Fieberträume. Mit Ensetzen wächst die Traurigkeit, die Unmöglichkeit den Irrtum ungeschehen zu machen. Belanglose Verletzungen wiederholen sich. Trägheit wird von Alter übertroffen. Müde stirbt der Tag und die Nacht. Umsonst gelebt. Umsonst gelitten. Alles ist vergeben. Nur die Irren lachen noch. Die Maschinen überleben. Die Anderen nicht. Das war so, wird immer so sein. Nur Narren rütteln und sterben daran. Nur die Krankheit erinnert an das Leben, was hätte sein können, irgendwo im Abstrakten jenseits aller Gedanken und jeder Zeit. Ich war nur ein Schatten der vergehen musste. Ein Anhängsel einer Maschinerie ohne Gedanken oder Gefühl. Das letzte Achtung, die letzte Rettung, das letzte Wort und dann wieder sofort: Die Wiederholung.

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Labyrinth

Zumeist geht man neue Wege und verändert sich, doch die Sackgassen sind Routine. Man steigt in den Gängen über die Kadaver vorheriger Generationen und rührt sich nicht daran. Man sackt ihren Krempel ein und sucht weiter nach dem Ausgang. Schliesslich hat der eigene Kopf Jugend und Kompetenz gepachtet. Die Energie pulsiert aus allen Adern und fleischt sich in den größten Saft, bis es platzt. Und die Zeit vergeht. Die Trümmer sind Möbel. Das Leichenfeuer ist das Tablet für Powerpointpräsentationen. Mut mit Anzug. Uhrzeit und Takt. Immer dem Irrtum hinterher. Zwischendrin Enttäuschung. Schmerz. Elend. Wahnsinn. Das alles sind wir. Dabei kommt kein Zweifel auf. Es ist national. Es ist Kapital. Erste Reihe. Zweite Reihe. Jede Reihe. Alles benebelt im Nebel unter Produktion von mehr Giftgas. Mit Power und Kommunikation ins Feld und Büro. Stolz reiben wir uns im Blut. Kotzen auf Knopfdruck. Die Orientierung ist ein gesichtsloses Monster. Tote werden geboren in Sackgassen und gleichgültigen Räumen. Das Lächeln ist eine Atombombe. Die rumpfartigen Kreaturen zerstauben im Kopierraum. Die Wüste spuckt Dreck und Teufel den wir anbeten. Alsbald trägt uns das Alter gen Grab. Es ist auch im Nichts. Umsonst gelebt. Umsonst gesucht. Verschwendet. Nie gewusst was worin verfangen. Die Augen drehen sich nach innen. Die Zungen sind zerschnitten. Die brennenden Kometen spalten Schädel und Gedanken. Republiken voller Verlierer. Unterschiede gibt es nur noch in Varianten von Ratlosigkeit. Taubstumme Stumpfmassen zittern und rationalisieren vor sich hin. Die Wände neigen sich über die Köpfe. Der Himmel wird zerrissen. Ein Königreich für einen Wallhack. Aber er kommt nicht. Nichts ändert sich. Alles wird nur älter, verdirbt und stirbt.

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Nacht

Die Gewohnheit in der Hölle zu leben war immer ein ungewolltes Geschenk, dass sich wie Sisyphos zu seinem Felsblock verhielt, den er auf ewig einen Berg hinaufwälzen muss, nur damit dieser Felsblock am Gipfel wieder hinunter rollt. Doch nun wächst der Fels, das Geschenk, weil die Erfahrungswelt in Bitterkeit ertrinkt. Von Geburt an in das Grauen geworfen, war es immer schon üblich Erkenntnis über bittere Erfahrungen zu erlangen. Aber sie wiegen schwer und verhüten gar nichts. Es ist nicht so, dass nach einem Schlag nie wieder ein weiterer erfolgt. Im Gegenteil, nimmt das Alter zu desto mehr Schläge hat man mitgenommen. Die Schwäche nimmt genauso zu wie das Alter und die Anzahl der eingesteckten Schläge. Und wie immer ist auf niemanden Verlass. Es ist höchstens Verlass darauf, von allen verlassen zu sein. Auch von sich selbst ist man verlassen, schliesslich konnten nie verlässliche Leute gefunden werden. Es gibt nur seltene Andeutungen, die unverbindlich geblieben sind. Ich erheische vom Leben stets nur ein beiläufiges Zwinkern, was man selten gleich als solches erkennt. Ein abstrakter Fingerzeig deutet an, wie es hätte sein können. Ich hätte ein Mensch sein können. Mit Freunden, Familie, Frau, Kindern, Perspektiven, Wohlstand, Glück und Gesundheit. Aber es wird nie so sein. Alles ist verkommen. Alles muss in den Träumen passieren. Und bis dato waren meine Träume immer besser als die Wirklichkeit. Aber auch sie sind vom höllenhaften Alltag reduziert worden. Fantasie wird in der toten Welt nicht gebraucht. Wer sie doch anwendet, gilt als Anarchist und Terrorist. Das Unvermögen der Menschen dem Elend die Stirn zu bieten hat mich ruiniert. Und die Schwangerschaft dieses Ruins begann schon in meiner Kindheit. Es gab Chancen, aber nutzen konnte ich sie nie. Mal wollte ich nicht, mal sah ich sie nicht, mal waren andere oder irgendetwas Schuld. Das Scheitern als Routine hat mich nun vom Anfang des Abgrunds zu seinem Ende geführt. Und jetzt, wo alles Schatten ist, ist meine Ratlosigkeit größer dennje. In allen gesellschaftlichen Kreisen war ich Fremdkörper geblieben. Ich wurde toleriert, aber nur in der Hoffnung, endlich zu gehen. Aus meiner Gewöhnlichkeit habe ich nie einen Hehl gemacht. Das Leben ist absurd, sinnlos und grausam. Ich habe es immer satt gehabt. Ich habe es nicht verstanden. Es hat mich nicht verstanden. Das Leben und ich: Ein einziges Missverständnis. Ich war nicht fähig das Leben zu leben. Anderen scheint es mühelos zu gelingen. Ihr Selbstvertrauen und ihre Stabilität ist mir ein unlösbares Rätsel. Im Bombenhagel zwischen Obdachlosen Melange trinken und das Leben geniessen. Ein Triumph des Irrsinns. Ich bin nie damit fertig geworden. Stecken geblieben. Inkonsequent. Voller Selbstmitleid und Plattheiten habe ich mit wachsenden Lebensalter meinen Ruin schuldhaft selbst vorangetrieben. Je älter man wird desto mehr Schuld hat man auf sich geladen. Erst prägen einen die anderen, schliesslich prägt man sich selbst. Und wenn die große Weigerung nicht gelingt, dann ist man kein Mensch. Die Erwartungen plagen mich, obwohl sie hoffnungslos und einfallslos sind. Ohne Ernsthaftigkeit blicke ich grimmig allem entgegen. Die ganze Existenz ist nur noch lächerlich. Jedes Wort und jedes Gespräch ein neuer Gipfelpunkt der Überflüssigkeit. Aber da sowieso nie jemand zugehört hat und nie irgendjemand aufrichtiges Interesse gezeigt hat, ist die Überflüssigkeit auch noch belanglos. Nichts ändert sich, das Grauen findet nur immer neue Kleider. Wenn man eine Änderung feststellt, dann vorallem an sich selbst. Es schwindet die Jugend und damit der Biss. Starrsinn wird üblich. Gleichgültigkeit und Trostlosigkeit werden nur noch von Bitterkeit und Vergesslichkeit übertroffen. Am Ende sollte Cioran doch Recht behalten, es ist ein Nachteil geboren zu sein.

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Der Letzte

Mehr als die Hälfte meines Lebens bin ich dagegen. Schon fast seit ich denken kann bin ich dagegen. Ich gehörte nie dazu. Und wenn ich dazu gehörte, dann als Geisel. Als Überlebender habe ich letztlich alle Schlachten geschlagen, aber nie gewonnen. Lokalen Terror zu überstehen, heisst nicht den globalen überstanden zu haben. Verletzt zu sein hat seinen Wert verloren. Auch die Wut ist nur noch eine Abstraktion. Der Riss der Welt ist das was ich bin. Die Tendenz der Entwicklung ist, dass es so bleiben wird. Verschleppt zu sein, ist kein Schande. Ich werde dagegen sein, auch wenn es nichts ändert. Der Tod existiert nicht, aber das Leben ist auch gleichgültig. Die allgemeine Sinnlosigkeit des Leids lähmt. Obwohl die Erkenntnis gar nicht so weit weg ist, wurde sie nicht ergriffen. Die Angst, dass alles was man je getan oder gedacht hat, der Auslöser für die Vernichtung allen Lebens ist, sorgt für die Fortsetzung der alltäglichen Katastrophen. In der Ahnung, dass jemand über diesen Wahnsinn richten könnte, wird er auf immer neuerlichen Stufenleitern angefeuert. Jeder Trümmermensch wird noch weiter zertrümmert. Alles wird kurz und klein geschlagen, zerhackt, zerstückelt, zerschnitten. Keiner soll es wissen! Keiner soll sagen können, dass das Heute, die dunkelste Zeit überhaupt ist. Generationen haben umsonst gelebt. Je größer die Zahl desto sinnloser die Generation.

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Die mörderische Einsamkeit & Dummheit im akademischen Milleu

Jeden Morgen überrasche ich mich selbst, denn ich wache lebendig auf. So zäh kann doch keiner sein. Zur völligen Selbstzerstörung hat es nie gereicht. Anstatt alles anzuzünden, was einem gräßlich vorkommt, verbleibt die Situation bei einer stillen und jämmerlichen Hinnahme dessen was einen schändet. Allerdings nicht ohne Grund, ist doch das Abstrakte der Ekel. Etwas zerstören, was nicht greifbar ist, erleichtert nun gerade nicht die Rebellion. Vom endlosen in die Luft schlagen kann schnell die Müdigkeit alle Impulse der Weigerung ersticken. Die Erschöpfung der Spontanität ist nie total möglich, aber doch stark genug, um zu erschlaffen. Das andauernde Verstummen in sterilen, inhumanen Mustern ist Ausgangs- und Endpunkt allgemeiner und individueller Fragilität. Häufig geht der Halt verloren und das ganze Ich strudelt schwerelos im Nichts herum, nur noch vom Körper im Leben festgehalten.

Die ganzen Prüfungen und Ausbildungen stellen eine Art Aussortierungsprozess dar. Wer ist würdig, die möglichen beruflichen Perspektiven tatsächlich zu ergreifen? Das wird über diese formalen Abläufe in den jeweiligen Branchen erledigt. Nur ist eben nicht Talent, Interesse und Durchhaltevermögen ausreichend. An allem hängt ein Preisschild. Das Problem am Erwerb eines Doktortitels ist meist nicht die Intelligenz, sondern die finanzielle Potenz, um die materielle Durststrecke während der Recherchen und Reflexionen refinanzieren zu können. Gibt es nicht genug Geld, so gibt es keinen Doktortitel. Gleiches gilt für Master- oder Bachelorabschlüsse. Das sind grundsätzlich Ausbildungsgänge, die kein Gehalt enthalten. Es ist gesondert mit Risiken als Kredit zu erbetteln oder es wird ein entsprechender Investor gefunden, der einen sofort fallen lässt, wenn die Erwartungen nicht erfüllt werden.

Kürzlich hat sich ein 30 Jähriger Italiener umgebracht. Er hat es nicht mehr ausgehalten, Jahr für Jahr auf eine berufliche Perspektive zu hoffen, die niemals kam. Man kann zynisch sagen, er war nicht zäh genug, doch sein Leiden steht für das Leiden von Milliarden Menschen. In ganz Italien ist seit der Krise die Selbstmordrate um 25 Prozent gestiegen. Davon sind auch Topmanager betroffen. Wir sprechen von einem Massenphänomen, welches auf einen strukturellen Mangel sowie strukturelle Gewalt reagiert. Wer kann es sich angesichts dessen leisten, intellektuell zu sein und sich von dieser Gesellschaft zu distanzieren?

Das Herausfallen z.B. in der Akademie ist nur eine Konsequenz sozialer Praxis, denn inwieweit finden überhaupt noch Bindungen statt? Kommunikation unter den Studenten und Lehrenden findet eher zufällig vor oder nach Vorlesungen und Seminaren statt, dann aber auch nur in kurzen Minuten und großer Eile. Die einzigen Bindungen, die man noch mit großer Großzügigkeit auffinden kann, sind jene, die beim Saufen entstehen. Aber deren Belastungsgrenze ist schnell erreicht. Somit findet das studentische und akademische Leben in enormer Einsamkeit lediglich vor dem Buch statt. Es wird allein gelesen, geschrieben, gedacht und die Diskussion, naja, die hat man zu fantasieren. Dass das Vergessen der jeweiligen Person im akademischen Betrieb vorprogrammiert ist, lässt sich also vom ersten Semester an prognostizieren. Entweder man schickt sich schnell an, bestimmten Dienerfunktionen im Institut nachzukommen und sich für höhere Aufgaben zu empfehlen oder die einzige Bindung zu seiner Fachrichtung besteht aus der Prüfungssituation einmal am Ende des Semesters. Insofern muss es verwundern, dass soviele arbeitslose Akademiker sich erst nach Jahren ihres universitären Abschlusses den Exodus zugefügt haben, denn Gründe für ein vorzeitiges Ableben hätten schon früher leicht gesehen werden können.

