Monatsarchiv: Oktober 2010

Was interessiert das Elend in der Welt, wir haben Eiscreme und Geld

Was kriegen wir schon mit von der Welt und dem ganzen Elend da draußen? Millionen hungern und wir jammern über Überstunden oder unfreundliche Chefs. Wir sitzen in unseren schicken Bürogebäuden, Autos, Mietwohnungen oder sogar eigenen Häusern und sehen im Prinzip keine Schwierigkeiten mit der jetzigen gesellschaftlichen Form. Insbesondere sehen wir an unseren Handlungen keine Schwierigkeiten. Wenn Menschen verhungern, dann ist das die Schuld der Hungernden und nicht die unserige. Was können wir dafür BMW, Deutsche Bank und Aldi als Nachbarn zu haben? Was können wir denn für die ganzen Metzgereien, Bäckereien und Kioske an allen Ecken und Enden in unseren Dörfern und Städten? Wer von uns hat denn nach einer Bild, SZ, TZ, TAZ, FAZ und und und gebettelt? Wer braucht die denn? Alle reden sie und schreiben sie, was so passiert. Sie gehören zu den üblichen Verbrechern dieser grundlegend verlogenen Gesellschaft. Es wird berichtet was Scheiße läuft, aber ändern tut sich dadurch ja doch nichts. Sie, die großen Medienvertreter, einst als Demokratieretter hochgejubelt, sind heute nichts weiter als profit- und auflageorientierte Marktschreier, die sich nur noch in Nuancen ihrer groben Schlagzeilen unterscheiden.

Einheitsbrei auch in der Politik, dort war es anscheinend auch nie anders, es gab ein paar Gruppen die verschiedener Meinung waren wie man die Menschen am besten ausbeuten kann und verkaufte das dann als vernünftigen Weg. Damit sich die Massen nicht zu sehr in Gewerkschaften und außerparlamentarischen Bewegungen engagieren, werden hier und da ein paar Zugeständnisse gemacht. Ja, Hartz IV ist scheiße, also erhöhen wir um 5 EUR. Keiner soll sich ausruhen, alle sollen schuften bis sie zusammenbrechen. Kaum einer merkt wie sich die Gesellschaft immer mehr auf die ökonomischen Kategorien reduziert. Warum kriegen die Menschen denn kaum noch was mit? Wieso hängen wir alle immer häufiger und intensiver in den Schulen, Unis, Arbeitsplätzen und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen fest? Weil der Kapitalismus gesiegt hat. Wir kämpfen um Profite und um nichts anderes. Wen interessieren denn Kinder die Liebe brauchen, wenn sie zu aller erst in der Schule zu funktionieren haben? Was das mit denen anrichtet interessiert keine Sau, solange sie ihre Leistung bringen und stetig steigern. Jene Leute die das kritisieren sind Kommunisten, linke Chaoten und Träumer, vor allem sind sie nicht zurechnungsfähig! Aber was ist denn dann unsere Gesellschaft? Ist unsere Gesellschaft als solche zurechnungsfähig? Wir zerstören einzigartige Lebensräume wie bspw. den Amazonas damit wir unsere Industrie füttern können. Wir haben überhaupt keine Kontrolle mehr. Wir zerstören nicht nur unsere Kinder, die Umwelt und überhaupt uns selbst, sondern auch alle Möglichkeiten in den nächsten Generationen. Was kann denn ein Mensch mit Meeren anfangen die völlig überfischt sind oder voller Öl und Plastik sind? Was ist wenn die Wale oder Haie, die Koralllen völlig ausgestorben sind?

Wir fahren jetzt BMW und interessieren uns nicht für die Folgen. Es interessiert uns auch nicht was unsere tagtägliche Lohnarbeit anrichtet. Was unsere Kaufentscheidungen in der Disco oder im Discounter anrichten. Es interessiert uns nicht ob unser Nachbar depressiv ist und sich am liebsten vor lauter Einsamkeit umbringen will, und es letztlich sogar macht. Wir rennen in die Stadien jubeln irgendwelchen Fremden zu wie sie eine Kugel treten, vergessen aber die Geburtstage unserer engsten Bekannten, ja – wir empfinden nichtmal mehr etwas für sie. Kindesmissbrauch wird mit einer Bewährungsstrafe bestraft, Copyrightverstöße mit vielen Jahren Knast. Verbrechen gegen die Menschlichkeit werden in unserer Gesellschaft weitaus weniger hart bestraft, wie Verbrechen gegen das Eigentum. Obwohl man schon sagen muss das die Verursacher der Finanzkrise in den seltensten Fällen zur Rechenschaft gezogen worden sind. Schuldig sind wir aber alle, wir sind die Verursacher und Mittäter. Wir können zwar später sagen, wenn wir auf den Aschebergen der Zivilisation sitzen, wir haben ja nur getan was alle getan haben, aber dann ähneln wir ziemlich stark den ganzen Nazis bei den Nürnberger Prozessen, die erstens von nichts gewußt haben wollen und zweitens nur Befehle befolgt haben. Wollen wir am Ende genauso verlogen und erbärmlich vor der wahrheit davon rennen? Bislang tun wir es und es ist schrecklich mitanzusehen für jemanden wie mich, der angesichts dieser Zustände darum ringt den Verstand zu bewahren.

