Spucknapf

Jede Woche dasselbe. Die Tage sind kaum voneinander zu unterscheiden. Erst verschwinden die Gefühle und dann die Sprache. Der graue Rythmus frisst sich stumpf durch die Menschen. Das Wetter ist schön, das Wetter ist scheiße. Wir wollen doch nicht ersticken? Wir schleppen Gewichte durch die Straßen, lungern in Büros herum und warten auf den Feierabend. Es gibt Versuche zu lieben und viele darauf folgende Enttäuschungen. Babys kommen auf Kriegsschauplätzen zur Welt, während Menschen verhungern und an Fettleibigkeit ersticken. Das Klingeln der Telefone, das Gejammer und Geschrei, das Hämmern, Drohen und Fluchen der Kollegen, es nährt die Qualen. Unruhe, Leere in allen Gemütern, aber wir organisieren weiter das Chaos. Unfallopfer, Alkoholleichen,  keine Zeit drüber zu weinen oder nachzudenken. Was zählt ist die Entwicklung neuer Fortschritte. Kriege sind eine Notwendigkeit. Wir bezahlen sie mit Geld und Leben. Verloren zwischen Einkaufsregalen suchen wir eine Portion Glück, die uns fortträgt von all dem Elend. Doch die Wohnung ist Teil des Schlachtfelds, ist ein Schützengraben um die Kräfte zu regenerieren. Morgen geht der Kampf weiter. Profit wird erstritten, wie jeder Gang zur Toilette, jede Zigarette, jedes Fötzchen, jede Minute Schlaf. Das Ganze ist wie ein stummes Würgen. Auf neumodischen Stöckelschuhen durch die Backsteinstraße stolpern und dabei auch noch gut aussehen. Trivial. Der Alte fliegt verschrumpelt in die Kiste, während das Junge glitschig aus der Mutter flutscht. Die Ärzte reissen Witze, der Vater kotzt und die Erde dreht sich weiter. Ich gehe weiter, – aus der Tür heraus, hinein ins Wochenende. Endlich ein paar Stunden kein Scheiß. Aber auch das ist illusorisch. Johlende Partygänger, verbissene Raser, knatternde Lkws, schnaufende garstige Rentner, quickende Kinder, alles wirft sich mir in den Weg. Daheim schreit das Fernsehen in HD und Stereo. Das Internet wirft mit Gangsbangs, rassistischen Nonsens. Alles kotzt mir die Bude und das Hirn voll. Freiheit, Einigkeit und Brüderlichkeit. Wir stimmen an. Wir singen im Orbit über unsere Herrlichkeit. Keiner kann uns hören, keiner kann uns helfen. Wir treiben durchs All und sind uns hoffnungslos selbst überlassen. Ein Hauen und Stechen ist das. Nichts hat noch einen Wert. Alles ist käuflich, Jungfräulichkeit, Babys, Organe, es gibt keine Grenzen. Tiere werden täglich tausendfach gezüchtet, geschlachtet, gegessen oder in Pornos als extreme Blowjobeinlage präsentiert. Frauen kotzen sich voll, Millionen schauen zu und ekeln sich, fragen sich wie man sowas nur machen kann. Anderswo treten Kinder beim Spielen auf eine Mine. Was für eine wundervolle Welt. Wir haben Superstars, Supertalente, Spitzenpolitiker, Topmanager, Wirtschaftsweisen und Experten, trotzdem bleibt alles gleich beschissen. Es wurde alles gesagt, alles angeklagt, schön und beschissen, geändert hat es nichts. Alle stecken im Treibsand und warten auf den Erstickungstod. Aber vorher wird noch abgegriffen was erreichbar ist. Endlose Warteschleife. Der Tod erscheint als Erlösung. Wann verarbeiten wir uns selbst zu Happy Meals? Wann können wir endlich Heroin ohne lästige Nebenwirkungen nehmen? Das Leben ist nicht in Worten zu fassen. Das Denken, unser Wissen wird für immer begrenzt sein. Vor lauter Angst bauen wir Waffen die den gesamten Planeten zerstören können. Wer schützt uns? Es ist so kalt. Ein wir gibt es nicht. Die meisten kennen sich nicht, obwohl sie jahrelang nebeneinander gelebt haben. Man kann einen Menschen nie gut genug kennen. Worauf kommt es noch an? Wie lautet die Botschaft? Was ist die Richtung unseres Seins? Stille. Nur Stille. Keine Antworten. Funny Games.

Ein Kommentar

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Eine Antwort zu “Spucknapf

  1. Anonymous

    Grandioser geistiger Erguss, ist mir wie aus der Seele geschrieben. Gerade auch die drastische, aber eben ehrliche Wortwahl.

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