Andererseits lassen sich gesellschaftliche Missstände nur über wissenschaftliche Forschung bewältigen, denn in anderen Berufszweigen, wie zum Beispiel in Speditionsgeschäft, wird man keine Sekunde über die mittel- und langfristigen Konsequenzen des eigenen wirtschaftlichen Tuns reflektieren, weil das Tagesgeschäft von enormer Intensität ist und den ganzen Menschen fordert. Ohne mutige Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die zum Beispiel bezüglich der Obdachlosigkeit nach Lösungen und Optionen forschen, wird es auch keine Behebung des sozialen Problems geben. Da allerdings die Forschungsmittel für derartige Projekte in Sachen Komplexität einer Unternehmens- oder Parteigründung gleichen, finden solche Forschungen immer weniger statt oder ihre Radikalität hinsichtlich des Abstraktionsvermögens oder der perspektischen Lösungsmethoden ist nahezu unsichtbar, wodurch die gesamte Wissenschaft obsolet gemacht wird. Der Antiintellektualismus wird über die Profitmaixmierung vergrößert und schlägt sich in mangelnden politischen und theoretischen Handlungskompetenzen nieder, was zu einer Zuspitzung z.B. der Obdachlosigkeit führt. So werden Sozialwohnungen verkauft oder teuer zurückgekauft, werden viel zu wenig gebaut oder aufrechterhalten, weil die entsprechenden Kommunen und Lokalpolitiker, die Lage unterschätzen, ignorieren oder verklären, denn auch sie sind voll davon erfasst, die Profite für ihre Abteilung, Partei oder sonstige Organisationsstrktur zu maximieren, ohne sich um die mittel- oder langfristigen Konsequenzen zu kümmern. Die eklatenten Probleme unserer Zeit bleiben liegen und vergrößern sich von Generation zu Generation.

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The Rapening

Jüngst und in der Vergangenheit gingen Meldungen durch die Medien, in denen davon berichtet wurde, dass Nacktfotografien von bekannteren Frauen ungewollt an die Öffentlichkeit gelangten. Es ist Partei zu ergreifen für die Privatssphäre, für gleichberechtigte Teilnahme an der Sexualität, für eine verantwortungsvolle Berichterstattung und für die Opfer, die sich für keine einzige Tat zu entschuldigen oder zu rechtfertigen haben!

Anstatt die Rolle, Ideologie und Taten der Täter zu verurteilen, wird das Opfer plötzlich unter Beschuß genommen, wie könne es doch nur dieses oder jenes „unverantwortlich“ tun? Solche Fragen können nur in einer sexistischen Welt ernsthaft verhandelt werden. Wenn Privatfotos von intimen Momenten voller Verletzlichkeit Menschen in den Selbstmord treiben können, sollte die Frage gestellt sein, welche Verantwortung die jeweiligen Diebe in diesem Zusammenhang besitzen, wenn sie für immer sozusagen die weltweite Verbreitung von solchen privaten Medien vorantreiben. Es sind nicht nur Diebe der jeweiligen Dateien im Spiel, sondern auch Diebe der Identität des Opfers und der Interpretationshoheit des Vorfalls, die man in die Kritik nehmen muss.

Zunächst zu den Dieben der privaten Medien: Vernichtet der Voyeur nicht auch die Fantasie, wenn er sich geleakte Dateien stiehlt und betrachtet? In gewisser Weise liegt in der unbedingten Besitzergreifung auch ein faschistoides Moment, wenn jeder Millimeter einer fremden Individualität beherrscht, inspiziert, gierig verschlungen sein muss, ohne vorher eine entsprechende Erlaubnis dafür erlangt zu haben. Es ist freilich auch ein sexistisches Moment darin, permanent für Norm zu halten, dass alles immer und überall verfügbar sein muss, gleichgültig wie erfolgreich, talentiert, intelligent, lieb und mutig das jeweilige Opfer dieses Übergriffs ist. Es ist eine unermessliche Respektlosigkeit gegenüber der Einzigkartigkeit des jeweiligen Individuums und dessen Willens. Und weil es an Empathie, Fantasie und Rücksicht fehlt, weil die eigenen Interessen über allem stehen sollen, wenn auf diese Leaks zugegriffen wird, zerstört man den letzten Rest an Menschlichkeit in sich selbst, schliesslich ist die Privatssphäre elementar für vertrauensvollen Umgang.

Die Auf- und abspaltung des Menschen von seiner Identität, seinen Rechten, von seinem Körper, der in dem unerlaubten, voyeuristischen Übergriff während der Betrachtung des geleakten Materials liegt, bedeutet auch Teilnahms- und Bezuglosigkeit gegenüber sich und den anderen Menschen, schliesslich ist so eine Tat, und ein Interesse an so einer Tat, keine Basis für eine vertrauensvolle Beziehung. Sie ist sogar im Vorfeld ausgeräumt. Es ist der Beleg, dass die eigene Sexualität und Identität unausgeglichen und unerfüllt sein muss. Der Ursprung der Lustunfähigkeit ist die Unfähigkeit, Lust im anderen zu erzeugen. Letzteres ist nur möglich, wenn man den anderen voll und ganz anerkennt und respektiert. Diese Übergriffe sind Ausdruck einer männlichen Krisenhaftigkeit, welche sich mit Gewalt nimmt, was sie für sich ohnmächtig diktatorisch für sich beansprucht, ohne irgendwelche Absprachen zu unternehmen. In jedem dieser virtuellen und reellen Übergriffe liegt auch die Wut sich und anderen auf konstruktive Weise Lust und Befriedigung zu verschaffen.

Jetzt zu den Dieben der Identität des Opfers und der Interpretationshoheit des Vorfalls: Dass die Massenmedien ein Geschäft aus der Zerstörung von Intimität und insbesondere von weiblicher Intimität vornehmen, scheint für die geifernden Voyeure zusätzlich ihr Verhalten zu rechtfertigen und zu normalisieren und dem jeweiligen Opfer zusätzlich die Luft zum Atmen zu nehmen. Zumal die Medien den Schaden quantitativ, qualitativ unendlich auf Generationen vergrößern, die Nachfrage nach diesen Bildern global erhöhen und sich damit den Übergriffen der Leaker und Voyeure anschliessen. Mit jeder Schlagzeile darüber, wird das Opfer zerstört, während der Profit für die jeweiligen Medien wächst, denn wenn keine Partei für das Opfer übernommen wird, indem deren Interessen wahrgenommen werden, will man ähnlich wie die Diebe der Medien den vollen Zugriff auf dessen Leben, Identität sowie Körper und für sich nutzbar machen. Die einen ziehen Lustgewinn daraus andere zu erniedrigen, die anderen ziehen einen ökonomischen Gewinn daraus darüber affirmativ oder suggestiv zu schreiben. Das Opfer erhält nichts als Vernichtung. Diese grenzenlose Gewalt in der niemand Partei für die Zärtlichkeit, Individualität und die Rechte des Opfers übernimmt, ist auch eine barbarische, endlose Wüste, die alles erstickt, was hätte gut sein können.

Es wurde nichts aus dem Faschismus gelernt. Anstatt die Frauen zu stärken indem man ihre reichhaltige Individualität sichert, stärkt, schützt, erweitert und anreichert, wird ständig so getan, als müsse man längst nichts mehr in dieser Hinsicht unternehmen, obwohl die Missstände von einem unermesslichen ekelhaften alltäglichen Ausmaß sind. Der Feminismus wird nicht ernstgenommen und so wird wieder ein Mensch für den schnellen männlichen Gewinn vernichtet.  Wenngleich noch die Strategie für das Opfer übrig bleibt, die Nacktheit und Lust nun als Trumpf zu wenden, nämlich als Normalität und Zugkraft für das Paradies, denn jeder ist unter seinen Klamotten absurd, nackt und geil, erzwingen die barbarisierten Verhältnisse gerade von Frauen unmenschlichen Mut und Kreativität mit dem Ungleichgewicht von Macht innerhalb der Gesellschaft umzugehen. Diese Größe muss man erstmal haben, wenn alle Elend und Mängelwesen im Abgründigen sind. Wenn der eigene Körper von Millionen betrachtet wird, so ist er hoffentlich nicht nur Ziel von ökonomischer sowie sexueller Ausbeutung, Häme, Hetze, Terror und Schmerz, er ist vielleicht auch der Ausgangspunkt und Quelle zur Überwindung dieser Ohnmachtsstellung. Zugleich muss dafür gekämpft werden, dass soetwas nicht mehr stattfinden kann. Es geht um uns alle, denn jeder kann derart seines Lebens beraubt werden! Unser aller Sexualität, Lust und Privatssphäre steht auf dem Spiel!

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Bruchstück

Mein ganzes Leben lang habe ich versucht mich vor dem Verhängnis des Alltags zu schützen. Aber ich war von Anfang an chancenlos gegen die Entmündigung, Erniedrigung, Entwürdigung, Ohnmacht, Genussunfähigkeit, Interesselosigkeit, Freudlosigkeit, die autistisches Dahinsiechen und wunschloses Unglücklichsein auslöste. Die ermüdende Leere ist sowohl im Privat- wie auch Berufsleben allgegenwärtig. Mein Leben ist ein ein einziger Friedhof gescheiterter Pläne. Meine Sprache, meine Mimik, meine Vernunft, alles ist zerfallen und hemmungslos gewöhnlich. Es wäre alles halb so schlimm, wenn ich allein so ein Bruchstück wäre.

„Wir gehen einer Zeit entgegen, wo alles dürftiger werden wird, da ja die Gleichmacherei auch den Besitz ergriffen hat. Man wird billige Wäsche und billige Bücher verlangen, wie man ja bereits kleine Bilder verlangt, da der Platz für die großen fehlt. Hemden und Bücher werden nicht mehr dauerhaft sein, das Solide verschwindet allmählich.“
(Balzac, Verlorene Illusionen, 1839)

Man ist dem Leben, der Gesellschaft, der Umgebung, dem Beruf und dem Kapital ausgeliefert. Die erlittene Wirklichkeit, wie auch die individuelle Wirklichkeit, die sich in Zerfall und Verfall ausdrückt und obszön als Persönlichkeit verklärt wird. Die einzigen wirklich funktionierenden Schutzmittel und Waffen gegen die Wirklichkeit sind in Geldformen zu finden. Ausschliesslich ein Koffer voll Geld, würde mich vor der Welt retten, würde die Hölle in ein Paradies verwandeln. Wo vorher nur Unmöglichkeiten waren, wären plötzlich lauter Möglichkeiten vorhanden. Ich hätte unendlich Zeit und Raum mich zu entfalten. Es gäbe keine Störfaktoren mehr. Niemand könnte irgendetwas diktieren, außer meine Fantasie und Muse, egal wie verkommen die nun wieder sein mögen. Der Tag und die Nacht wären frei. Unbelastet, unvoreingenommen und unvergiftet. Soweit das noch möglich ist.

Aber niemals findet man einen Koffer voll Geld und das Leben zerrinnt. Es verkommt unaufhaltsam und systematisch. Wenn ständig unter Existenzangst und Unvermögen improvisiert werden muss, um das erbärmliche Überleben sicher zu stellen und das ganze Leben nur noch ein widerlicher Kompromiss ist, eine Konsequenz von Entscheidungen darstellt, die niemals ganz die eigenen waren, dann bleibt nichts lebenswertes übrig. Zur Mängelexistenz kommt die Mangelallgemeinheit und umgekehrt. Es gibt nicht nur niemanden auf den man sich verlassen kann, worunter auch die eigene Persönlichkeit gehört, sondern überhaupt die gesamte Gesellschaft ist vollkommen haltlos geworden. Egal ob man nun Leistung bringt oder nicht: Jeder ist ersetzbar, aber auch zerstörbar. Die Vernichtung von Individuen und Individualität symbolisiert sich in Syrien oder im Mittelmeer. Auf die eigene Individualität kommt es genauso wenig an, wie die Individualität aller anderen. Was man geleistet hat, was man empfindet oder denkt, ist ähnlich irrelevant, wie der Wunsch nach einer anderen Welt oder Menschen, auf die man vertrauen kann. Unsere ganze Welt scheint mehr und mehr ohne Menschen auszukommen und es gibt immer weniger Menschen, die davon Notiz nehmen oder sich daran stören.

Erst hat man es satt, dann ist man übersättigt und schliesslich gibt es überhaupt keinen Ausdruck mehr für den Zustand. Dennoch soll der Tag begonnen und vollzogen werden, als wäre er voller Möglichkeiten und Entscheidungen, die man selbst treffen oder verwerfen kann. Aus Verzweiflung gerät man in chaotische Lagen, ist dauerhaft in Kränkung, Leistungs- und Konkurrenzdruck gefangen bis die ganzen alltäglichen Verletzungen nicht mehr der Rede wert sind und ihre Entzündung zur Tradition überhöht werden. Es ist als ob man ein leeres Papier in einem weißen Raum ohne Wasser, Licht oder Luft wäre. Hier und da kommt eine riesige Schere in den Raum und zerschneidet einen. Natürlich ohne Kommentar. Die Obdachlosigkeit ist nur die sichtbarste Form der allgemeinen Unsichtbarkeit aller Menschen. Der zerstörte, verdreckte, verwirrte und verarmte Mensch, der bettelnd und erniedrigt in den Einkaufsstraßen zerrissen herumliegt und wimmert, ist nur das deutlichste Erscheinungsbild, der inneren Konstitution des modernen Menschen. Viele haben Angst so ein Obdachloser zu sein, dabei merken sie nicht, dass sie es längst sind. Tatsächlich sind sie nur ein paar Mahnungen und Abmahungen davon entfernt.