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Spucknapf

Jede Woche dasselbe. Die Tage sind kaum voneinander zu unterscheiden. Erst verschwinden die Gefühle und dann die Sprache. Der graue Rythmus frisst sich stumpf durch die Menschen. Das Wetter ist schön, das Wetter ist scheiße. Wir wollen doch nicht ersticken? Wir schleppen Gewichte durch die Straßen, lungern in Büros herum und warten auf den Feierabend. Es gibt Versuche zu lieben und viele darauf folgende Enttäuschungen. Babys kommen auf Kriegsschauplätzen zur Welt, während Menschen verhungern und an Fettleibigkeit ersticken. Das Klingeln der Telefone, das Gejammer und Geschrei, das Hämmern, Drohen und Fluchen der Kollegen, es nährt die Qualen. Unruhe, Leere in allen Gemütern, aber wir organisieren weiter das Chaos. Unfallopfer, Alkoholleichen,  keine Zeit drüber zu weinen oder nachzudenken. Was zählt ist die Entwicklung neuer Fortschritte. Kriege sind eine Notwendigkeit. Wir bezahlen sie mit Geld und Leben. Verloren zwischen Einkaufsregalen suchen wir eine Portion Glück, die uns fortträgt von all dem Elend. Doch die Wohnung ist Teil des Schlachtfelds, ist ein Schützengraben um die Kräfte zu regenerieren. Morgen geht der Kampf weiter. Profit wird erstritten, wie jeder Gang zur Toilette, jede Zigarette, jedes Fötzchen, jede Minute Schlaf. Das Ganze ist wie ein stummes Würgen. Auf neumodischen Stöckelschuhen durch die Backsteinstraße stolpern und dabei auch noch gut aussehen. Trivial. Der Alte fliegt verschrumpelt in die Kiste, während das Junge glitschig aus der Mutter flutscht. Die Ärzte reissen Witze, der Vater kotzt und die Erde dreht sich weiter. Ich gehe weiter, – aus der Tür heraus, hinein ins Wochenende. Endlich ein paar Stunden kein Scheiß. Aber auch das ist illusorisch. Johlende Partygänger, verbissene Raser, knatternde Lkws, schnaufende garstige Rentner, quickende Kinder, alles wirft sich mir in den Weg. Daheim schreit das Fernsehen in HD und Stereo. Das Internet wirft mit Gangsbangs, rassistischen Nonsens. Alles kotzt mir die Bude und das Hirn voll. Freiheit, Einigkeit und Brüderlichkeit. Wir stimmen an. Wir singen im Orbit über unsere Herrlichkeit. Keiner kann uns hören, keiner kann uns helfen. Wir treiben durchs All und sind uns hoffnungslos selbst überlassen. Ein Hauen und Stechen ist das. Nichts hat noch einen Wert. Alles ist käuflich, Jungfräulichkeit, Babys, Organe, es gibt keine Grenzen. Tiere werden täglich tausendfach gezüchtet, geschlachtet, gegessen oder in Pornos als extreme Blowjobeinlage präsentiert. Frauen kotzen sich voll, Millionen schauen zu und ekeln sich, fragen sich wie man sowas nur machen kann. Anderswo treten Kinder beim Spielen auf eine Mine. Was für eine wundervolle Welt. Wir haben Superstars, Supertalente, Spitzenpolitiker, Topmanager, Wirtschaftsweisen und Experten, trotzdem bleibt alles gleich beschissen. Es wurde alles gesagt, alles angeklagt, schön und beschissen, geändert hat es nichts. Alle stecken im Treibsand und warten auf den Erstickungstod. Aber vorher wird noch abgegriffen was erreichbar ist. Endlose Warteschleife. Der Tod erscheint als Erlösung. Wann verarbeiten wir uns selbst zu Happy Meals? Wann können wir endlich Heroin ohne lästige Nebenwirkungen nehmen? Das Leben ist nicht in Worten zu fassen. Das Denken, unser Wissen wird für immer begrenzt sein. Vor lauter Angst bauen wir Waffen die den gesamten Planeten zerstören können. Wer schützt uns? Es ist so kalt. Ein wir gibt es nicht. Die meisten kennen sich nicht, obwohl sie jahrelang nebeneinander gelebt haben. Man kann einen Menschen nie gut genug kennen. Worauf kommt es noch an? Wie lautet die Botschaft? Was ist die Richtung unseres Seins? Stille. Nur Stille. Keine Antworten. Funny Games.