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A simple mind

Die Möglichkeiten eines Menschen sind ähnlich eingeschränkt wie dessen Autonomie. Die Gewöhnlichkeit und Durchschnittlichkeit kann ich bei mir andauernd feststellen. Es gab Entscheidungen, die förderlich waren, keinen Erfolg zu haben. Die eigene Dummheit hat  eine missliche Lage dramatisiert. Das Hadern mit diesem Unvermögen wird ein lebenslanger, schmerzhafter Zustand bleiben. Schutzlos und verletzbar ist man nicht nur außerhalb der Welt, sondern auch in sich, innerhalb der eigenen vier Wände. Erwartungen, Hoffnungen, Gedanken und Ideen stellen sich erst nach Monaten und Jahren als völlig wahnwitzig und grauenvoller Zusammenhang von Verlust sowie Missverständnissen heraus. Wieder wurde Geld, Zeit und Kraft für Luftschlösser verbraten. Ein Schlag ins Wasser. Immer wieder. Einer nach dem anderen. Ein erwachsenes Kind, dass sich ständig beim Spielen blutig schlägt, und nicht merkt, dass der Ernst des Lebens ihm den Boden für diese Experimente enzieht.

Die Enge wächst mit den Lebensjahren. Die Komplexität von Erinnerungen und Erfahrungen bleibt weitgehend unartikuliert. Niemand interessiert sich für irgendetwas aufrichtig und vollständig. Es gilt gerade zu als Stigma, sich in etwas hineinzustürzen, ohne darin einen Profit erhoffen zu können. Zugleich bedrohen diese Träumereien die Reproduktion. Man wächst in die Welt hinein, damit wächst auch der Abgrund in einen selbst hinein. So zugestellt die Welt für Klarheit, Empathie oder Humanität ist, so gilt das auch für die eigene Identität. Dass nichts aus einem werden wird, wird mit den Jahren deutlicher. Alles bleibt undefinierbar. Das schwammige Nichts als Nebelwüste einer grauen Monotonie ohne Raum und Zeit oder Halt. Die uferlose Untröstlichkeit schwankt zwischen wütender Raserei und zynischer Apathie. Ich will mir nicht fatalistisch die Welt über und in den Kopf wachsen lassen, weil ich mich immer noch an die Hoffnung erinnere, sie bewusst zu beleben, aber doch wächst sie überall hin und zementiert, limitiert mich. Vielleicht ist diese Erinnerung auch stets nur eine Wahnvorstellung gewesen. Wer ihr nachgeht, zertrümmert die letzten mageren Ankerpunkte.

Die blinde Sprachlosigkeit mündet immer in Stottern, Phrasen oder unzulänglichen, peinlichen Situationen. Es sind klägliche Versuche verfolgt von Depression und Angst. Die Perspektivlosigkeit wuchert in allen Sekunden. Unterwerfung und Selbstunterwerfung werden zur produktiven, konstruktiven Macht, die alles permanent unterminiert, umdeutet, verschachtelt, bis zur Unerkennbarkeit abstrakt werden lässt. Menschen und ich, das sind stumpfe Rümpfe, kaputtgewordene Herausgefallene, entgrenzte Eingegrenzte, verzweifelte Monolithen, die nur noch mit einem Zittern, einem Bündel aus erstickten Funken, durch die Trümmerwelten ihrer Schattenexistenz irren. Das jämmerliche, verwirrende Gewirr im Getöse der Maschinerie, verkleidet die routinisierte Dauermobilisierung im Dienste der Gesamtvernichtung von allem und aller durch allem und aller. Virtuelle Simulationen dynamisieren unerkannte Abstraktionen, prügeln auf die Restbestände der Subjekte ein und gewinnen Kraft aus den geringen Aktionen und Reaktionen eben dieser. Mythen mystifizieren die schmerzhafte Realität und wer versucht daran zu rütteln, verbrennt, verrennt und verliert sich.

In Zeiten der Not wiegt nicht nur Armut, Hunger, Angst und Wut sehr schwer, sondern auch die fehlende Fähigkeit, jene Kreativität zu entwickeln, sich aus dieser Mangellage herauszuarbeiten. Alle Handgriffe nach Rettung kosten Kraft, die man eigentlich benötigt, um die Schieflage nicht noch schlimmer auszuprägen. Aber greifen muss man doch? Sich nur anzusehen wie Wahnsinn, Tyrannei und Vernichtung sich gesetzmäßig produziert, verteilt, zirkuliert und wirkt, käme einer ewigen höllenhaften Folter gleich. Diese permanente Nicht-Existenz auszuhalten, obwohl es keine revolutionäre Subjektivität zu geben scheint, und die sich laufend steigernde Wirkungskraft der brutalen Apparaturen an sich und anderen arbeiten zu sehen, ist eindeutig unerträglich. Aber es folgt dennoch Tag auf Tag, es geht weiter, die Geschichte zieht einen durch, wie der eigene Körper es laufend tut. Die Wartestellung auf das Ende enthält außerdem noch pestschwarze Langeweile. Darauf zu warten, dass der Himmel Risse bekommt und durch diesen Riss eine riesige Hand nach einem greift, ist dann wohl der Gipfel aller Wahnideen. Allerdings sind die Wahnideen das einzige worauf sich bauen lässt, wenn sonst nichts anderes als abstrakte Herrschaft möglich ist. So, ist die Verbreitung von Religionen schon im eigenen Unvermögen angelegt und daher nachvollziehbar. Das eigene Scheitern ist Teil eines Scheitern der Menschheit zu Bewusstsein zu gelangen und das Leben vernünftig zu leben.

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Don’t be afraid. We are all gonna die anyway.

Keine Sekunde darf ein Gedanken darüber verschwendet werden, was andere Menschen über einen denken könnten, wenn man bestimmte Dinge tut oder sagt. Grundsätzlich ist es daher gefragt, möglichst radikal den eigenen Impulsen nachzugehen und ihnen bestmöglichen Ausdruck zu verleihen. Die Angst vor Ablehnung oder Respektlosigkeit ist wie jede Angst letztlich irrational, auch wenn in Gefangenschaft dieser Angst, das nicht direkt auffällig wird. Wir leben in einer Abfolge von Generationen, die den Zerfall und Verfall erleben, leben und reproduzieren. Davon ist niemand frei.

Es ist entscheidend, die Kritik hieran zu maximieren, um sich nicht mit diesem Falschen gemein zu machen. Der Preis ist mit aller Wahrscheinlichkeit, dass das blanke Unverständnis von tausenden Leuten einem entgegenschlägt, schliesslich ist es normal den Alltag hinzunehmen, die Lohnarbeit zu absolvieren, sich einzurichten in den Katastrophen. Freilich gibt es gar keine andere Möglichkeit als sich zu arrangieren, um nicht direkt den Suizid zu vollziehen. Als Konkurrenz- und Rechtssubjekte sind wir ohnehin funktionalisierte, funktionalisierende Objekte, die eingerichtet sind in die Kapitalverwertung und richten diese zugleich aus. Daraus entflieht keiner, egal ob jemand nun in Bangladesh Fußbälle für ein paar Cent zusammen näht, Milliarden auf den Bahamas-Inseln zählt oder in einem besetzten Haus kiffend Fußball guckt. So divers wie die Erscheinungsformen des Lebens sind, so monoton ist ihr Wesen. Das scheinbar Intakte ist nur Ausdruck einer Trägheit von Krise, die sich noch nicht an diesen konkreten Punkt innerhalb einer Beziehung oder Identität durchgeschlagen hat. Allerdings ist nicht, wie es im Titel dieses Textes scheinbar anklingt, von Fatalismus auszugehen, wenn man die Gewissheit hat, dass alles tödlich enden wird, sondern vielmehr für die Zeit und Momente zu streiten, die bis zum Tode möglich sind. Insbesondere geht es um die Potenz nachfolgender Generationen, die sich mit den katastrophalen Folgen der jetzigen Katastrophen herumschlagen werden müssen. Insofern ist die Verantwortung für die Radikalität der Kritik stark intersubjektiv und abstrakt. Konkret dankt einem keiner, wenn man Kategorien und Sozialverhältnisse wie Wert, Gender, Staat, Kapital, Nation, Religion, Lohnarbeit als irrsinnigen Unsinn kritisiert und zurückweist. Es ist allerdings historische Pflicht auf deren Überwindung zu zielen und hinzuarbeiten.

Der Preis für diese Haltung darf nicht unterschätzt werden. Die Folgen können jahrzehntelange Einsamkeit, Armut und kräftezehrende Kämpfe ohne Aussicht auf Erfolg sein. Es gehört zur Historie der Linken grundsätzlich zu Scheitern. Die Auseinandersetzung mit komplexer Theorie verschlingt Jahre bis irgendeine halbwegs gesicherte Erkenntnis möglich ist und selbst dann ist sie womöglich schon wieder veraltet. Auch hier liegt erneut ein Grund vor möglichst radikal vorzugehen und schon beim Einteilen des Alltags keine Kompromisse mehr zu machen. Wer die Theoriearbeit vernachlässigt, vernachlässigt die Menschwerdung der Zivilisation. Die Menschheit befindet sich in der Pubertät und dementsprechend sind die Vorwürfe ihrer einzelnen Exemplare in den meisten Fällen nicht dringlich wahrzunehmen. Die ganze psychische, kognitive bzw. intellektuelle Konstitution des Subjekts wohnt im Zerfall und Verfall, denn die Fähigkeit eines vernünftigen Realitätssinn kann nicht auf der Grundlage von permanenter Mobilmachung für die Kapitalakkumulation gedeihen, auch wenn der produzierte Überfluss eine Dynamik der Möglichkeit zur radikalen Veränderung dieser unmündigen Verhältnisse enthält.

Fehler werden andauernd gemacht. Keiner ist frei von Mängeln. Perfektion wäre Ausdruck von Unmenschlichkeit. Daher darf man sich die eigene Mangelexistenz zugestehen, aber sollte sie zugleich nicht idealisieren. Also keine Angst vor Fehlern, sie sind vielmehr Wegweiser zur wünschenswerten Realität. Die Menschen vergessen einen ohnehin laufend. Sie nehmen häufig nicht einmal Notiz von sich selbst. Alle sind sich fremdgeworden und bluten aus sich heraus. Die Unzuverlässigkeit und Oberflächlichkeit menschlicher Beziehungen resultiert vornehmlich daraus, dass sie dem Kapitalprozess anhängen. Der Zerfall von Empathie und Intellekt kommt daher, weil dieses Vermögen ausschliesslich auf einen monotonen Zweck zugerichtet wird. Generation für Generation war das Wirtschaftswachstum der größte und einzige Imperativ. Alles andere zog sich dem nach. Häufig werden technologische Faktoren wie Smartphones für die Unfähigkeit zur Zwischenmenschlichkeit angeführt, aber das verkennt den inneren Gehalt unserer Gesellschaft. Die sich permanent überschlagende und umwälzende Politökonomie geht von den Individuen aus, die sich damit zugleich ebenso permanent zerstören und für neue Anforderungen der Wertverwertung modernisieren. Dass der Mensch sich permanent selbst verdinglicht und damit die ganze Identität auf eine Maschine reduziert, erzeugt u.a. permanent psychische Gebrechen. Depressionen und Burn-Out gelten als Massenphänomen, aber es gibt auch mildere Subformen davon, die man logischerweise als noch weiter verbreitet vermutet werden können. Auch hier ist wieder ein Argument zu finden, warum man sich nicht von anderen Menschen nicht abhängig machen kann. Ihre Urteile und Verurteilungen beruhen nicht nur auf Antiintellektualismus und Zivilisationsfeindschaft, sondern auch auf Verzweiflung und Regression. Wer diesen Irrationalismus Ernst nimmt, ist selbst Teil davon und wird entsprechend nie wieder glücklich im Leben, obschon Glück ohnehin eine generelle Marginalität ist.

Ohne Distanzierung von der allgemeinen gesellschaftlichen Realität zum Beispiel durch Arbeitslosigkeit, wird auch keine radikale Kritik an ihr möglich sein, weil die Lohnarbeit den Intellekt genauso korrumpiert wie das emotionale Gefüge. Lohnarbeit macht dumm und krank, raubt wertvolle Lebenszeit, wenn nicht gerade das seltene Glück getroffen wurde, von der Kritik monetär leben zu können. Und selbst dann besteht die Gefahr, dass aus Existenzängsten oder ökonomischen-politischen Krisen heraus eine Kündigung droht und daher eine Anpassung also Beschneidung der radikalen Kritik erfolgen muss. Niemand kann einem irgendetwas garantieren. Jeder ist austauschbar. Alle sind abhängig von der Kapitalakkumulation. Es gibt keine Autonomie davon. Permanent ist mit einer enormen Unreife des Geistes und der Tat zu rechnen, die von einem selbst aber auch anderen performativ mehr oder weniger streng und heftig realisiert wird. Selbsterkenntnis bedeutet auch Selbstzerstörung im Sinne von Vernichtung der persönlichen Illusionen, was harte, undankbare Arbeit bedeutet. Wer sich selbst der Illusionen beraubt, der steht ungefiltert einer grauenhaften Realität gegenüber, die allgemein stets verklärt wird. Die lohnende Qualität hierin liegt ausschliesslich darin, dass bei Fortsetzung dieser Tätigkeit eine aufklärende Erklärung ausgebreitet werden kann, die auch andere Menschen inspiriert, diesen Prozess bei sich anzugehen, was letztlich soziale Realität wandeln wird. Allerdings ist das eine sehr romantische Vorstellung, die selbst eingestehen muss, dass das Jahrzehnte andauert, keine Garantien enthält und zugleich permanent bedroht ist von der krisenhaften Alltäglichkeit von Identität bis Kapitalverwertungsprozess.

Der allgemeinen Unkenntnis, dem permanenten Vergessen wohnt auch das Glück inne, sich davon loszulösen und innerhalb von deren blinden Flecken eine Existenz zu fristen, die sich bei entsprechender Hingabe nahezu komplett davon distanziert. Es wird zwar immer ein Restbestand von ekelhafter Instrumentalität und Formalisierung in der eigenen Identität und Realität existieren, aber man kann diesen über Kritik unschädlicher machen, als wenn man sich ohnmächtig ergibt, wie es die breite Masse der Individuen in der Wirtschaft, Politik, Kultur, Kunst, Sport und diversen anderen Segmenten der Gesellschaft unternehmen. Der Konformität aller wohnt auch ein Zauber zur Revolution inne, den es zu erlernen und vollführen gilt.

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Gekränkte Charaktermasken

Es gibt eine unbewusste Angst vor der Erkenntnis, welche sich in dysfunktionalen Verhaltensmustern äußert. Die Zivilisationsfeindschaft zeigt sich in konkreten bis diffusen Antiintellektualismus. Das geringe Aufmerksamkeitsvermögen hilft ungemein dabei, nicht hinsehen zu müssen und davon abzusehen, die unbewussten Verhältnisse bewusst zu gestalten. Die grassierende Verantwortungslosigkeit von der direkten Nachbarschaft bis in die Spitzenpolitik zurück ins eigene Hirn, reguliert und definiert die alltägliche Verklärung, Ignoranz, Schiefheilungen und Fehlleistungen. Hieraus ergibt sich eine Denunziation der Erkenntnis sowie ihrer Möglichkeiten. Die Lust am Verdrängen, war historisch stets größer als die Lust zur Erkenntnis und Vernunft.

Die Individuen internalisieren den politökonomischen Verwertungszwang, bilden hieraus ihre Identität, machen sich gleich mit dem Falschen, verdinglichen, instrumentalisieren, formalisieren, entleeren sich, um die Reproduktion der Vernichtung der Zivilisation in modernisierter Form dynamisch zu entfalten. Nachdem also in jeder Kindheit die Individualität sich über Konformität, Gebote und Strafen erst zerbricht und dann zusammensetzt, erfolgt über Ängste, Projektionen, Zwangsgedanken, Gelüste, Obsessionen eine Zementierung und Zuspitzung der individuellen und allgemeinen Ohnmacht und Todessehnsucht. Weder in den persönlichen Beziehungen, im eigenen Körper noch im Unternehmen oder in den Parlamenten ist das Individuum sein eigener Herr. Das Individuum unterliegt als Verleiblichung der Wertverwertung dem Tauschwert gemäß Marx und den unbewussten Triebkräften des Es gemäß Freud. Das Ergebnis ist eine systematische Irrationalität, die laufend individuell internalisiert, interpretiert, aktualisiert und reproduziert wird. Ausdruck davon sind u.a. die destruktiven Befriedigungsformen, die sich politisch im Postnazismus bzw. Nazismus äußern.

Die Welt ist nur noch über den Rückzug in die Kunst und Theorie zu ertragen. Hierbei ist die Dosis möglichst hoch zu halten. Exzessive mehrstündige Sessions in der Theorie und in der Musik sind ein elementares Therapeutikum: Eine kurzfristige Notmaßnahme und Intervention gegen den eigenen und allgemeinen Zerfall. Wenn noch etwas intakt ist, dann die Klarheit des Arguments oder die Dopeness des Vibes. Aber das ist schon Verklärung, eine kitschige bis infantile Romantik, die einer näheren Prüfung nicht stand hält. Die einen stürzen sich in Schlager, die anderen in Vaportrap. Prekär ist die Anlage der Ästhetik von Kunst und der Erkenntniskraft von Literatur, werden sie doch gemeinsam aus dem Elend der Welt geboren. Der Rückzug ins Private ist gar keiner, denn ein Rückzug ist per se unmöglich geworden, weil die Totalität der politökonomischen Vernichtung aller Lebensformen im Sinne des Tauschprinzips alle Exklaven ausgerottet hat.

Die Herabsenkung des Reflexionsvermögens z.B. via Lohnarbeit führt zum Abschluss einer Barbarisierung. Stoisch bis fatalistisch wird das alltägliche Leiden als notwendig akzeptiert. Milliarden Menschen nehmen sich durch willentliche, findige und religiöse Vergötzung zerstörerischer Sozialstrukturen selbst in Geiselnahme eines dialektischen, übermächtigen Unvermögens, wodurch die Realität nicht so gesehen wird, wie sie ist, womit ihre Umgestaltung nach rationalen Kategorien so denkbar scheint wie fliegende Esel. Apathie, Gedankenlosigkeit, Oberflächlichkeit, Rücksichtslosigkeit, Zerfall von Empathie und Intelligenz sind logische Ursachen und Wirkungen einer falschen Welt. Die Menschen sind nur noch wandelbare Abziehbilder und Erfüllungsautomaten der blinden, giftigen Politökonomie, zertrümmerte Wüsten in potentiellen Oasen. Ihnen scheint das Zermalmen Engelsgesang und Teufelsgeschrei zugleich. Die Religiosität der Alltagskultur unterscheidet sich nicht von einem Indianerstamm, obwohl dieser wenigstens noch Ursache und Wirkung in einer Verbindung sehen wollte. Zivilisation bedeutet heute Irrationalität zu rationalisieren, Wahnsinn als Notwendigkeit zu legitimieren, was Hungertote bei gleichzeitigen Wegwerfen von Millionen Tonnen frischer Lebensmittel zum Naturgesetz erklärt. Das Leiden der Menschen ist für die Menschen kein Anlass es abzuschaffen, sondern ist Ansporn, sich noch stärker an die Ursache des Leidens anzuschmiegen.

Ein Ausweg aus der Unmündigkeit kann nur die Potenzierung der Aufklärung bedeuten. Kurzfristige, mittelfristige und langfristige Interventionen gegen die aktuellen Regressionen sowie ihre Ursachen sind das höchste Mittel zur Überwindung des Autoritarismus und Irrationalismus in seinen Millionen Formen und Facetten. Dementsprechend stringent ist die Argumentation auf Psychoanalyse bzw. Erkenntnisse von Freud, Marx, Adorno und vielen anderen zu konzentrieren und auszubilden.

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Das Leben ist zu kurz

Man hinkt immer hinterher. Niemals ist man der Zeit voraus. Stets versucht man vergangene Fehler zu korrigieren, aber es ist unmöglich sie endgültig zu lösen, denn niemals reicht die Zeit. Das Leben ist zu kurz, um alle Sprachen zu lernen, alle Länder zu erkunden. Gleichgültig, ob man nun das Universum oder die eigene Identität verstehen will, am Ende reicht ein Leben nicht dafür. Es ist auch nicht möglich mit allen Menschen zu sprechen. Und wenn man schon Schwierigkeiten hat in einem Leben sich selbst zu kennen, wie soll man dann überhaupt irgendeine andere Person richtig kennenlernen? Wieviele Chancen wird man wohl haben sein Leben völlig anders zu leben als es die Eltern und die direkte Umgebung für einen vorgesehen haben? Wieviele Lebensweisen sind ausprobierbar? Wieviele Karrieren sind denkbar? Vielen fällt bereits mit 30 das Haar aus. Das ist das erste Signal für das Ende. Eine Runde noch vor dem Kollaps. Die Zeit reicht nicht um alle Pflanzen und Tiere zu betrachten. Sämtliche Sportarten können genausowenig erprobt werden wie sämtliche Bücher gelesen, Filme gesehen und Bands gehört werden können. Wie oft kann man verliebt sein? Reicht das Leben überhaupt für eine einzige Liebschaft? Wieviele Entscheidungen kann man treffen bevor es zu spät ist? Wieviele Fehler kann man erkennen und korrigieren bevor es zu spät ist?

Die Kindheit rauscht an einem vorbei, die Pubertät ist ein Schluckauf, erst in den Zwanzigern rührt sich was: Man ist ja lebendig, aber eigentlich ist es schon vorbei, denn wieviel kann man vom Leben noch erwarten? Es gibt diese kurze Party der Jugend und dann verrinnt das Leben ohne Ankündigung sogartig ins Nichts oder zu den Jüngeren. Und es gibt immer Jüngere. Generation zu Generation vererbt sich der Verlust von Zeit, Jugend und Möglichkeit. Im Alter senken sich alles ab. Alles was hart war, wird härter. Alles was brüchig war, bricht. Alles vergeht mit einem selbst, ob man sich nun lebendig fühlte oder nicht. Das ist wohl auch nicht dramatisch, denn vergessen wird man bereits zu Lebzeiten. Der Tod war schon in der Kindheit ein düsterer Begleiter. Ich hätte als Kind sterben können. Als Teenager. Es wäre ein Akt der Rebellion gewesen. Aber je älter man wird desto eher wird es zur Normalität. Je mehr Lebenszeit man angehäuft hat, desto eher findet man die Zeit für das Absterben, ob man will oder nicht. Die Lebensroutine konzentriert sich dann immer weniger auf das Leben und dessen Potenz, sondern auf Zahnersatzversicherungen, Altersvorsorge und künstlichen Darmausgang. Die Zeit läuft einem davon. Je älter man wird desto eher wird das deutlich. Alles wird komplizierter und unübersichtlicher.

Ich wollte sovielen Dingen gerecht werden, aber rückblickend ist nie etwas gelungen. Wo ist das Wesentliche abgeblieben? Am Schwersten wiegt, dass man das Glück nicht festhalten konnte oder wollte, als es einem in der Wüste von Glücklosigkeit unverhofft in die Arme lief. Seither versuche ich die Erinnerungen daran lebendig zu halten. Wie sah die Situation aus? Wonach roch, schmeckte alles und wie fühlte es sich an? Was hätte ich tun oder unterlassen sollen? Warum konnte ich das nicht stabilisieren und fortsetzen? Wieso kann man die Zeit nicht zurückdrehen? Alles vergeht und das wars. Es ist hart. Nichts kommt zurück. Alles verändert sich unerbittlich. Man verwelkt wie eine Blume und ist genauso wie sie gebunden-zementiert auf die eigene Herkunft und Möglichkeiten. Immer gibt es dieses Warten auf eine entscheidende Idee, die die Reduktion zerstört und endlich Entfaltung walten lässt. Aber die Einfallslosigkeit ist fester Teil meiner Identität. Es gibt daher keine Rettung. Es wird immer so sein bis es schlimmer wird. Die wiederkehrenden Gedanken sind Ausdruck der inneren und äußeren Monotonie. Seit Jahren wiederhole ich wie eine Maschine die gleichen Abläufe mit einigen wenigen Varianten. Die Varianten scheinen mir als hohes Risiko und mutig, aber substantiell werfen sie nichts ab. Was bleibt sind eine enorme Menge von bitteren Erfahrungen, die ohne großartige Erkenntnisse in einem verglühen. Das Leben wächst einem über den Kopf.

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Eingeordnet unter Emotionales, Nicht kategorisiert

Der freie Fall

Immer noch lebendig. Ich bin nicht tot zu kriegen. Hatte es auch nie angestrebt. Die Grenze der Leidensfähigkeit bestimmt sich durch die depressive Gleichgültigkeit. Ironischerweise hält gerade die Depression das Leiden in Grenzen. Wie schwarze Watte stemmt sich das innere Elend gegen das äußere Elend, obwohl oder gerade weil es sich gegenseitig bedingt. Im rücksichtslosen Herumlungern und Verkommen, dem dramatischen Dauerscheitern und Verwahrlosen hängt ein letzter Hauch von Weigerung und Lebenslust. Wahrscheinlich sollte ich das nicht glorifizieren, denn diese Flamme taugt sowieso zu nichts und erstickt mit Sicherheit von selbst, wenn man sie nur zu lange betrachtet. Die Frage ist, ob der Abgrund sich nicht auch relativiert, wenn man in ihn nur lange genug hineinblickt? Wenn der Abgrund in einen hineinblickt und man sich selbst zu eben diesen dadurch macht, so ist er doch auch gebannt. Man steuert den Abgrund als abgründige menschenartige Ruine und Gewissheit über das allgemeine Grauen sollte zumindest einen Überblick über das Schlachtfeld erlauben.

Es wird keine Rettung geben. Das ganze Leben wird eine Katastrophe bleiben. Die Trostlosigkeit ist eine viel größere Konstante geworden und geblieben als alles andere in meinem Leben. Egal was die Fantasie hergibt, die ohnehin stumpf- und rumpfartig ein absolutes Schattendasein führt, von der Flucht in andere Länder, Branchen, Sprachen, Milleus mit Drogen, Arbeit oder Sexualität: Überhaupt nichts überzeugt, um zu stabilisieren, weil die Realität von mir, anderen und allem immer Krise, Angst und Terror gewesen ist. Man steigt als alternder Kapitän ohne Mannschaft auf einen immer brüchiger werdenden Kutter und hofft wenigstens etwas bessere Sicht als zuletzt zu haben, obwohl man ja doch wie die Jahre zuvor nur im Packeis der Arktis festgefroren ist. Millionen Kilometer ist da einfach nichts. Kein Weg, keine Straße, keine Schilder, kein Ton, keine Gesichter. Rufen ist genauso nutzlos wie Suizid oder Weiterleben. Man beginnt Schwierigkeiten zu haben sich selbst zu erkennen und verliert sich mit dem Alterungsprozess immer mehr. Wahrscheinlich war sowieso nie etwas erkennbares vorhanden.