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Die Offene Universität in Berlin wurde geräumt

Wie auf einschlägigen Internetseiten zu vernehmen ist wurde die OUBS geräumt. Ich kenne das Projekt aus persönlicher Erfahrung und bin über die jetzige Räumung kaum überrascht. Ich habe unter dem Artikel folgendes geschrieben:

Ich kam im letzten Jahr über einige Monate mit diesem Projekt in Kontakt. Und es war für alle damaligen Beteiligten klar das dieses Projekt jederzeit geräumt werden kann. Trotzdem waren alle unfähig etwas starkes aus diesen Räumlichkeiten zu machen und es vor der Repression des Staates zu schützen. Dies lag vor allem an psychischen Störungen, Drogenkonsum, fehlender Kommunikation, mangelndem Engagement und nicht vorhandenen theoretischen Durchblick. All diese Faktoren wurden immer wieder angesprochen und insbesondere von langjährigen „Aktivisten“ ignoriert, nach dem Motto es liese sich schon aussitzen.

Die eigentliche Katastrophe war das tagtägliche Geschrei und Geprügel welches das gesamte Projekt in Ohnmacht hielten und die Bewohner wie ein Häufchen Elend im Exil saßen, mitten in der deutschen Hauptstadt, ein paar hundert Meter Luftlinie zur Bundesregierung. Es gab weder Öffentlichkeitsarbeit, weshalb niemand etwas vom Projekt wußte, noch gab es saubere Toiletten, genug Geschirr, Gerätschaften wie Pcs, Fernseher oder gar Internet. Es fehlte an allem, sogar an Ruhe um die wenigen interessanten Bücher zu lesen die irgendwo lieblos in der Ecke lagen.  Die Fenster waren kaputt, die Türen konnte man nicht richtig schliessen, die Matratzen waren teilweise vollgepisst und vollgekackt. Einige hatten Räumlichkeiten zu ihrer persönlichen Rückzugszone erklärt und schrien und schleppten jene heraus die es wagten darin einzudringen. Manche wurden geduldet, insbesondere junge Frauen die verzweifelt und traumatisiert genug waren den leeren Versprechungen von Drogen und der langjährigen „Aktivisten“  zu glauben.

Nicht nur das ist passiert, es gab Gerüchte das Pädophilie und Koprophagie genauso einen Platz in diesem Projekt fanden wie sexueller Missbrauch. Es gab regelmäßige Besuche von Menschen aus der Irrenanstalt, weshalb die OUBS von einigen Besuchern den fliegenden Begriff der Offenen Irrenanstalt erhielt. Es war lustig gemeint, aber auch die volle Wahrheit. Gerade dann wenn Betrunkene, Heroinabhängige,  Drogendealer,  Diebe, Ausgestossene und Herausgefallene jeder Nationalität und Altersgruppe in einem Raum versammelt waren. Ich habe mit ihnen unter einem Dach gelebt, mit ihnen am selben Tisch gegessen. Es sind Menschen wie Du und ich, verzweifelt, traumatisiert, ohne Perspektive. Man sollte all die schlimmen Taten die dort passiert sind nicht nur den Bewohnern anlasten, sondern vorallem fragen welche Gesellschaft soetwas über Jahre hinweg zulässt und überhaupt ermöglicht.

Die Zustände dort waren lange bekannt, nicht nur schlauen Professoren und Studenten, es gab hunderte Besucher,  u.a. von Psychologen und auch von der Polizei. Keiner hat auch nur einen Gedanken daran verschwendet alle Hebel in Bewegung zu setzen um a) den Bewohnern zu helfen und b) das Projekt in die Bahnen zu bringen in die es einmal war. Das Bildungssystem ist immer noch eine Katastrophe und die kapitalistische Verwertungsmaschinerie läuft gnadenloser dennje, die OUBS wollte nie etwas anderes als den Sturz dieser menschenverachtenden Verhältnisse, hatte aber vergessen bei sich anzufangen. Jetzt ist die Wut groß, wer ist schuld und warum hat man nicht gehandelt? Es ändert nichts an der Situation. Es wird immer wieder Hausbesetzungen und Projekte wie diese geben, solange sich die Verhältnisse nicht nachhaltig ändern. Trotzdem ist nun eine Chance vertan, weil man es nicht geschafft hat über den eigenen Schatten zu springen und mutig für eine Alternative zu kämpfen. Die Bedingungen waren am Anfang gigantisch und mit den Jahren ist alles zerfallen und in den gesellschaftlichen Abgrund gerutscht.

Wer Berlin kennt, der kennt auch das Elend. Der Kampf wird weitergehen und er muss anders als früher gekämpft werden. Ohne Gewalt und ohne Hetze. Der Polizist ist genauso arm dran wie der Obdachlose, er weiß es nur nicht so genau.

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