Dieses Zwischenreich bringt die eigene Existenz in eine merkwürdige Metamorphose. Bedingungen von Denken und Fühlen höhlen beides aus bis nur noch eine Nulllinie übrig bleibt. Man isst zwar, aber satt wird man nie. Man schläft, aber ausgeruht ist man nie. Man spricht zwar, aber gesagt wird nie etwas. Man trifft Menschen, aber man begegnet ihnen nie. Ständig passiert etwas, aber erfahren tut man es nie. Das Fernglas zerbricht unter der gefrorenen sozialen Dimension. Man steht auf der Brücke, der Eissturm brennt auf der Haut, die Schneestürme wirbeln um die Insel auf die man sich verständigt und zurückgezogen hat. Alles scheisse. Schon wieder. Immer noch. Andauernd. Überall tauchen Risse auf und Eiswasser rinnt in den Kutter. Man kann nur hoffen nicht zu schnell hinabzusinken oder zu erfrieren. Aber diese Hoffnung ist unlängst von der Gewissheit getrübt, dass man ohnehin nie Glück haben wird. Selbst wenn man überlebt, wird man nie ein Mensch sein. Es hat doch nie etwas anderes als Eiswüsten gegeben, an denen man sich blutig schlug. Warum sollten üppige Reserven gefunden werden, die das Hungern beenden? Warum sollte auch nur ein einziger verlässlicher Mensch gefunden werden, wenn er schon in der Vorstellung undenkbar ist? Warum sollte eine Idee gefunden werden, die aus der Hölle hinausführt? Wieso sollte auch nur irgendein Wort, dass einem einfällt, auch nur irgendwie helfen?

Gewiss ist nur, dass man müde und älter wird. Der Zerfall, die Zerstörung, die Trauer, das ist sicher. Schmerz, Wahnsinn und Ohnmacht darauf kann man seine Existenz bauen. Wenn der Körper dann seine verbissene Routine aufgibt und stirbt, kommt es zu einer ersten und letzten Ablöse der üblichen zentralen Gefährten von Existenzangst, Perspektivlosigkeit, sozialer Isolation, Antriebslosigkeit bis Hoffnungslosigkeit, Ratlosigkeit, Sprachlosigkeit und Teilnahmslosigkeit. Die Verkrampfung löst sich dann endlich, aber nur um überhaupt alles noch gleichgültiger zu machen. Wenn die Finger schwarz werden und einem abfallen, ausgerechnet dann hat man es geschafft. Das Leben dient offenkundig nur noch als Überlebenskampf, als ein Leben, welches überwunden und ertragen werden muss. Soweit ist alles vergiftet. Alles wiederholt sich engstirnig, die geringen Variationen reduzieren, formalisieren sich laufend und täglich grüßt das Murmeltier.

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Schiefheilungen in der Konserve

Die Flucht vor der Gesellschaft ist gänzlich unmöglich geworden. Ausschliesslich im Absurden und Surrealen können Momente der unreglementierten Erfahrung kurz aufblitzen. Die wilden, metaphysischen Zerrbilder der traum- bis alptraumartigen Szenen von David Lynch bildeten in meiner Jugend, die einzige Option die Realität noch auszuhalten. Unausweichlich war jedoch das gesellschaftliche Greifen nach meinem Körper und meiner ganzen Identität. Alle Freizeit hatte ein allzu schnelles Ende und blieb die Kehrseite der Arbeitszeit, die mich von Jahr zu Jahr stärker zerstückelte und aufrieb. Die Trümmergestalt von heute, war damals noch ein stumpfer Rumpf, der hier und da in den Rissen der kapitalistischen Totalität an den letzten verrinnenden Quellen kostete, die das Leben noch ausspie. Mit der Zeit verlangsamte sich die wilde Dynamik meiner hysterischen Höhenflüge durch unzählige Stürze. Ich barbarisierte mich regressiv, da die unmenschliche Gesellschaft sich nur durch mich reproduzieren kann. Die Umwälzung der Welt wälzte mich um, entriss mich meiner, noch bevor ich reflektierend zu ihr verhalten konnte. Meine luziden, bruchstückartigen Träumereien zerfielen unter dem nationalen-ökonomischen Marschieren der Nachbarn, Kollegen und Bekannten. Alles infantilisierte, faschisierte und entmündigte sich unentwegt. Mit Schrecken und aus sogenannter Liebe wurde auf mich eingeprügelt, wenn in mir der Schmerz der falschen Welt aufzuckte. Es musste alles mit der Maschine identisch sein. Erwachsen werden bedeutet vergessen lernen. Die Fantasie wird schwarz. Übelriechende Fäulnis im sumpfartigen, tauben Nichts voller unsagbarer Katastrophen. Die jetzigen Unzeiten sind Urgewalten mit unendlicher Brutalität und Tragik, die sich als unerkannte Ungetüme in alle Gemüter und Gedanken beissen. Ich war erst traurig geworden, dann untröstlich, schliesslich stumm. Alles verschlug die Sprache und Empfindlichkeit. Es gab keinen Halt und es gibt ihn immer noch nicht. Die Schatten der Vergangenheit, die ich als meine Jugend versuche zu identifizieren, sind lauwarme Schleier, die sich beständig auflösen. Die letzten Momente voll üppiger Zärtlichkeit, sind wie Erinnerungen eines Anderen längst Verstorbenen. Dieser allgemeine Verlust, der nicht nur ein individueller, sondern kollektiver ist, stellt ein offenbar unüberwindbares Trauma dar, welches sich zunehmend intensiviert. Die Abdichtung und Absperrung korreliert mit einer totalen Mechanisierung. Ich weiss nicht, ob jemals noch etwas anderes als Grauen und Schaudern blühen wird. Es ist nicht nur leicht blind zu sein, sondern leichter. Denken, Schreiben und Diskutieren sind ein Tasten, das schmerzt, weil immer Wunden berührt werden, die das Leben als ausdruckslose, wütende Maschine generell produzieren muss. Die Geschichte ist wie ein unendlicher Polizeigriff, der mit Schmerz die Kooperation mit den mystischen Monstern von Staat bis Kapital erzwingt. Alle kennen die Drohung, halten still in Raserei und Schinderei. Terror bläst sich in jede Kindheit und richtet das Trümmersubjekt auf, damit es in neuen Kleidern das Alte vollzieht, was immer schon gesetzt und ausgehandelt wart.

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Eingeordnet unter Emotionales, Nicht kategorisiert

We are Trump

Um eine Verbesserung der gesellschaftlichen Bedingungen herzustellen ist die Reflexion der eigenen Sozialisation, Familie, des persönlichen Umfelds, der Werte, Normen, Persönlichkeit notwendig. Dies alleine ist eine eklatante Selbstreflexion bzw. Reflexionsleistung, die von unserer Gesellschaft grundsätzlich nicht gefordert wird. Sie fordert lediglich Akzeptanz, Gehorsam und Übernahme all dessen, was ein Individuum seit Geburt vorfindet. Und weil die Gesellschaft unangepasstes Verhalten bestraft, ist das wichtigste, nämlich die Erkenntnis, nebenbei zu machen, wenn nicht gerade das Glück existiert, dass Freunde oder Familie einen unterstützen. Zu einem gewissen Grade ist es in jeder Gesellschaftsform üblich, dass nachkommenden Generationen etwas aufoktroyiert wird. Allerdings schiebt sich in unserer spezifischen Gesellschaftsform noch eine Dimension hinein, nämlich der irrationale Charakter der jetzigen Epoche. Dieser drückt sich im Zwang aus Profite zu maximieren. Dieser Zwang ist total geworden und damit als zweite Natur unwidersprochen anerkannt worden, sodass er permanent unhinterfragt reproduziert wird. Zugleich wurde nach zwei Weltkriegen die tatsächliche Konstitution der Gesellschaft verleugnet, die u.a. die Shoa überhaupt erst ermöglichte. Die Verhältnisse wurden nie insoweit verändert, dass die Shoa unmöglich wieder stattfinden kann. Mehr noch: Man hat den Faschismus demokratisiert. Ausdruck dessen lässt sich u.a. in allen Rechtsbewegungen weltweit in jüngerer Zeit erkennen.

Somit kämpft das Individuum also nicht nur gegen die eigene Regressionen, Verhärtungen und ringt um Selbstreflexion, sondern es kämpft auch gegen die nähere sowie fernere Regressionsleistung der sozialen Umwelt, die zugleich Erwartungen stellt, die über Lebensqualität und Reflexionsfähigkeit entscheiden. Wer arbeitet wird in diesem Zusammenhang dümmer, weil er einem Prinzip nachgeht, welches Reflexion nur im Sinne der Kapitalakkumulation benötigt und demnach jegliche Gedankenprozesse bestraft, die davon ablenken oder sogar auf eine Abschaffung zielen. Zugleich lässt sich die Erkenntnis über die Unwahrheit unserer Gesellschaft nur auf der individuellen Ebene leisten, da die Totalität sich tief in die Menschen eingegraben hat. Die Gesellschaft droht permanent in Banden zu zerfallen bzw. organisiert sich über Banden, d.h. auch Wissen wird nur innerhalb von Banden geteilt oder verhandelt. Ohne eine Bezugsgruppe, die spezifische Reflexionsgrade erreicht haben, um die Gesellschaft auf eine sinnvolle Weise zu hinterfragen, wird die Reflexionsleistung des Individuums ohne geniale Disziplin oder Kreativität schwach bleiben. Zugleich lässt die Auffindbarkeit von reflektierten Gruppen oder Individuen mit dem fortschreiten der instrumentellen Vernunft systematisch nach, weil traditionell, wie gesagt, nur systemimmanentes Wissen belohnt wird.

Die Fähigkeiten des gesamten Bewusstsein oder der gesamten menschlichen Intelligenz sind fest an den Produktionsverhältnissen verankert. Sie tradieren, manipulieren, segregieren, vernichten, wühlen im Menschen und durch den Menschen, reproduzieren die Herrschaft des Menschen über den Menschen. Die Menschen verhalten sich zu Menschen wie Dinge zu Dingen und der Mensch behandelt sich  selbst wie ein Ding, welches zu bearbeiten ist wie ein Bergwerk. Je länger er in sich wühlt und optimiert, desto leerer ist er im Verlauf des Lebens. Die permanente Mobilmachung im Sinne der kapitalverwertenden Nützlichkeit hält die Individuen derart in Atem, dass nur leere Wissensformen, die im Sinne eines Reiz-Reaktions-Schemas abgespuhlt werden, angewendet werden. Diese Logik arbeitet ins uns allen und der Kampf dagegen ist das Interesse der Menschheit. Trump ist eine Persönlichkeit, die für eine postnazistische Ideologie steht, die sich gerade durch eine opportunistische Anpassungsleistung an diese zerstörerischen und irrationalen Verhältnisse auszeichnet. Wahllos prügelte er auf Minderheiten ein, schliesslich gelten sie auch in der Kapitalakkumulation als wenig profitabel. Zugleich wohnt in seinem Größenwahn auch der Wahn, der stumme Schrei der narzistischen Kränkung, die der Kapitalismus jedem Individuum in jeder Kindheit mehr oder minder stark antut. Die Popularität des neuen US-Präsidenten zeigt den weiten Verbreitungsgrad der autoritären Persönlichkeit, die jegliche Reflexion über sich und die anderen ausschliesslich im Sinne des Profits unternimmt.

Das Wissen, welches zur Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse im Sinne einer Abschaffung von Hunger, Krieg, Antisemitismus, Antifeminismus, Rassismus, Antiziganismus, Homophobie uvm. nötig wäre, setzt sich nicht durch, weil es keine Profite abwirft, weil es der systemimannenten Logik widerspricht, weil keine kapitalkräftigen Banden für sie kämpfen. Die Atomisierung, Entpolitisierung und Entleerung der Individuen lässt sich akut in allen sozialen Beziehungen deutlich erkennen. Die Profitmaximierung hat die Individuen so stark erschüttert, so häufig ins Gesicht geschlagen, dass sie immer stärker in ihrer Regression, Verantwortungslosigkeit aufgehen und ein postfaktisches Zeitalter mit faschistoiden, islamistischen, nationalboschewistischen bis technokratischen Führerfiguren wie Trump, Petry, Hofer, Putin, Erdogan, Gabriel, Wagenknecht und Co. begründen. All hope is gone, denn es gibt keinen Ort außer der immer schwächer werdenden Reflexionsleistung des Individuums, welches sich auf unzähligen Fronten und Ebenen zu behaupten hat, während es zugleich das so wichtige revolutionäre Potential erfassen, denken und ergreifen muss. Panik, Angst, Wut und Trauer sind keine guten Ratgeber, aber sie sind alles was neben all den Erschütterungen, Katastrophen und Umwälzungen in den letzten Jahrzehnten übrig geblieben ist.

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Capital Angst

Es ist nicht nur so, dass es permanent an Geld fehlt. Es fehlt auch an Bindungsfähigkeit von Beziehungen. Gleichgültig ob im studentischen Milleu, der heimischen Familie oder im rationalisierten Berufsfeld: Die fehlende Garantie, dass irgendeine Geste, Handlung oder Aussage zur Stabilität führt ist allgegenwärtig. Die Garantie ist nie dagewesen. Es ist auf keinen Menschen, den man je getroffen hat, Verlaß. Niemand ist sicher. Die fortschreitende gesellschaftliche Verwandlung durch Umwälzung ist Zerstörung und diese Vernichtung entleert, zerstreut und definiert Zwischenunmenschlichkeit.

Auf Fragen folgt Stille, auf Ideen folgt Stille, auf Hoffnungen folgt Stille, auf Zärtlichkeit folgt Stille. Jahre vergehen voll mit Stille. Ist das die Stille nach, vor oder mitten im Krieg? Unsere Gesellschaft ist auf der Grundlage des Nationalsozialismus enstanden. Es ist Ausdruck der Demokratie Menschen durch Arbeit zu vernichten. Wir sind ihre Apologeten und Produzenten. Die rationalisierten mystischen Riten unseres Alltags werden hingenommen, ertragen, mitgetragen, weiterentwickelt, obwohl Menschen bereits jetzt kaum mehr als Stümpfe sind. Das Nebulöse des Lebens lässt sich nicht mit wilden Handbewegungen vertreiben. Es gibt keine Strategie aus diesem asozialen Labyrinth, sofern die Lage nicht erkannt wird.

Erst wenn der Eindruck entsteht, dass die eigene Anspassungsleistung derart erwachsen ist, dass andere davon profitieren könnten, wird aus der Stille eine ominöse, verdächtige Lärmigkeit. Die Gewissheit über einen Menschen lässt sich vornehmlich nur dann klären, wenn es um Fragen von Geld geht. Die Beziehungen sind durch das Kapitalverhältnis in permanenter Umwälzung geprägt, sortiert, demgemäß ist es nur logisch, dass Prestige sich ausschliesslich über Macht, Gewalt oder Kapital ausdrückt. Etwas riskieren, organisieren, entwickeln, konsumieren können nur jene, die es sich leisten können. Jenen, denen es an solcherlei Prestige mangelt, werden außenvor gelassen, vergessen, abgelehnt, denunziert, indirekt oder direkt ermordet.

Die ganze Wertigkeit eines Menschen wird also von kapitalgesteuerten Konkurrenzbeziehungen vornehmlich definiert. Erst das Geld erlaubt Souveränität und lässt Angst im Alltag durchstreichen. Fehlen die monetären Mittel, ist Existenzangst vorprogrammiert, genauso wie soziale Ächtung und der totale Niedergang. In einer Gesellschaft von Mitmachern und Mitläufern, die die strukturellen Ursachen vergangener Katastrophen von Weltkriegen bis Holocaust in der jetzigen Gesellschaft verdrängen, ignorieren und mit ihrer Tätigkeit aufrechterhalten, ist keine Solidarität, Empathie, Unterstützung, Freundschaft oder auch nur ein längeres, vertrauensvolles, reflektiertes Gespräch zu erwarten.

Blickt man herum, im Nebel des Alltags, so ist da niemand außer man selbst. Greift man nach anderen, greift man ins Leere, egal ob man sie nun umarmt oder ihre helfende Hand benötigt, um nicht zu ertrinken. Und umarmt man sich überraschender Weise doch, ertrinkt man un­ver­se­hens zusammen. Die Alltagsroutine sämtlicher Milleus ist von einer gespenstischen und barbarischen Egalität gegenüber bzw. unter allen Konkurrenzsubjekten geprägt. Wichtige Informationen, um den Alltag zu bewältigen oder gar monetäre Mittel zu erlangen, die überlebenswichtig sind, erlangen nur elitäre, rücksichtslose Minoritäten, Interessengruppen, die sich unter die sowie um die Kapitalakkumulation herum formieren und gegen andere Banden verteidigen. Cliquen simulieren Nähe und Intimität, die objektiv überhaupt nicht gegeben ist. Da alles kalt, tot und irre ist, haben sie permanent Krise und Hochkonjunktur zugleich.

Ohne permanente Demonstrationen der Macht, Stärke, Fleiss und Konformität droht das Individuum unterzugehen und vernichtet zu werden. Alles unter dem Banner der Freiheit und Demokratie. Zugleich ist die Individualität von Geburt an als konformes Bandenmitglied festgestellt. Niemand ist frei, wenn er dem Diktat von Kapital folgen muss und etwas Kapital nur erlangt, wenn er einer Interessensgruppe folgt, die vom Kapital geprägt und abhängig ist. Der Arbeitsplatz in einer Abteilung eines Unternehmens, der einem den Alltagsinhalt maßgeblich auferlegt und sämtliche Emotionen oder Gedanken gewaltsam strukturiert, schliesslich ist Lohnarbeit kein Wunschkonzert, ist Ausdruck dieses Machtverhältnisses. Die Lehrpläne an den Schulen und Universitäten, die auf die Studenten nonchalant als Gewalt- und Machtverhältnis einwirken, denn ohne Gehorsam ist kein Abschluss zu machen, strukturieren indirekt das, was das Kapitalverhältnis wünscht. Darüber sind alle erschrocken und geschockt, lenken sich dann aber aufgrund der Geschlossenheit dieser Totalität mit irrwitziger Betriebsamkeit von dieser Erfahrung ab.

Das Streben nach einem normalen Leben innerhalb dieser Umstände bedeutet automatisch die Sortierung der Menschen nach Zwecken, Interessen, Nützlichkeit, Anpassungsgrad gegenüber dem Kapital. Diese Sortierung ist Zerstörung. Sie bedeutet Verdinglichung und Negation aller Manigfaltigkeit. Prestige, Beziehung, Individualität, Schönheitsideale oder Werte oder Charakter sind demnach direkter Ausdruck der Kapitalakkumulation. Diese Monokausalität changiert dialektisch innerhalb und über unzähligen Vermittlungsformen. Der Habitus einer Charaktermaske funktioniert unter Zuckerbrot und Peitsche des Kapitals. Die Hoffnungslosigkeit  niemanden zu finden, der vertrauenswürdig ist, ist schon zutiefst im Menschen über das gesellschaftliche Verhältnis angelegt. Darin liegt die Trost- und Ausweglosigkeit unserer Moderne.

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Vergeblichkeit & Einförmigkeit in der Weltlosigkeit

Unsichtbar und nonverbal setzt sich die Katastrophe über die monokausale Kapitalvewertung durch. Mangel ist für den modernen Menschentyp charakteristisch. Meine Eltern und ich waren stets atomisiert. Wir flohen vor den Mauern und Selbstschussanlagen der DDR in eine vermeintlich bessere Welt. Aber diese neue Welt brachte ständige Wechsel der Arbeits- und Wohnorte mit sich. Die Hinwendung zur Kapitalakkumulation hat unsere junge Familie anonymisiert und die Zerrissenheit über ganze Generationen hinweg geprägt. Die Entfremdung gegenüber Opa, Oma, Onkeln, Tanten, Cousinen und Cousins, von Nachbarn, Bekannten, alten Weggefährten, wurde in Kauf genommen für ein vermeintlich besseres Leben. Doch alles war schon während dieser hoffnungsvollen Entscheidung verdorben. Balzac sagte einmal, dass das Leben ohne großes Vergessen nicht funktionieren würde, aber der Kapitalismus besteht heutzutage aus einer enormen Selbstvergessenheit der Individuen. Kein Wort bedeutet heute noch etwas. Die Priorität des Alltagslebens wird stets pragmatisch auf das gesetzt, was sich augenscheinlich am wichtigsten aufdrängt und selbstsetzt: Die Kapitalakkumulation. Aber dieses Prinzip ist, folgt man Marx, falsch und zerstörerisch für alles. Diese Reproduktionsform brachte höhere Produktivkräfte, aber es hat die Menschen, die kaum welche waren, entleert. Beobachte ich meine Familie, so sehe ich eine zerstörte Bande, die verstummt, enttäuscht, verletzt und gedemütigt wurde und nun freudlos, perspektivlos, nackt, blutend auf den Trümmern ihres Lebens im Ozean abtreibt. Aber über mehr als kurzatmige Aufreger ist man in der Familie angesichts dieses Zustandes nicht hinausgelangt.

Und doch, obwohl die Schinderei dem Alltag glich, weil man die Anpassungsleistung gegenüber dem falschen Prinzip der Kapitalakkumulation unbedingt vollziehen wollte, kam es nie zum Bruch mit der Gesellschaft, sondern man brach sich willentlich selbst. Die Verletzungen, die die Gesellschaft an ihnen und uns anrichtet führt zu selbstverletzenden Verhalten, krankhafter Innerlichkeit und beschleunigt die Monotonisierung des Lebens. Vielen Menschen scheint das geringe Selbstwertgefühl zueigen zu sein, was eine Art Rechtfertigungsdruck für die eigenen Taten und Gedanken erforderlich macht. Und das obwohl das System, welches sie zugrunde richtet, sich nicht rechtfertigt, sondern über die blinde Tätigkeit der fassungslosen Individuen immer wieder erneut vor sie setzt und endlose Aufopferung verlangt. Die Welt ist nach dem heutigen Stande eine Endstation für Übriggebliebende. Sie hält eine permanente Vernichtungsdrohung gegenüber den Überlebenden aufrecht, vollzieht diese Drohung aber zugleich z.B. an zehntausenden Hungertoten jeden Tag. Wenn wir alle diese Vernichtungsindustrie aufrechterhalten, denn es gibt niemand sonst der das tut, macht uns das zu Mittätern an unserem Elend, aber auch am Elend anderer, denn wir leben in der globalisierten Welt der Kapitalakkumulation. Alle Hände sind blutig. Angesichts dieser alltäglichen Ungeheuerlichkeit, ist es kein Wunder, dass es auch ein Interesse in den Menschen geben muss, wegzusehen, sich der Routine hinzugeben, der Verantwortung zu entziehen und es sich scheinbar möglichst leicht zu machen. Aber Anpassung bedeutet lebenslange Schinderei in der Lohnarbeit mit dem Staat und dem Kapital. Ein Krankheitstag und es kann vorbei sein.

Die Atemlosigkeit, das Verstummen, die Entleerung, die Anonymisierung, die Leere, das sind nur Teilaspekte eines totalen Verlusts von Lebensqualität, der sich klangheimlich, aber zugleich offen darstellt. Der Raubbau am eigenen Leben vollzieht sich mit jedem Arbeitstag, so still und hintergründig, dass die okkulten Banden unserer Gesellschaft keine Mühe haben, ihren Wahnsinn zu rationalisieren und Neuankömmlingen aufzuherrschen. Und wenn das nicht hilft, wird die Alternativlosigkeit der Wirtschaftsordnung betont oder schlicht das Leben oder die Rationalität des Zweifelnden in Frage gestellt. Dem okkulten Schein unserer Gesellschaft zu unterliegen, hat aber nicht nur etwas mit Betrug oder Gewalt zutun, sondern auch mit Macht. Die Mächtigkeit ergibt sich aus der Allgegenwärtigkeit der kapitalverwertenden Logik. Ohne personale Autorität ist die Unterwerfung also ohne Weiteres genauso üblich. Es braucht keinen Aggressor, der diktiert, man habe zu konkurrieren und unendlich Leistung zu bringen, das sagt man zu sich, wenn man sich in der Schule oder am Arbeitsplatz umblickt. Der Wärter und Gefangene wohnt in einem selbst. Die Sozialisation hat die Internalisierung der okkulten Werte dieser Geselschaft erfolgreich erledigt. Nur da, wo die Sozialisation von Zweifel bestimmt war, durch Krisen innerhalb der Familie oder dergleichen, konnte die Anpassung an die Gesellschaft und ihre wahnsinnigen Praktiken nicht ganz dicht vollzogen werden. Ausbruchmöglichkeiten sind in der Tat lange undenkbar. Noch ehe man einen Gedanken vollzog, ist es zu spät und man muss Rechnungen bezahlen.

So gleicht alles Tun im Sinne von Aufbauen nutzloser Mühe. Jahrzehnte haben meine Eltern ihre Zeit, ihre Kraft, Intelligenz und Emotion vornehmlich der Lohnarbeit und der Steigerung einer Zahl geopfert, sind dauernd umhergezogen, wie Vieh wurden sie vom Kapital getrieben, nur um unter dem Konkurrenz- und Leistungsdruck zusammenzubrechen, zu erkranken, zu verzweifeln. Sie sind gescheitert, das wissen sie auch. Ihr Überleben ist kein Leben. Ihre Gestaltungsmöglichkeiten haben sich auf den Klodeckel oder den 3 wöchigen Jahresurlaub reduziert. Nach ihrer Scheidung konnten sie die Einsamkeit in ihrem Leben regelrecht greifen. Die Einsamkeit war unüberwindbar und unerträglich. Die jahrzehntelange Zweisamkeit schien darüber hinwegzutrösten, dass es sonst niemanden außer ihnen gab, der mit ihnen tiefere Bindungen einging. Die Anderen waren häufiger eher Bedrohung als Verheißung. Jetzt, wo in der ältesten, wichtigsten Bindung die Seuche alles erstickte, erschien alle Tätigkeit, erschienen alle Mühen dauerhaft im Licht der Bedeutungslosigkeit. Nichts gilt mehr, weil nie irgendetwas anderes gegolten hat, als die Kapitalverwertung. Alles was erbaut wurde, wird in Sekunden durch die blinde Tätigkeit anderer vernichtet. So funktioniert unsere Gesellschaft, im kleinen wie im großen. Die Umweltzerstörung zeigt das augenscheinlich: Der Effekt all unserer Tätigkeiten im Alltag mündet über die Vermittlungen der Gesellschaft in Chaos, Vernichtung, Mord und Wahnsinn. Keiner geht der Blutspur nach und wenn doch, wird er häufig selbst wahnsinnig.

Die wirklichen Menschen gleichen Gespenstern oder Schatten. Ein Blick in die U-Bahn, in die Konzerne, Parlamente und man sieht ihre Erstarrung, die verschreckten Hühnern gleicht. Kein Wunder, dass die Menschen rassistisch, sexistisch, antisemitisch, antifeministisch ihre starren Denkformen artikulieren, um ihr krisenhaftes Katastrophen-Ich provisorisch, kurzfristig mit der Niedermachung scheinbar Schwächerer zu stabilisieren. Die Geschichte lehrt ihnen gar nichts, nur die Anpassung an das gesellschaftlich gerade akzeptierte Vokabular, um die erinnerungslose Hoffnungslosigkeit zu bestärken. Das Leben ist so schemenhaft geworden, dass kaum einer noch bestehen kann, ob er sich nun anpasst oder nicht. Die Auflösung unter dem Getöse des Kapitals hat nach all den Jahrzehnten nichts mehr übrig gelassen. Wir sind die zufällig überlebenden, herumirrenden Abfallprodukte einer untergehenden Zivilisation.

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Das Bluten

Meine Eltern haben nie viel gelesen. Man kann sagen, dass ich sie kaum lesen gesehen habe. Wenn überhaupt wurde nur für den Beruf gelesen, für eine Prüfung, also, wenn es um Geld ging. Die Kindheit war, wenn ich sie genauer betrachte, nie frei von Krisen. Sie wurde von mir stets idealisiert und stets über die Gegenwart gestellt, obwohl dafür gar kein echter Anlass existierte. Die Überhöhung der eigenen Kindheit rührt vorallem daher, dass die Erinnerungen trügen und lückenhaft sind. Das Aufkeimen des Lebens, die pure Energie und Neugier lies sich nur schwer vom Elternhaus oder den gesellschaftlichen Institutionen brechen. Und doch, waren die Strukturen schon da, sie prägten und schmerzten. Die Krise war auch längst da. Der Vater betrog die Mutter und beide waren selten da, weil das Geld fehlte. Zugleich war ich nie Leistungsträger, sondern einfach ein unfähiges Kind, das nur spielen wollte. Die Wochenenden voll Tränen, wegen misslungener Prüfungen, die Wochentage voller Angst vor dem väterlichen Ausschimpfen am Wochenende. Die Schule forderte, diszplinierte, brach und zerrieb mich, die elterliche Beziehung, somit auch das Leben. Doch die Zerstörung brach eben auch durch die Eltern hinein, ihre Überlastung aus dem Beruf konnten sie an den wenigen freien Stunden nicht loswerden und reagierten gereizt auf Banalitäten. Es gab kaum Raum für Zärtlichkeit, freies Miteinander, gemeinsame Aktivitäten. Alles war reduziert und verschämt improvisiert, reduziert auf einzelne Tage im Monat oder einzelne Urlaubswochen im ganzen Jahr, die natürlich nie den Erwartungen gerecht werden konnten, weil soviel versäumt, vergessen, übersehen, zertreten, verkannt, verdorben und verbrannt wurde. Die geringen freien Tage wurden mit dem Älterwerden auch immer offener mit Aggressionen gefüllt. Es gab keine Vertrauten mit denen man hätte das Leid teilen oder reduzieren können. Schon als Kind wurde das Absehen vom eigentlichen Problem dadurch einstudiert und damit verewigt. Der Zeit- und Konkurrenzdruck wurde von Eltern und Schule expliziter, nachdrücklicher und brutaler kommuniziert. Der Liebesentzug war offensichtlich und nicht mehr nur hinter kitschigen Phrasen versteckt. Die Schule drohte: Du lernst für dich, nicht für mich. Der Vater drohte: Der Mensch braucht Zuckerbrot und Peitsche. Als das Kind in mir durch die Alltagserfahrungen starb, gab es nur noch Leere und deshalb idealisierte ich stets das Kind-sein, weil ich mich an die Hoffnungen erinnere, die als Kind noch so greifbar schienen. Aber alle wurden restlos über den gesellschaftlichen Druck und die sozialen Verhältnisse durchgestrichen. Unsere kleine Familie war immer überfordert, getrieben, ohnmächtig, ungebildet, isoliert, traumatisiert, ohne Ort oder Sprache. Darüber war man immer gestürzt, aber schob es stets beiseite, weil die Rechnungen bezahlt werden mussten. Die Wunden entstanden, heilten nie, brachen immer wieder auf, es kamen neue hinzu, rissen wieder auf, Salz kam hinein. Niemand kümmerte sich. Niemand schien gelungen. Wie verrückt verbrachte ich die Jahre damit mich zu zerstreuen nachdem alle Versuche scheiterten in irgendeiner akzeptablen Form in dieser Gesellschaft zu funktionieren. Aber nichts hat funktioniert. Der allgemeine Mangel, das totale Verstummen, die komplette Ignoranz und die unaufhörliche Verletzung ist mein Alltag geblieben. Das Leben ist eine unstillbare Wunde.

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Mit allem verlassen sein

Der Verlust ist eine tragische Alltagserfahrung. Wenn es normal ist, dass es keinen Menschen gibt, der das eigene Leben vervollständigt oder der sich seiner annimmt, dann ist die eigene Zerstörung vorgezeichnet. Die Hoffnungslosigkeit und Apathie strömt in die leere Identität und von dort vollzieht die Gewissheit ihr giftiges Werk. Sie konstatiert, dass man immer allein sein wird, weil es gar nicht anders sein kann, da die Welt generell unter Liebesmangel leidet. Es ist eine tödliche Klarheit. Das Ersticken an sich selbst und durch das Nichts, was in den anderen wohnt, als Keimform des Alltags. Und das Überleben konzentriert sich auf eine permanente Reduzierung und Rücknahme von allem, was man vielleicht hätte wollen können. Die Vorsicht als Triumph über alle Spontanität. Der nächste Moment könnte die letzte Enttäuschung bereiten, weil es danach nichts mehr zu erfahren gibt. Diese krankhafte Innerlichkeit und versumpfende Wehleidigkeit ist mit allen Mitteln zu bekämpfen.

Aber die Zerstörung entspringt nicht nur der eigenen Identität, sondern auch aus dem Umfeld, woraus letztlich die Identität überhaupt geraten konnte. Es zermalmt einen den Magen nicht zu wissen, ob man morgen noch genug monetäre Mittel haben wird. Die Gewissheit, dass die Gesellschaft einen jederzeit vernichten kann und es niemanden negativ auffällt, weil die alltäglichen Katastrophen in millionenfacher Form üblich sind, erstickt alles. Man verliert nicht nur Lebenszeit oder Kraft, was noch natürlich wäre, sondern auch Wohlstand, sobald man nicht in den Kapitalismus investiert, der systematisch alles zerstört. Man investiert Zeit, Kraft, Nerven in diese Wirtschaftsform, obwohl sie auch einen selbst vernichtet. Es gibt nur eine Angst, die innerhalb des Jobs antreibt: Man hofft, dass es für einen noch reichen wird. Man schliesst sich einer Bande an, die in Konzernkreisen als Team tituliert wird und alles geht ganz professionell, routiniert zu. Der hohe Druck gehört genauso wie die interne und externe Konkurrenz zum Alltag. Und schon ist man ausweglos in einem brennenden Labyrinth gefangen, welches zunehmend verrauchte Gänge und Sackgassen enthält. Jede Hand, die sich dir reicht, will Dir nicht helfen, sie will Dich schlagen und berauben. Die Kosten erhöhen sich Monat für Monat, die Löhne stagnieren und sinken, die Arbeitszeit und Aufwand erhöhen sich. Das Alter schärft die eigene Mangelhaftigkeit. Wer nicht früh vorgesorgt hat, mit einem Netzwerk aus Unterstützern oder Erbschaften oder sonstigen unfairen Vorteilen, der ist geliefert und muss den Misserfolg als Alltag ertragen. Die ganze Reflexion besteht allerdings so oder so aus der Frage, ob man Geld haben wird oder nicht. Die Angst prägt zusätzlich die geistige Wüste.

Es stellt sich jeden Tag erneut die Frage, wie man angesichts solcher Zustände überhaupt leben soll. Die Lust am Leben ist ohnehin bereits vergangen, wenn die Katastrophen, die anderen unschuldigen Seelen angetan wird, in das Bewusstsein genommen werden. Wer sich nicht an das Falsche anpasst, fliegt innerhalb weniger Wochen auf die Straße. Der herrschende Gewaltapparat zwingt, nötigt einen mit allen bürokratischen Mitteln zurück in das ökonomische Getriebe, weil das alles ist, was der Mensch heute sein darf. Wer zu arrogant, unbekümmert, übermütig, illoyal ist, der stirbt den leisen Tod, der geht den sozialen Abstieg. Mord ist in dieser Gesellschaft ein allgemein akzeptiertes Mittel, um sich der überflüssigen Menschen zu entledigen. Das beweist die Asylgesetzgebung jeden Tag an den Grenzen und im Mittelmeer, wo Tausende bereits durch unterlassene Hilfeleistung ermordet wurden. Man braucht nicht zu glauben, dass irgendwer einem zu Hilfe eilt, wenn man selbst zu Ertrinken droht, denn Blut ist genau das, was essentiell diese Gesellschaft vorantreibt. Das ist ihre instrumentelle Vernunft nach der sich alles organisiert.

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Life is hard?

Das Leben ist unheimlich reichhaltig. Die Städte sind voll mit Menschen, die gerade die beste Zeit ihres Lebens haben. Die meisten wissen es gar nicht und sind zerfressen von Minderwertigkeitskomplexen oder den irrationalen Ansprüchen der kapitalorientierten Leistungsgesellschaft. Wenn im tiefsten Inneren klar ist, dass die Unfähigkeit zum Leben besteht, dann gibt man der Welt in ihrer Verachtung für einen selbst recht. Das Leben ist leer geblieben. Die starke Vermutung, dass man besser niemals hätte geboren werden sollen, drängt sich in den Details des Lebens auf. Sie heissen: Gehaltsverhandlungen, Arbeitszeiten, Dienstanweisungen, Kostendruck, Abmahnung, Gerichtsvollzieher, Mieterhöhung, Rationalisierung, Networking, Prestige, Konkurrenzkampf, Hungertod.

Niemand hat die Zeit oder nimmt sich die Zeit. Stets wollen die andern, woanders sein. Und so will man es auch oder tut man es auch, widerwillig oder willkürlich. Ich hätte gerne gelebt, aber Umstände lassen es nicht zu. Man könnte das als Selbstmitleid entschärfen, aber doch ist mehr dahinter. Der Alltag verschlägt immer wieder die Sprache. Nur noch im Schweigen sprechen die Menschen. Allerdings stellt sich die Frage, ob es überhaupt Menschen sind. Es sind allenfalls durch die Kapitalakkumulation gehärtete Wesen, die so agieren, wie man gemeinhin glaubt, dass Menschlichkeit aussieht. Das ist die Katastrophe und das Verbrechen, was wir uns alle gegenseitig permanent antun. Aber im Grunde genommen ist fast alles, von dem was im Alltag so passiert, tatsächlich unmenschlich im Sinne von mangelnder Empathie, inexistenten Lebensglück oder entleerter Intelligenz. Die Ratio katalogisiert nur noch: Wertet ab, wertet auf, stellt ein, wirft raus. Das betrifft auch die Liebe. Die ganze Reflexion sinkt auf ein Reiz-Reaktionsschema hinab und monologisiert, monopolisiert, monotisiert die letzten Reste von Leben, Lebenskraft und Lebensfähigkeit. Die Endgültigkeit dieser Lebensweise, die tödlich ist, weil sie Menschen für ihr Prinzip erstickt, wohnt in den Staus, Häuserschluchten, Bahnschächten.. Aber darin liegt auch die Ironie, denn bedenkt man wie diese Häuserschluchten entstehen und was darin eigentlich lebt, dann sind das auch Oasen des Lebens. Ein Plattenbau wirkt äußerlich wie ein Betonpanzer, aber jede Wohnung darin, kann Menschen enthalten, die besonders herausragende Lebensentwürfe und Denkbewegungen anstreben. Zugleich sind da auch Familien, die Kinderlachen bereit halten.

Manches Mal, wenn die Blicke von Fremden sich streifen, rührt sich im Hintergrund auch eine Idee davon, was hätte sein können. Sie hätten sich vertrauensvoll zueinander verhalten können. Sie hätten eine Beziehung zueinander entwickeln können. Sie hätten aneinander festhalten können. Sie hätten gemeinsam die Kälte zurückweisen können. Aber doch geschieht stets das Gleiche: Es wird davon abgesehen. Es geschieht nichts. Es herrscht der Unwille und das Misstrauen. Es lagern die grauen Gedanken über die Gegenwart und die trübe Aussicht auf die Fantasie. Die Spontaenität ist beschwert, alles ist schwierig, indiskret und ohne Ort. Es gibt kein Wort, das Blicke zu Beziehungen entfalten lässt. Alle die sich aneinander halten, scheinen eher aus einem Zufall heraus aneinander geraten zu sein und zuckten, klammerten aus Schock, wie bei einer Begegnung in totaler Dunkelheit mit einem fremden Körper. Das Greifen ins Nichts als Umarmung des Anderen, als Berührung der eigenen und totalen Nichtigkeit.

Die Menschen begegnen sich nur noch auf Freigang vom Gefängnis Lohnarbeit, behandeln sich daher wie Diebe und sonstige Verbrecher, die sie jederzeit übers Ohr hauen wollen. Und fürderhin bestätigt sich die vorurteilsbelastete Vorsicht oft genug. Irgendwann bemerkt man, dass man selbst nicht mehr die kommende Generation ist. Man ist ein Niemand, der nichts bedeutendes tut. Man ist Derjenige den man vergisst, obwohl man sich einander das Herz ausschüttete, den man in seiner Einzigartigkeit nicht bemerkt, den man ignoriert, wenn er die Tür aufhält oder eine Frage stellt. Einzigartigkeiten gehen in Einzigartigkeiten unter, sowieso, aber ganz besonders in unserer jetzigen gesellschaftlichen Form. Und es bleiben nur noch Momentaufnahmen, wo das kurz anders sein könnte. Und es ist noch seltener, wo das dann tatsächlich so ist. Und dann rechnen sich die endlos brutalen, öden, grauen und rauen Jahrzehnte auf die wenigen lebenswerten Momente.

Das Alter lehrt einem, dass die Jahrzehnte einen nicht unbedingt klüger, besser, genauer machen. Die drängende Frage, wie man überhaupt noch leben soll, wird bleiben und sich vermutlich noch energischer stellen, je schwächer man wird. Es fällt auf, dass dieselbe Idiotie gelebt wird, die man bereits vor 10 Jahren beerdigen wollte. Nichts hat sich qualitativ verändert. Eine Ansammlung von Enttäuschung, Bitterkeit und Trostlosigkeit ist das Alter, aber ansonsten ist der Schwierigkeit nur dadurch Veränderung getan worden, dass sie eher noch schwieriger geworden ist. Der Hochmut und die Hoffnung der Jugend, mag sie noch so schal gewesen sein, war wahnsinnige Naivität, die jeglicher Rationalität entbehrte. Und das ist es, was ermüdet. Manche Träume sind immer noch da. Aber sie werden sich nicht erfüllen. Sie werden leise ersticken, wie alle Träume, wie alle Blickkontakte, wie alle Begegnungen und alle Worte. Es heisst immer, man solle für seine Träume kämpfen. Doch wie? Wie soll das im Einzelnen aussehen? Wie soll man für die eigenen Träume kämpfen insbesondere mit den eigenen Voraussetzungen und der eigenen Sozialisation? Es ist ein Rätsel. Man selbst ist sich die meiste Zeit des Lebens ein Rätsel. Das ist sogar typisch für das Leben selbst. Die eigene Mythologie verunmögicht irgendeinen Geraden weg zum erträumten Ziel. Das Scheitern ist die normale Praxis. Man gibt sich mit unerträglichen Kompromissen zufrieden oder man hält sie eben aus, weil man sich nicht umbringen kann. Und das ist eben das nächste Kapitel: Wenn das Leben auch permanentes Scheitern bedeutet, ist jeder ein Verlierer, obwohl er zugleich ein Gewinner ist, wenn man denn die Existenz ansich als unendlich wertvoll einschätzt. Aber gemessen an den Zielen, ist alles unzureichend. Nichts funktioniert. Es ist überhaupt ein Wunder, dass die Gesellschaft nicht sofort explodiert. Es ist nur Trägheit, die das verhindert. Und so halten auch Beziehungen zusammen, obwohl sie längst obsolet geworden sind.

Jeder kennt das Unbehagen, das dünne Eis, wenn irgendwem zum ersten Mal begegnet wird, kaum war man zusammen besoffen oder hat gevögelt, tut man so, als hätte sich etwas an der Unkenntnis gegenüber seiner Selbst oder der anderen Person geändert. Und auch hier ist nichts wie es scheint. Die Lust ist kein Gipfel des Lebens, sondern vorallem durch surreale Unlust geprägt, durchdrungen von Leistungs- und Konkurrenzidealen, zersetzt von Fantasien aus einfallslosen Kitschfilmen und ekelerregenden Machopornos. Wenn da nicht intensiv vorher kommuniziert wird, ist der Wahnsinn perfekt. Die Fantasie ist so beerdigt, wie das eigene Vermögen totale Lust zu empfinden. Es wäre auch zu schön, wenn es so einfach wäre. Die Droge wäre immer bei einem und kostenlos. Der Abstand zur Welt wäre einen Zungenschlag entfernt. Und wenn dieses Unbehagen vor dem Fremden nicht bekannt ist, dann agiert man erst recht wie ein Alien und wieder stellt sich die Frage was Beziehung zu sich und anderen eigentlich bedeutet. Die Illusion von Abwesenheit der allgemeinen Leere?

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Für dich hat es nicht gereicht

Depressionen verhalten sich diffus, hinterlistig, unerbittlich, wahnsinnig. Sie schleifen, zerren, versenken sämtliche Möglichkeiten eines Tages und einer Identität. Selbst wenn man sich ihrer bewusst ist, bedeutet das nicht, dass man sie dadurch zurückdrängen kann. Im Gegenteil, es macht sie stärker und schrecklicher. Wenn gestern noch ein Mittel gegen sie gewirkt hat, ist es im nächsten Moment ein Beschleuniger für diese schwarze Hysterie. Und die wertvollen Jahre, die nie wieder kommen, ziehen vorbei während teure Therapeuten um Geduld bitten, schliesslich würde eine Genesung hier von vielen Faktoren abhängen. Aber die Wahrheit ist: Hat man einmal diesen dunklen Begleiter, wird er einen nie wieder verlassen. Und man wird sich damit abfinden müssen, dass jeder Tag und jede Nacht schwerer sein wird, als sie sein müsste. Permanent wird man sich vor Gesunden für das eigene absurde Verhalten entschuldigen müssen, welches von wahnwitzigen Stimmungs- und Gedankenschwankungen geprägt ist. Der reisserische Kraftverlust raubt nicht nur Lebensmut, sondern auch die Kraft irgendein Projekt zu realisieren, welches Lebensmut schöpfen könnte.

Die Unmöglichkeit den vollen Umfang dieser schwarzen Pest in wenigen Worten darzustellen, ist nur ein Aspekt, der die Vereinsamung vorantreibt. Es ist vorallem diese Unendlichkeit und Unberechenbarkeit die dominant Handlungen und Sichtweisen prägt und zu Boden reisst. Der Zweifel ist dann einfach stärker. Nichts taugt mehr für irgendwas. Die Gleichgültigkeit ist nur dann noch ein Glück, wenn sogar Suizid belanglos erscheint, auch wenn man sonst nicht mehr zum Leben ausreicht. Der Verlust von Sexualität, Partnerschaft, jeglichen Bezug zum eigenen Körper, von Lebensmitteln ist bloß der äußerliche Ausdruck des verschwundenen Glücks den andere für so normal halten. Da das Leben generell schon schwierig ist, wird es unmöglich, wenn schlafen oder aufstehen unerträglich ist. Kommt noch Schwindelgefühl und Konzentrationslosigkeit hinzu, ist ein Stadium erreicht, das irgendwo zwischen Leben und Tod gefangen im eigenen Körper changiert. Womöglich könnten radikale Maßnahmen noch eine wünschenswerte Veränderung erziehlen. Es gibt zumindest einige Hanfpflanzen, die eine einschläfernde Wirkung haben. Aber das würde nur einen winzigen Teil lösen. Wenn man als Depressiver einige Jahre vollgemacht hat mit Todessehnsucht und Gleichgültigkeit, ist man ein manifester Zyniker mit cholerischen, dummen und infantilen Zügen. Der Charakter ist längst von der mentalen Instabilität geformt worden. Man ist damit unfähig geworden sich wieder in ein normales Leben einzufügen, Beziehungen zu pflegen und am Arbeitsplatz entsprechend leistungsfähig zu funktionieren. Das Leben steht einem dann solange im Weg, wie man selbst lebt. Zugleich ist diese Unfähigkeit aber auch etwas, was wiederum neue Depressionen auslöst, weil das eigene Unvermögen die Integration verhindert und schliesslich zur Rebellion im Sinne einer Teilnahmslosigkeit einlädt.

Zugleich bietet das Leben selbst genug Gründe depressiv zu werden oder depressiv zu bleiben. Niemanden ist zu trauen, weil niemand sich kennt oder kennen will und die Gespräche oft kürzer sind als der Zeitraum, der für das Rauchen einer Zigarette von Nöten ist. Unser Zeitgeist ist so, dass sich das Individuum, welches sich in Milliarden Körpern momentan verhält, für die Kapitalakkumulation entleert und ausschliesslich über diese Entleerung verhält. Wenn also alles was menschlich ist, von einem unmenschlichen gesellschaftlichen Verhältnis definiert wird, warum sollte dann irgendein Individuum menschlich und empathisch sein? Es ist grundsätzlich immer beschädigt und damit unfähig die eigene Beschädigung im eigenen Menschenleben vollständig aufzuheben. Diese Tatsache wird oft nicht bedacht und jene, die sie sehen, werden angefeindet und ausgegrenzt. Es gibt gute Gründe, sich von anderen Menschen fernzuhalten. Für einen Depressiven bedeutet dies aber auch, dass man sich sehr gern von sich selbst fern halten würde, es aber natürlicher Weise nicht kann. Das eigene Unvermögen, die gesellschaftlichen Anforderungen, die man internalisiert hat, der permanente Zeit- und Konkurrenzdruck, die enorme soziale Isolation und die geringen Chancen auf Vertrauen und Verlässlichkeit zu treffen, befördern Depressionen ungemein. Das Gesundheitssystem ist darauf nicht vorbereitet. Es ist dafür nicht ausgebildet, es ist zu teuer und überlaufen.

Wenn die Depressionen und das Leben genug Überdrüssigkeit erzeugt haben, wenn man als Depressiver müde geworden ist gegen Windmühlen anzukämpfen, dann wächst die Gewissheit, dass es aus vielen Gründen für einen eben nicht gereicht hat, glücklich genug zu sein. Alles ist beschädigt in dieser Welt, keine Frage, nur hatte man als depressiver Mensch wohl eine besondere Portion Unglück erhalten. Entweder über die Familie, die Sozialisation, die Arbeitgeber oder Freunde, die letztlich alle Feinde oder Desinteressierte waren. Es ist sicher nichts persönliches gewesen, dass man so geschunden wurde und darunter gelitten hat. Der gesellschaftliche Irrsinn ist eben normal, nur geht der Depressive daran zugrunde, während der genorme Normale sich darin einrichtet. Die Kraft der Depression erwächst aus dieser zerstörten Welt und daher kann sie nur bezwungen werden, wenn die Welt geheilt würde. Aber dieses Mittel gibt es nicht.

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Sei mal lieber nutzlos

Es kann jenseits der ganz großen Katastrophen nichts fürchterlicheres geben als seine wertvolle, einzigartige Lebenszeit für die Lohnarbeit zu verschwenden. Man bestimmt in der Arbeitszeit nichts: Weder was getan wird, noch warum es getan wird, noch erhält man die Früchte der eigenen Arbeit. Und obwohl diese Quälerei eine kaum zu überbietende Dummheit ist, ist sie identitätsstiftende Praxis. Wer sich nicht vom Joch der Lohnarbeit strafen lässt, weil er den darin enthaltenen Wahnsinn erfasst und dadurch gebannt hat, wird über die Lohnarbeitsfetischisten gestraft, denn wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen. Der Hass auf den leistungslosen Genuss kommt insbesondere aus dem nächsten Bekannten und Verwandtenkreis. Darüber soll soziale Kontrolle, Repression und Unterdrückung ausgeübt sein. Dabei zählt nur der Genuss. Ihm muss sich alles beugen. Das Leben ist selten, kostbar und kurz. Warum sollte man es sich mit unendlicher Lohnarbeit, Konkurrenz- und Leistungsdruck verderben? Jeden Tag Pizza essen, ausschlafen, Freunde treffen, eigene Projekte aufgreifen und fallen lassen: Niemand wird die Lohnarbeit jemals vermissen, ist sie erstmal niedergerungen. Die Angst vor der Freiheit, der freien Zeit und den unendlichen Möglichkeiten der Selbstgestaltung, scheint die derzeitigen Vormenschen völlig gefangen zu halten. Ordnung, Pflicht und Disziplin sind ihre Religion. Vor dem Augenschein der Unendlichkeit, muss die absurde Banalität der Surplusmacherei groteskes Gelächter auslösen. Wenn alles in Vergessenheit gerät, wenn die Vergänglichkeit den Grundgehalt unserer Existenz ausmacht, dann zählen nur die Momente, die wir im Leben erleben können. Die Ausschöpfung jedes einzelnen Moments wird dadurch zum höchsten Gut. Ist das Leben nicht selbst völlig nutzlos? Es fängt an um aufzuhören. Wenn alles nur ein Witz ist, dann sollte man das Ganze wohl nicht Ernst nehmen und schon gar keinen Wettbewerb daraus machen. Allenfalls gegen die Feindes des Chills muss wohl gekämpft werden: Jene, die das Leben für ein Arbeitslager, die Monotonie für eine Symphonie halten. Der Ursprung allen Glücks liegt in der unreglementierten Erfahrung, der unverstellten Möglichkeit zu offener Erfahrung, die sich nicht einkategorisieren oder nützlich machen muss oder will. Weise wäre es daher, die Existenz, gerade weil sie absurd ist, als Selbstwert anzuerkennen. Insbesondere, weil die Wahrscheinlichkeit zu existieren extrem gering ist, wäre jeden Tag eine Feier angesagt.

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